Wie steht es um die Akzeptanz von Barzahlungen und Kartenzahlungen im Einzelhandel, Gastronomie und öffentlichen Betrieben? Wir haben nachgefragt.
Gebühren zu teuerWarum Händler Gastronomen und Betriebe in Rhein-Sieg Bargeld oder Karte bevorzugen

Schuhmachermeister Heinz Becker aus Siegburg akzeptiert ausschließlich Bargeld.
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Das Lederportemonnaie: abgegriffen und mehrfach geflickt. Die Kasse unter dem Tresen: eine dicke, zerkratzte Holzschublade, die kleinen Scheine und Münzen lose darin. Das Bezahltellerchen auf dem Tresen: ein 70er-Jahre-Original. Bei Schuhmacher Heinz Becker aus Siegburg atmet das gesamte Geschäft Tradition. Und das gilt auch fürs Bezahlen. „Keine Kartenzahlung!“, weist ein handgeschriebenes Schild neben dem Tresen die Kundinnen und Kunden an.
„Es ist ein altes Handwerk mit alten Zahlungsmethoden“, sagt Becker. „Seit 75 Jahren haben wir hier Barzahlung. Ich habe das Geschäft vom Vater übernommen, das ist einfach Tradition.“ Außerdem, so erläutert der Schuhmachermeister, verfüge seine Werkstatt an der Mühlenstraße nicht über einen Festanschluss; ein Kartenbezahlsystem muss aber mit dem Internet verbunden sein.
Völlig ohne Bargeld geht es bei Schuster Becker und Meisterin Weißenfels aus Siegburg nicht
Und abgesehen von den Anschlussgebühren lauerten weitere Gebühren: „Bis zu zehn Euro können da fällig werden, man sieht es den Karten als Händler nicht so schnell an, ob es sich um eine EC- oder Debitkarte handelt.“ Seine Reparaturen seien bereits so knapp kalkuliert, dass die Gebühren nicht mehr aufgefangen werden könnten. Und auf die Kundschaft umlegen, also die Preise erhöhen, wolle er nicht.
So ganz ohne Bargeld unterwegs sein und alles mit Karte zahlen? Für Becker und seine Meisterin Nadine Weißenfels unvorstellbar. 20 Euro sollte doch jeder immer im Portemonnaie mit sich führen, findet Becker. Für die kleine Schuh-Reparatur reiche das meist, „aber wir akzeptieren auch eine Anzahlung und den Rest dann bei Abholung“. Bei den Mitnahmeartikeln wie den handgemachten Gürteln aus weichem, dicken Leder in verschiedenen, modischen Farben für 59 Euro müssten die Interessenten dann schon mal zur Bank. „Und manche kommen nicht wieder, aber das ist dann halt so.“
Verzicht auf Bargeld soll helfen, das Oktopus-Bad in Siegburg zu erhalten
Komplett auf Kartenzahlung setzt die Kreisstadt Siegburg zum Beispiel beim städtischen Oktopus-Bad und bei Parkplätzen. Seit der Corona-Pandemie gibt es Eintrittstickets für das Schwimmbad vorrangig als Online-Ticket über die Webseite.
Im Stadtmuseum könnten allerdings auch noch Tickets mit Bargeld erworben werden, sagt Michael Nagel, Technischer Leiter der Stadtbetriebe Siegburg. „Und an der Kasse im Schwimmbad können unsere Leute bei Bedarf immer unterstützen“, betont er. Der Grund für den Bargeld-Verzicht? „Zu teuer“, erklärt Nagel. „Man muss Wechselgeldkassen vorrätig haben und einen Wachdienst, der das Geld sicher wegbringt. Das kann pro Tour 300 Euro kosten.“ Um das städtische Bad zu erhalten, versuche man, es günstiger zu unterhalten. Dafür sei der Verzicht auf das Bargeld ein gutes Mittel.
Troisdorf: Bäcker Thomas Bröhl nimmt nur Debitkarten, andere sind zu teuer
Auch am städtischen Mühlentor-Parkplatz kann das Parkticket nur noch bargeldlos gekauft werden. Das hat eine Besucherin aus Bonn nicht gewusst, als sie dort ankommt, und dreht fast wieder um. Sie versucht es dann doch mit der Kartenzahlung – mit Erfolg. Gut finde sie die reine Kartenzahlung aber nicht. „Ich bevorzuge es, beide Möglichkeiten zu haben“, sagt die Bonnerin, die nicht mit Namen genannt werden möchte. „Aber es ist auch nicht gut für Menschen, die keine Karte haben.“ Es komme ihr wie ein Ausschluss vor.
Die Bargeldautomaten seien mutwillig zerstört worden, sagt Björn Langer von der Pressestelle der Stadt dazu. „Kaugummis im Münzschlitz.“ Deshalb wurde umgerüstet. Und es sei eine Kostenersparnis, weil die Bargeldautomaten dreimal in der Woche von einer externen Fachfirma hätten geleert werden müssen. Beschwerden darüber, dass man nicht mehr in Bar zahlen kann, lägen nicht vor.

Am städtischen Mühlentor-Parkplatz können Partktickets nur noch mit Kartenzahlung gelöst werden.
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Man kenne ihn bei den Banken als „Bargeld-Bröhl“, berichtet Bäckermeister Thomas Bröhl aus Troisdorf. In den Geschäften seines Unternehmens, fünf Bäckereien und zwei Cafés, könnten die Kunden nach wie vor gern bar bezahlen. An Karten akzeptiere das Personal aber nur Debitkarten. „Master- oder Kreditkarten kann ich mir nicht leisten“, sagt der Unternehmer im Gespräch mit der Redaktion.
Gebühren an Kreditkartenunternehmen und Banken fallen schwer ins Gewicht
Verantwortlich dafür macht Bröhl die Gebühren, die für den Einzelhändler anfielen, wenn seine Kundschaft mit einer derartigen Karte bezahle: zum einen an das Kreditkartenunternehmen, zum anderen aber auch an die Bank, die für jede Guthabenbuchung einzeln Gebühren erhebe. Bezahle der Kunde mit der Debitkarte, „sammle“ das System die Einnahmen des Tages und buche ein einziges Mal – und das Geldhaus berechne nur einmal Gebühr.
Nur wenige Tage habe der Versuch gedauert, in den Filialen eine Bezahlung mit Kreditkarte zu akzeptieren, erzählt Bröhl. „Wir hatten unüberschaubare 200 Buchungen an einem Wochenende“, anschließend habe man das Vorhaben schnell wieder gestoppt. Zwar gebe es inzwischen auch Systeme, die Kreditkartenvorgänge tageweise ähnlich behandelten wie EC-Buchungen, aber dafür seien seine 2018 angeschafften Kassen zu alt.
Er höre Kritik von Kunden, räumt Bröhl ein. Aber auch die Kollegen aus der Sieglarer Marketinggemeinschaft, deren Vorsitzender ist, teilten seine Vorbehalte. Allerdings ist auch der Umgang mit Bargeld nicht ohne Kosten für die Händler: Für eine Rolle mit 50 Ein-Cent-Stücken bezahle er inzwischen 50 Cent Gebühr. Dennoch werde er Bargeld auch privat wenigstens parallel immer nutzen wollen, so Bröhl.
Shops im Huma Sankt Augustin akzeptieren zu 95 Prozent auch Kreditkarten
Nicolas Simmich kennt sich mit der Problematik aus. „Es ist oft komplizierter, als man denkt“, sagt der Center-Manager des Huma in Sankt Augustin. Man müsse immer an den Verkäufer denken. Insbesondere bei Rabatten spiele der Einsatz einer Kreditkarte eine Rolle. Würde eine Ware zum Beispiel für 550 Euro eingekauft, im Rahmen einer Aktion aber für 500 Euro verkauft, werde sie schon mal unter dem Einstandspreis für 500 Euro angeboten. Wenn man zu diesem Verlust auch noch die Kreditartengebühren von vielleicht vier Prozent auf die Gesamtsumme addieren müsse, sei das nicht schön.
Völlig anders sei das bei hohen Gewinnmargen. Da könne eine Kreditkartengebühr eher verschmerzt werden. Er bestätigt das Argument von Schuhmacher Heinz Becker aus Siegburg: „Gerade im Handwerk werden die Preise oft knapp kalkuliert.“ Wenn zum Beispiel ein nachgemachter Schlüssel nur einige Euro koste, könne die Kreditkartengebühr die Kosten der Arbeitszeit und des knappen Gewinns auffressen. Dann habe der Einsatz des Plastikgeldes keinen Sinn.
„In den Shops im Huma werden zu 95 Prozent Kreditkarten akzeptiert“, berichtet Simmich. In den Parkhäusern nähmen nicht alle Automaten Bargeld an. Zu Fuß sei jedoch immer schnell ein Gerät zu erreichen, das mit Münzen oder Scheinen gefüttert werden könne. Simmich vermutet, dass das Bargeld langfristig verschwinden wird: „Vielleicht erlebt das die Generation der Babyboomer sogar noch mit.“