Fünf GründeWarum die Zahl der Corona-Toten stagniert

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Ein Mitarbeiter bereitet in einem Krankenhaus eine Probe für Corona-Test vor.

  • Die Zahl der nachgewiesenen Corona-Infektionen ist wieder leicht gestiegen, doch sterben die Menschen immer seltener.
  • Seit Wochen fürchten viele, dass die Zahl der Toten die 10.000-er Marke erreichen würde – was aber nicht eintritt.
  • Sie liegt akut bei etwas über 9400. Dass sie stagniert, hat viele Gründe.
  • Wir führen fünf Gründe auf und erläutern die Lage.

1. Jüngere erkranken mittlerweile deutlich häufiger  Die jüngere Generation ist im Moment die treibende Kraft bei den Neuinfektionen. Ihr Anteil unter den Infizierten steigt. Derzeit stecken sich junge Menschen deutlich häufiger an als ältere. Die meisten positiven Testergebnisse finden sich dem Robert-Koch-Institut zufolge in der Altersgruppe der 20- bis 49-Jährigen, und innerhalb dieser vor allem bei Menschen Anfang 20. Zur Hochzeit der Pandemie war das anders. Damals erkrankten vor allem Ältere. Rund 17 Prozent der Infizierten waren älter als 80 Jahre. Heute sind es nur noch vier Prozent. Der jetzige Trend lässt sich mit dem Verhalten der Jüngeren erklären: Sie treffen sich häufiger mit Freunden, als es Ältere tun. Zudem sind sie grundsätzlich in größeren Gruppen unterwegs, sei es in der Schule oder beim Sport. Und jedes Treffen ist eine potenzielle Gelegenheit, sich anzustecken. Schwere Verläufe sind bei jüngeren Menschen aber sehr selten. Es kommt damit auch seltener zu Todesfällen. Doch es ist nicht ausgeschlossen, dass sich künftig auch wieder mehr Ältere infizieren. Denn weitgehend sicher vor dem Virus sind Risikogruppen nur, solange die Infektionszahlen insgesamt niedrig bleiben.

2. Die segensreiche Lernkurve  der Intensivmedizin

Die schweren Covid-19-Fälle der ersten Wochen der Pandemie wurden sämtlich intensivmedizinisch behandelt – und wie immer, wenn man es mit einem unbekannten Erreger zu tun hat, wurde die High-Tech-Medizin maximal in Stellung gebracht, etwa Beatmungsgeräte, Herz-Lungen-Maschinen. Die Intensivmedizin hat aber zweifellos davon gelernt, dass die Datenlage international schon schnell verfügbar war; Beiträge und Studien wurden veröffentlicht und durchliefen erst dann das Review-Verfahren.

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Ein wichtiger Faktor war und ist die Erkenntnis, dass hohe Beatmungsdrücke in manchen Fällen unvermeidlich sind, der Lunge aber auch selbst Probleme bereiten können. Sodann gibt es mittlerweile diverse medikamentöse Optionen, die auch in der Summe hilfreich sind. Dazu zählen beispielsweise das Ebola-Medikament Remdesivir, das Cortison-Präparat Dexamethason oder verschiedene sogenannte Immunmodulatoren, die man auch von Autoimmunerkrankungen wie Rheumatoider Arthritis kennt. Immunmodulatoren können helfen, die gefürchtete überschießende Immunreaktion bei schweren Covid-19-Verläufen („Zytokinsturm“) zu dämpfen; auch hierzu laufen derzeit mehrere interntionale Studien.

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Zudem gibt es die Option, die sogenannten Immunthrombosen mit Hilfe von medikamentösen Gerinnungshemmern wieder in den Griff zu bekommen. Diese Immunthrombosen sind einer der zentralen Aspekte der schweren Covid-19-Verläufe.

Wichtig ist aber auch das Zeitmanagement bei der Behandlung von Covid-19-Patienten. Intensivmediziner wissen jetzt mehr und mehr, welcher Schritt zu welchem Zeitpunkt zu erfolgen hat. Das geht mit dem Verständnis von den zum Teil komplexen Abläufen einher. Während in der ersten Hochphase der Pandemie gerade auch die personelle Belastung der Intensivstationen spürbar war, hat das Abflachen der Infektionszahlen auch die Kliniken entlastet. Das führte unter anderem dazu, dass schnell gekaufte Beatmungsgeräte plötzlich überflüssig wurden. Teilweise wurden sie wieder verkauft oder gar verschenkt.

3. Der nachhaltige Schutz der Risikogruppen

Fast täglich las man vor Monaten noch Meldungen, dass in einem Altenheim auf einen Schlag mehrere Menschen an Corona gestorben sind. Diese Meldungen gibt es kaum noch. Das hat mehrere Gründe: Risikogruppen werden vom System mittlerweile deutlich effektiver geschützt als noch zu Anfang der Pandemie. Mund-Nasen-Schutz, Handhygiene und Abstand sind vielen Menschen (wenn auch noch längst nicht allen) in Fleisch und Blut übergegangen. Vergleicht man die deutschen mit den schwedischen Zahlen, so war die Sterberate in Schweden etwa im Juni/Juli um ein Vielfaches höher, was auch daran lag, dass Schweden die Risikogruppen lange zu nachlässig behandelt hat. Jetzt steht das skandinavische Land immer noch deutlich schlechter da als seine Nachbarn Dänemark, Norwegen und Finnland, aber auch in Schweden sind die Sterbezahlen deutlich gesunken. Das hat auch mit der unterschwellig gewachsenen Einsicht der Schweden zu tun, dass Alltagsmasken eben doch hilfreich sind. Sie werden etwa im öffentlichen Personennahverkehr in Stockholm immer häufiger getragen.

4. Immer mehr Tests sorgen für eine kleinere Dunkelziffer

Deutschland baut seine Kapazitäten für Tests auf das Coronavirus zunehmend aus. Seit Beginn der Pandemie im März sind sie um den Faktor zwölf gestiegen – von damals 100 000 Tests pro Woche auf nun 1,2 Millionen. Ein wichtiger Indikator hierbei ist die Positivrate. Sie gibt an, wie viele der durchgeführten Tests positiv ausfallen. Anfang April waren das rund neun Prozent. Heute sind es 0,7 Prozent. Sinkt die Positivrate bei immer mehr Tests, deutet das darauf hin, dass nur wenige Infizierte unentdeckt bleiben. Die Dunkelziffer ist also gering. Bei einer Positivrate von unter fünf Prozent hat ein Land laut Definition der Weltgesundheitsorganisation die Epidemie unter Kontrolle gebracht – Corona-Ausbrüche können also effektiv verfolgt und Risikogruppen dadurch geschützt werden. Dass die Infektionsfallzahlen nun wieder etwas steigen, lässt sich übrigens nicht ausschließlich auf mehr Tests zurückführen. Wäre dies der Fall, dürfte sich die Positivrate kaum verändern.

5. Kontinuierlicher Sinkflug durch Maßnahmen der Eindämmung

Die Zahl der Todesfälle, die im Zusammenhang mit dem Coronavirus stehen, ist seit Mitte April bis heute kontinuierlich gesunken. Das ist auch auf die Eindämmungsmaßnahmen von Bund und Ländern zurückzuführen. Am 18. März ruft Bundeskanzlerin Angela Merkel die Menschen in einer Fernsehansprache zur Solidarität im Kampf gegen das Virus auf. Vier Tage später verschärfen Bund und Länder die Kontaktbeschränkungen. Am 1. April werden sie verlängert. Die Abstandsregeln tragen maßgeblich dazu bei, dass sich mehrere Menschen nicht mehr eng beieinander aufhalten. Die Wahrscheinlichkeit, sich zu infizieren, wird damit deutlich gesenkt. Hinzu kommt die Disziplin des Einzelnen, die sich etabliert. Die allermeisten Menschen halten sich heute an die Empfehlungen der Gesundheitsbehörden. Masken sind nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel. Der Umgang mit Richtlinien wird routinierter. Die Demonstrationen gegen die Corona-Politik zeugen aber auch von einer wachsenden Gruppe Andersdenkender, der mit weiterer Aufklärung zu begegnen ist.  

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