Dutzende Millionen Menschen haben sich gegen Corona impfen lassen. Die allermeisten haben die Impfstoffe gut vertragen. Dennoch gab es Impfopfer. Hier erzählt ein Betroffener.
Interview mit einem Impfopfer„Ich war vor meiner Corona-Impfung kerngesund“
Sebastian Schönert (38) erlitt nach einer AstraZeneca-Impfung gegen Corona im April 2021 eine lebensgefährliche Hirnvenen-Thrombose. Über seine Erkrankung, die Folgen und seine Klage gegen den Impfstoff-Hersteller sprach mit ihm Dierk Himstedt.
Herr Schönert, wie geht es Ihnen gesundheitlich?
Mir geht es gut. Eigentlich ein kleines Wunder, wenn man bedenkt, dass ich im Frühjahr 2021 um ein Haar hätte sterben können.
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Hatten Sie Vorerkrankungen?
Nein, so weit ich das weiß, war ich vor meiner Impfung kerngesund. Ich habe auch keine genetische Veranlagung für Thromboseerkrankungen.
Warum haben Sie sich damals impfen lassen, obwohl Sie nicht zu den Risikogruppen der über 60-Jährigen oder wegen schwerer Atemwege- und Lungenkrankheiten gehörten?
Ich wollte meine Eltern und älteren Verwandten schützen. Zudem arbeitete meine jetzige Frau damals schon in der Kindererziehung und da wollte ich meinen Beitrag leisten, dass sie sich nicht über mich infiziert. Ich habe dann durch Glück eine Impfung in meiner Heimat in Sendenhorst bei Münster bekommen, weil dort jemand einen Termin nicht wahrnehmen konnte. Und bin damals zwei Stunden mit dem Auto von Brühl nach Münster gebrettert, weil ich um Punkt 20 Uhr an diesem Abend in der Hausarztpraxis sein musste, sonst wäre die Impfung verfallen. Ich war also sehr froh, als ich mit AstraZeneca geimpft war und bin sehr zufrieden hach Hause gefahren.
Hatten Sie die Unterlagen zu möglichen Nebenwirkungen vom AstraZeneca-Impfstoff gelesen?
Ich habe Sie durchgelesen. Aber da bin ich ehrlich: Was da im Detail stand, hatte ich kurz danach schon nicht mehr im Kopf. Ich war ja auch froh und glücklich, die Impfung zu bekommen. Das stand für mich absolut im Vordergrund.
Und wann haben Sie nach der Corona-Impfung gleich gemerkt, dass etwas nicht stimmt?
Bereits kurze Zeit nach der Impfung hatte ich starke Kopfschmerzen. Aber mir war nicht bewusst, dass diese mit der Impfung zu tun hatten. Ich dachte tagelang, dass es Folgeerscheinungen einer osteopathischen Nacken- und Schultermassage sind, die ich in den Tagen vorher bekommen hatte.
Was haben Sie dagegen unternommen?
Ich habe hohe Dosen Schmerzmittel eingenommen. Es war unangenehm, aber auszuhalten – ein bisschen wie akute Zahnschmerzen. Und ich habe ja auch noch gearbeitet.
Wie ging es weiter?
Das ging einige Tage so – bis zu dem Tag, als ich und meine damaligen Freundin und jetzige Frau für unseren anstehenden Urlaub auf Rhodos einen PCR-Coronatest machen lassen wollten. Vorher wollte ich noch Schmerztabletten besorgen. Da mein Hausarzt Urlaub hatte, bin ich mit meiner Frau ins Marienhospital in Brühl gefahren. Wie sich herausstellte, war das mein Glück. Das Krankenhaus war leer und das medizinische Personal hatte Zeit. Nach einer kurzen Beschreibung meiner Symptome und dem Hinweis, dass ich kürzlich mit AstraZeneca gegen Corona geimpft wurde, empfahl man mir, ein Blutbild machen zu lassen.
Und dann? Sie wollten ja zwei Tage später in den Urlaub fahren.
Das hatte ich zu diesem Zeitpunkt immer noch vor. Aber als die Ärzte mein Blutbild hatten und feststellten, dass mein Thrombozyten-Wert extrem niedrig war, wurde ich sofort mit dem Notarztwagen in die Uni-Klinik Köln gefahren.
War Ihnen klar, dass es ernst ist?
Selbst in der Uni-Klinik bin ich noch davon ausgegangen, dass ich am nächsten Tag wieder entlassen werde. Aber nach einer MRT-Untersuchung wurde mir klar gemacht, dass ich auf die Intensivstation müsse und einige Wochen in der Klinik verbringen werde. Nach dieser Aussage wusste ich, dass es sehr ernst um mich stand. Der behandelnde Arzt erzählte mir dann, dass ich es vielleicht noch bis Rhodos geschafft hätte, aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nur noch in einer „Kiste“ zurückgekehrt wäre. Richtig realisiert, wie viel Glück ich hatte, habe ich eigentlich erst Wochen später.
Das muss ein Schock für Sie gewesen sein. Empfinden Sie Wut wegen des damaligen Impf-Aufrufs der Regierung oder gegen AstraZeneca?
Wut ist nicht so meine Sache. Und grundsätzlich war ich vom Vorgehen der Regierung überzeugt. Die Impfkampagne war auch nach meiner Ansicht das beste Mittel zur Bekämpfung der Pandemie. Es ist daher eher ein Gefühl der Enttäuschung.
Warum sind Sie enttäuscht?
Ich muss seit nunmehr fast zwei Jahren um eine Entschädigung kämpfen und gerichtlich mit hohem finanziellen Risiko gegen einen großen Konzern vorgehen, dessen Impfstoff mir fast das Leben gekostet hat. Das Einholen eines Gutachtens, das ich selbst finanziert habe, dauerte Monate. Die Entscheidung, ob ich einzeln oder per Sammelklage gegen AstraZeneca vorgehe, war nervenaufreibend. Und das Verfahren hat noch nicht einmal begonnen.
Sie klagen persönlich gegen AstraZeneca?
Ja. Die Entscheidung zur Einzelklage wurde aufgrund des Rats meines Anwaltes, Joachim Cäsar-Preller, getroffen. Wir haben ein Blut-Gutachten aus Greifswald vorliegen, das eindeutig den Zusammenhang zwischen meiner Sinusvenen-Thrombose und dem verabreichten so genannten Vektor-Corona-Impfstoff von AstraZeneca belegt.
Was hätten Sie sich gewünscht?
Ich hätte schon erwartet, dass ein Konzern, der Milliarden mit seinem Corona-Impfstoff verdient, einen Fonds oder etwas Ähnliches einrichtet, um Menschen, die von Impfschäden durch die AstraZeneca-Impfstoffe betroffen sind, finanziell ausgleicht.
Es gibt nach Millionen Corona-Impfungen viele Menschen, die danach Gesundheitsschäden erlitten. Haben Sie mit Betroffenen Kontakt?
Ja. Ich bin zwar nicht in einem Betroffenenkreis, aber ich tausche mich mit zwei Betroffenen regelmäßig aus, die mich auch bestärkt haben zu klagen. Einer dieser Kontakte ist Anwalt.
Wie geht es jetzt weiter?
Ich warte das Verfahren ab. Ich hoffe, dass ich gewinne. Falls nicht, muss ich neu entscheiden.
Was fordern Sie von AstraZeneca?
Es geht um die Erstattung der Kosten für den Urlaub, in den ich nicht fahren konnte, um Schadensersatz wegen meines mehrwöchigen Krankenhausaufenthaltes und Erstattung der entstehenden Verfahrenskosten.
Sie mussten doch auch noch lange Zeit Medikamente nehmen.
Nach meinem Klinik-Aufenthalt habe ich zehn Monate lang vor allem Blutgerinnungshemmer eingenommen, die auch Nebenwirkungen, zum Beispiel für die Leber, haben. Zudem erhöhen sie die Gefahr von inneren Blutungen.
Und trotzdem haben Sie nicht mehr Schmerzensgeld verlangt? Immerhin hätten Sie sterben können.
Es geht mir lediglich um das Schmerzensgeld für die Dauer meines Klinikaufenthalts. Zudem wollte ich den Streitwert nicht in die Höhe treiben. Denn damit hätten sich im Falle einer Prozess-Niederlage ja auch die Anwalts- und Gerichtskosten erhöht. Zudem geht es mir gar nicht so sehr ums Geld. Ich hatte ja unfassbares Glück. Mein Ziel ist vielmehr, gerichtlich zu klären, dass hier ein Mensch durch ein Medikament Schaden genommen hat, für den ein verantwortliches Unternehmen gerade stehen muss. Ich hoffe, damit auch andere zu motivieren, ihre Rechte genauso wahr zu nehmen.
Das ehrt Sie. Würden Sie sich noch mal gegen Corona impfen lassen?
Ich habe mich danach ja wieder impfen lassen – im Rahmen einer Studie der Uni-Klinik in Greifswald. Zwei Mal sogar: sechs Wochen nach dem Krankenhaus-Aufenthalt mit dem Biontech-Impfstoff und danach, knapp sechs Monate später, mit Moderna.
Und Sie hatten keine Bedenken?
Ich wurde regelmäßig untersucht. Und auch als ich starke grippeähnliche Symptome nach der Moderna-Impfung hatte, hatte ich keine Angst, dass ich jetzt wieder im Krankenhaus lande. Ich war in guten fachlichen Händen, denen ich vertraut habe. Das ist der Vorteil, wenn man an einer Studie als Proband teilnimmt. Ich bin nachträglich auch froh darüber, dass ich diesen Schritt gemacht habe. Denn jetzt kann mir keiner vorwerfen, dass ich nach einmaliger Impfung meinen Schadensfall finanziell ausnutzen will.
Daten zu Corona-Impfungen
Das Bundesministerium für Gesundheit gibt an, dass bis zum 8. April 2023 rund 63,6 Millionen Menschen in Deutschland (76,4 Prozent der Gesamtbevölkerung) grundimmunisiert, also laut dem Robert-Koch-Institut in der Regel zwei Mal gegen Corona geimpft sind. Die Über-60-Jährigen haben mit 90,1 Prozent bei der Grundimmunisierung der höchsten Wert unter allen Altersgruppen zu verzeichnen. Rund 52,1 Prozent (62,6 Prozent der Bevölkerung) haben zusätzlich eine oder mehrere Auffrischungen bekommen.
Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hat seit Beginn der Impfkampagne am 27. Dezember 2020 Sicherheitsberichte über Verdachtsfallmeldungen von Impfnebenwirkungen und -komplikationen mit den zugelassenen Covid-19-Impfstoffen veröffentlicht, erstmals am 4. Januar 2020. Der jeweils aktuelle Sicherheitsbericht, derzeit mit Daten bis inklusive 31. Dezember 2022, kann online abgerufen werden. Insgesamt wurden dem Paul-Ehrlich-Institut seit Beginn der Covid-19-Impfkampagne bis einschließlich 28. Februar 2023 aus Deutschland nach etwa 192 Millionen Covid-19-Impfungen 338.857 Verdachtsfälle von Impfstoffnebenwirkungen gemeldet, davon 54.879 Verdachtsfälle mit schwerwiegenden Nebenwirkungen – das entspricht einem Anteil von 0,029 Prozent.
Im § 4 des Arzneimittelgesetzes (AMG) werden diese Verdachtsfälle definiert: Danach liegen diese vor, wenn mindestens eine stationäre Behandlung oder Verlängerung einer solchen Behandlung nach der Impfung erforderlich ist oder eine schwerwiegende Behinderung, Invalidität, kongenitalen Anomalien oder Geburtsfehlern die Folge sind. Unerwartete Nebenwirkungen sind Nebenwirkungen, deren Art, Ausmaß oder Ergebnis von der Fachinformation des Arzneimittels abweichen. Darüber hinaus werden gemäß dem PEI auch Fälle als schwerwiegend eingeordnet, die „unerwünschte Reaktionen“ ausweisen wie zum Beispiel Atemnot, (kurzzeitiger) Bewusstseinsverlust, Herzrhythmusstörungen, Lungenembolie, Hörsturz oder Thrombosen. Damit sei die Zahl der schwerwiegenden Verdachtsfallmeldungen zwangsläufig höher als bei anderen Impfstoffen. (dhi) www.pei.de/sicherheitsbericht