Fast sieben Jahre sind nun schon vergangen, seitdem Yannick Gerhardt (28) seinen Heimatverein 1. FC Köln verlassen hat und zum VfL Wolfsburg gewechselt ist. Vor seiner Rückkehr am Samstag nach Müngersdorf sprach Tobias Carspecken mit dem gebürtigen Würselener.
Yannick Gerhardt im Interview"Ich brauche nicht ständig Veränderung"

Seit Sommer 2017 beim VfL Wolfsburg unter Vertrag: Das Kölner Eigengewächs Yannick Gerhardt.
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Herr Gerhardt, kommt es Ihnen manchmal so vor, als verginge die Zeit wie im Flug?
Ich weiß noch ganz genau, wie ich beim 1. FC Köln der Youngster war, der aus der A-Jugend hochkam zu den Profis. Inzwischen bin ich Ende 20 und damit in einem fortgeschrittenen Fußballer-Alter. Ich hätte nie gedacht, dass die Zeit gefühlt so schnell voranschreiten würde.
Der VfL Wolfsburg ist erst der zweite Proficlub in Ihrer Karriere. Woher kommt diese Vereinstreue?
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Ich glaube, das hängt auch mit meiner Persönlichkeit zusammen. Ich bin jemand, der nicht ständig Veränderung braucht. Wenn ich mich irgendwo wohl fühle, die Ziele des Vereins mit meinen übereinstimmen und auch das soziale Umfeld passt, dann gibt es für mich keinen Grund, den Club zu wechseln.
Fühlen Sie sich in Wolfsburg heimisch?
Das Rheinland, Köln und Düren-Kreuzau, wo meine Eltern herkommen, werden immer meine Heimat bleiben. Wenn man aber wie ich nun fast sieben Jahre an ein und demselben Ort lebt, ist das natürlich auch etwas Besonderes. Meine Freundin kommt aus der Region, ich habe hier viele neue Menschen kennengelernt. Wolfsburg ist für mich zu einer zweiten Heimat geworden.
Ich musste nach dem Wechsel in einen neuen Verein mit hohem Konkurrenzkampf erst lernen, lautstarker meinen Platz einzufordern.
Warum passt es so gut?
Der Verein ist top aufgestellt, die Infrastruktur hochprofessionell, die Kommunikation gut. Wenn man Wolfsburg mit Großstädten vergleicht, fehlt hier natürlich ein wenig der Trubel. Auf der anderen Seite lernt man dadurch andere Dinge zu schätzen. Ich habe hier Ruhe, kurze Arbeitswege und ein schönes Zuhause.
VfL-Sportchef Marcel Schäfer hat Sie als „Gold wert für diesen Verein“ bezeichnet. Schmeichelt Ihnen das Lob?
Es tut natürlich gut, so etwas zu hören. Das ist Wertschätzung und Anerkennung, zumal ich hier nicht nur positive Phasen miterlebt habe. Wir waren zweimal in der Relegation – in einer Zeit, in der es auch für mich persönlich nicht so gut lief, weil ich wenig gespielt habe. Wer mich kennt, der weiß, dass ich versuche, immer alles zu geben.
Dennoch laufen Sie nach Ansicht Ihres Trainers Niko Kovac „in der Bundesliga immer so ein bisschen unter dem Radar“. Wundert Sie das?
Vielleicht liegt das auch ein bisschen an meinem Naturell. Daran, dass ich nicht immer im Vordergrund stehen möchte und mich erst in den letzten Jahren dahin entwickelt habe, noch mehr und aktiver Verantwortung einzufordern und zu übernehmen. Damit ich noch sichtbarer bin. Ich musste nach dem Wechsel in einen neuen Verein mit hohem Konkurrenzkampf erst lernen, lautstarker meinen Platz einzufordern.
Sie stehen bei 164 Bundesliga-Spielen für den VfL, das sind die neunmeisten in der Geschichte des Clubs. Was bedeutet Ihnen diese Zahl?
Es ist etwas Besonderes, über einen längeren Zeitraum im gleichen Verein zu spielen. Das ist im heutigen Fußball nicht mehr alltäglich, weil viele Spieler den Verein wechseln, sobald sie eine bessere Option haben.
Würden Sie sich zu den VfL-Legenden zählen?
Zumindest spürt man, dass sich die Leute besser mit einem Spieler identifizieren können, wenn er länger im Verein ist. Wir haben hier eine gute Zeit in der Champions League miteinander erlebt, aber auch eine schwere Phase im Abstiegskampf. So etwas schweißt zusammen. Eine VfL-Legende wie Maximilian Arnold werde ich zwar nicht mehr einholen. Aber ein paar Plätze will ich schon noch gutmachen (schmunzelt).
Da kommen Erinnerungen hoch, weil ich schon als kleiner Junge davon geträumt habe. Ich werde extramotiviert sein.
Ihr Vertrag läuft bis 2025. Wie sieht Ihr weiterer Plan aus?
Mein Ziel ist es, noch so lange wie möglich Fußball zu spielen. Für mich gibt es keinen schöneren Beruf. Natürlich gibt es für einen Fußballer auch die Möglichkeit, mal im Ausland zu spielen. Ebenso kann ich mir aber vorstellen, hier zu bleiben, wenn es weiterhin so gut für mich läuft. Im Fußball ist es generell schwierig, langfristig zu planen.
Fehlt Ihnen zum absoluten Glück noch ein Titel?
Davon mache ich mein Glück nicht abhängig – auch wenn jeder Fußballer natürlich Titel gewinnen will. In der Bundesliga ist es außerhalb des FC Bayern aber schwierig, eine Meisterschaft anzupeilen. Auf der anderen Seite bin ich niemand, der in eine schwächere Liga wechseln würde, um die Chance auf einen Titel zu erhöhen. Ich will mich mit den Besten messen. Daher bin ich nach wie vor ein Riesenfan der Bundesliga. Zudem sehe ich beim VfL Wolfsburg weitere Entwicklungschancen.
In der laufenden Saison haben Sie bereits vier Mal getroffen – eine persönliche Bestmarke. Haben Sie an Ihrem Spiel etwas verändert?
Meine Position kommt mir da sicherlich entgegen. Auf der Acht kann man sich immer wieder in die Offensive einschalten und muss weniger nach hinten absichern. Durch meine Erfahrung kann ich die Läufe noch gezielter einsetzen, um in die gefährlichen Räume zu gelangen. Es ist aber noch Luft nach oben vorhanden.
Nach zwei fulminanten Siegen zum Start aus der Winterpause ist der VfL seit fünf Pflichtspielen sieglos. Haben Sie eine Erklärung?
Wir haben eine sehr junge Mannschaft, da gehören Streuungen in den Leistungen dazu. Zudem hatten wir ein besonders hartes Programm mit Union im Pokal, den Bayern und Leipzig. Wir wurden wachgerüttelt. Jetzt gilt es, sich wieder auf die Basics zu konzentrieren und als Mannschaft zu funktionieren.
Der Rückstand auf Platz sechs beträgt bereits acht Punkte. Geht es für den VfL nur noch um die Conference League?
Diese Saison ist verrückt. Am Anfang waren wir unten drin, dann hatten wir Hoffnung auf die internationalen Plätze. Und jetzt bewegen wir uns so ein bisschen im Graubereich. Wir tun deshalb gut daran, erstmal weniger auf die Tabelle zu schauen, sondern die Konzentration auf die aktuelle Situation zu legen. Vielleicht klappt es dann doch noch mit dem Europapokal.
Am Samstag geht es zurück nach Köln. Was fühlen Sie?
Das ist für mich immer noch ein besonderes Spiel. Ich freue mich sehr darauf, in diesem Stadion zu spielen. Da kommen Erinnerungen hoch, weil ich schon als kleiner Junge davon geträumt habe. Ich werde extramotiviert sein.
Jeder weiß, dass dieser Verein sehr besonders für mich ist. Ich habe in Köln meine gesamte Jugend sowie die ersten drei Profijahre verbracht. Daher kann ich mir das schon vorstellen.
Was ist zu erwarten?
Es wird ein sehr schwieriges Spiel. Der FC spielt eine super Saison. Er agiert sehr intensiv und ist eklig in den Zweikämpfen. Wir müssen hellwach sein und die wenigen Chancen, die wir vermutlich bekommen werden, konsequent nutzen.
Zählen Sie den FC zu den Konkurrenten im Kampf um Platz sieben?
Das Potenzial dazu hat der FC. Aber es sind auch noch andere Mannschaften in der Verlosung. Es ist brutal eng.
Wie beurteilen Sie die Entwicklung des FC?
Ich glaube, dass Steffen Baumgart perfekt zum 1. FC Köln passt. Er identifiziert sich mit dem Verein. Und die Fans lieben ihn. Weil er mit seiner Schiebermütze eine gewisse Selbstironie hat, an der Seitenlinie immer Vollgas gibt und das umgekehrt auch von seinen Spielern einfordert. Man kann nur den Hut davor ziehen, wie er jeden einzelnen Spieler weiterentwickelt.
Verspüren Sie hin und wieder Heimweh?
Ich habe noch eine Wohnung und viele Freunde in Köln. Der Bezug zur Stadt ist weiter da.
Ist eine Rückkehr zum FC irgendwann nochmal denkbar?
Jeder weiß, dass dieser Verein sehr besonders für mich ist. Ich habe in Köln meine gesamte Jugend sowie die ersten drei Profijahre verbracht. Daher kann ich mir das schon vorstellen.