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Interview

Union Berlins Sportchef Horst Heldt
„Lukas Kwasniok kann gut zaubern“

7 min

Horst Heldt (56) ist seit Sommer 2024 als Sportchef beim 1. FC Union Berlin tätig. Seine vorherigen Manager-Stationen waren der 1. FC Köln, Hannover 96, der FC Schalke 04 und der VfB Stuttgart.

Der 1. FC Köln empfängt am Samstag zum Jahresabschluss den 1. FC Union Berlin. Union-Manager Horst Heldt spricht über das Duell gegen seinen Heimatclub und die Zukunft von Trainer Steffen Baumgart.

Viereinhalb Jahre nach seinem Abschied vom 1. FC Köln kehrt Horst Heldt (56) am Samstag (15.30 Uhr, Sky) erstmals ins Rheinenergie-Stadion zurück. Tobias Carspecken sprach mit dem gebürtigen Königswinterer über seine Zeit am Geißbockheim, seine Aufgabe beim 1. FC Union Berlin und die Zusammenarbeit mit Trainer Steffen Baumgart.

Herr Heldt, mit welchen Gefühlen blicken Sie Ihrer Rückkehr nach Köln entgegen?

Mit einer gewissen Gelassenheit. Ich freue mich immer, wenn ich die Gelegenheit habe, zurück nach Köln zu kommen. Ich bin in der Nähe geboren und aufgewachsen. Ich freue mich auf die Stadt und das Stadion und darauf, alte Gesichter wiederzusehen.

Welchen Stellenwert hat der 1. FC Köln noch für Sie?

Der FC wird immer mein Heimatclub sein, das steht außer Frage. Beim FC bin ich zum Profi geworden. Der FC ist der Verein, bei dem ich als Spieler am längsten war, er wird immer ein großer Bestandteil meiner DNA sein. In Bezug auf das Spiel gegen den FC habe ich aber keine emotionalen Dinge mit mir auszumachen.

Wie beurteilen Sie die Entwicklung des FC?

Die Entwicklung ist sehr gut. Der FC ist wieder aufgestiegen, und wer nach 34 Spieltagen auf dem Treppchen steht, hat es auch verdient. Es ist unbestritten, dass der FC zu den Vereinen zählt, die in die Erste Liga gehören. Den bisherigen Saisonverlauf hat der FC sich vielleicht so erhofft, erwarten konnte man ihn nicht. Der FC hat eine tolle Mannschaft und einen Trainer, der gut zaubern kann. Von daher müssen wir zusehen, dass er am Samstag nicht zu viele Tricks an den Tag legt.

Wie verfolgen Sie die Arbeit von Lukas Kwasniok?

Er hatte eine tolle Zeit in Paderborn. Der Wechsel zum FC war für ihn der nächste Schritt. Ein Verein mit mehr Aufgeregtheit, mehr Begleitung, mehr Intensität und auch mehr Anspruch. So wie ich es von außen wahrnehme, passt das sehr gut zusammen. Er erfüllt, glaube ich, viel von dem, wie der Kölner sich einen Cheftrainer vorstellt.

Welche Bedeutung hat das letzte Spiel vor der Winterpause?

Für uns geht es darum, den FC auf Abstand zu halten. Das ist unser Ziel. Es ist für beide Seiten ein wichtiges Spiel, bevor das neue Jahr gleich mit einer Englischen Woche beginnt. Das Spiel entscheidet darüber, mit welchem Gefühl man sich in die Winterpause verabschiedet. Der Sieger verschafft sich ein Polster. Wir kommen also nicht nach Köln, um auf der Hohe Straße noch Weihnachtsgeschenke zu besorgen. Wir wollen so viele Punkte wie möglich mitnehmen und einen guten Jahresabschluss.

Was für ein Spiel erwarten Sie?

Wir werden unsere Tugenden einbringen müssen und gegen die Flexibilität, die die Kölner mit ihrem permanenten Rotieren an den Tag legen, etwas entgegensetzen. Darauf sind wir gut vorbereitet.

Wie bewerten Sie den bisherigen Saisonverlauf von Union?

Wir haben in der Vorbereitung kein einziges Spiel gewonnen und wurden eigentlich schon als erster Absteiger tituliert. Stand heute führen wir das Mittelfeld an. Es gab Spiele, in denen wir Punkte haben liegen lassen. Das ärgert uns einerseits natürlich. Andererseits haben wir auch gesehen, dass wir in der Lage sind, gegen viele Mannschaften mitzuhalten.

Entsprach der jüngste 3:1-Sieg gegen den Tabellenzweiten Leipzig genau den Vorstellungen, wie Sie Union an der Alten Försterei erleben möchten?

Unsere Aufgabe ist es, die Liga zu halten. Dafür müssen wir eine Idee entwickeln, um eine größtmögliche Chance zu haben, in der Liga zu bleiben. Als Verantwortlicher von Union geht es nicht darum, Sachen zu entwickeln, die für die Galerie sind. Wir haben eine Verantwortung, der wir gerecht werden müssen. Wir sind mit unseren Fans eins. Das ist nicht nur eine Worthülse, das ist hier wirklich ein absolutes Miteinander. Die Menschen nehmen die Art und Weise, wie wir erfolgreich Fußball spielen wollen, an und begleiten und unterstützen uns intensivst auf diesem Weg. Das Spiel gegen Leipzig war genau so, wie wir uns das vorstellen. Wir haben uns sowohl kämpferisch als auch spielerisch durchsetzen können. Das war ein toller Moment, muss ich sagen.

Auch für Steffen Baumgart bedeutet das Spiel in Köln eine Rückkehr. Wie erleben Sie Ihren Trainer speziell in diesen Tagen?

Steffen hat ja immer noch eine Nähe zu Köln. Er ist gerne in Köln und hat dort sicherlich auch außerhalb des Fußballs Menschen kennengelernt, mit denen er noch in Kontakt ist. Aber ich erlebe ihn hier sehr fokussiert. Er schweift nicht in Begleiterscheinungen ab, die ihm mit Sicherheit durch den Kopf gehen. Er kümmert sich um seine Mannschaft und ist nicht in Nostalgie schwelgend unterwegs.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit ihm?

Steffen kennt den Club durch seine Vergangenheit bei Union in- und auswendig. Das war ein Entscheidungskriterium für uns. Er hat uns in der vergangenen Saison in der Liga gehalten, wir haben unser Saisonziel sehr früh erreicht. Die Zusammenarbeit ist sehr gut, sehr intensiv, sehr vertrauensvoll. Es ist genau so, wie ich es erwartet habe.

Wie sehr verkörpert Steffen Baumgart die Werte von Union?

Wir alle pflegen hier sehr extrem ein Verständnis des Miteinanders und gehen sehr respektvoll miteinander um. Das hat den Club schon immer ausgezeichnet. Wenn du hierhin kommst, weißt du, was wichtig ist, worauf die Leute Wert legen. Das wird von jedem mit einem Selbstverständnis gelebt, auch von Steffen. Hier fällt keiner um, wenn du dreimal nicht gewinnst. Über allem steht hier die Frage: Was ist das Beste für Union? Hier ist niemand getrieben von Eigeninteressen, Egoismus oder dem Willen, selbst gut dastehen zu wollen. Ich kann das wirklich beurteilen, weil ich schon bei dem ein oder anderen Verein war.

Der Vertrag von Steffen Baumgart soll nach dieser Saison auslaufen. Können Sie das bestätigen?

Es ist bewusst so gewählt, dass wir generell keine Vertragslaufzeiten angeben. Wir sind aber im täglichen Austausch. Klar ist aber auch: Wir haben jetzt nochmal ein wichtiges Spiel. Es ist von absoluter Wichtigkeit, im letzten Spiel vor Weihnachten nochmal alles rauszuholen. Darauf gilt es, sich zu fokussieren. Alles andere entscheiden wir dann in Zukunft, wenn es angebracht ist.

Nach Ihrem Abschied aus Köln Mitte 2021 waren Sie drei Jahre lang ohne Club. Wie haben Sie die Zeit genutzt?

Ich habe viel Zeit mit meiner Familie und mit meinem Sohn verbracht und die täglichen Dinge gelebt, die man nicht erlebt, wenn man nicht permanent zusammen ist. Ich habe die Zeit für mich sehr gut genutzt und die drei Jahre auch genossen. Nichtsdestotrotz hätte ich gerne früher wieder angefangen. Ich arbeite gerne, mache meinen Job gerne. Ich bin froh, dass ich bei Union wieder eine Möglichkeit bekommen habe, Dinge zu gestalten, die ausgemachten Ziele zu erreichen und den Club weiterzuentwickeln.

Wie lange haben Sie gebraucht, um Ihre Entlassung beim FC am Tag nach der gewonnenen Relegation zu verarbeiten?

Es hat eine Zeit lang gedauert, das zu respektieren, zu verstehen, zu akzeptieren. Wer mich kennt, weiß, dass bei mir dienstags nicht alles wieder in Ordnung ist, wenn ich sonntags entlassen werde. Man hinterfragt sich und fängt bei sich selbst an. Ich war extrem emotionalisiert. Das brauchte seine Zeit. Es war wichtig, sich diese Zeit zu nehmen. Nur dann findet man irgendwann den Punkt, es zu verarbeiten. Wenn du etwas runterschluckst und versuchst, es zu verdrängen, dann ist es schwierig.

Schwang bei Ihnen auch Wehmut mit, dass Ihre Zeit beim FC im Zeichen der Coronakrise stand?

Es war Existenzkampf. Die Welt spielte verrückt, in vielerlei Hinsicht, und keiner war darauf vorbereitet – weil man darauf nicht vorbereitet sein konnte. Für einen Sportverantwortlichen standen auf einmal Themen auf der Agenda, die man bis dato nicht ansatzweise mal durchgespielt hatte. Es ging nicht darum: In welchem System spielen wir Fußball? Sondern: Spielen wir überhaupt nochmal Fußball? Müssen wir Mitarbeiter entlassen? Oder wie kommen wir da durch? Köln, eine intensive, pulsierende, lustige Stadt, lag auf einmal im Koma. Das war schwierig.

Wo möchten Sie mit Union hin?

Wir sind jetzt im siebten Jahr in Folge in der Bundesliga. Unser Ziel ist es, uns dauerhaft als festen Bestandteil der Bundesliga zu etablieren. Das ist jedes Jahr eine Herausforderung. Auf der anderen Seite ist es nicht lange her, dass der Verein mal in der Champions League gespielt hat. Und wenn man einmal in den Genuss gekommen ist, möchte man die Hymne gerne wieder hören. Unser Bestreben ist der maximale Erfolg. Um aber konkurrenzfähig zu sein, müssen wir uns weiterentwickeln.

Was stimmt Sie zuversichtlich?

Wir haben ein Präsidium, das mehr als 20 Jahre im Amt ist. Diese Beständigkeit in der absolut höchsten Verantwortungsebene zahlt sich aus. Das ist etwas Besonderes, das ist nachhaltig. Hinter etwas zu stehen, auch mal gemeinsam durch Täler zu gehen, sind gute Voraussetzungen. Und das wird hier gelebt.