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Analyse zur Corona-Krise in DeutschlandWer soll das eigentlich alles bezahlen?

5 min
Euroscheine

  1. Wenn die Coronakrise die größte Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg ist, wird es dann auch wieder einen Lastenausgleich geben?
  2. Oder gibt es einen Corona-Soli? Die Koalition hält sich bedeckt. Ausgeschlossen ist es nicht.
  3. Eine Analyse zu den möglichen Kosten der Corona-Krise von Kristina Dunz

Berlin – Als die Fließbänder zum Stillstand kamen und die Geschäfte schlossen, wurde die Sorge unter Wirtschaftspolitikern der großen Koalition für einen Moment übermächtig. Wenn die Coronakrise einige Monate andauere, könne Deutschland ins Jahr 1945 zurückfallen – nur, dass die Häuser noch stünden. Finanziell ruiniert, aber mit einem Dach über dem Kopf. Ein Szenario, über das Abgeordnete intern, aber nicht öffentlich sprachen, um die Bürger nicht noch mehr zu ängstigen. Da warnten Banken gerade vor massenhaftem Bargeldabheben, Nudeln und Toilettenpapier waren vergriffen und noch keine historisch großen Milliarden-Hilfspakete geschnürt. Kanzlerin Angela Merkel hielt erstmals eine Fernseh-Rede an die Nation und mahnte die Bürger, die Krise ernst zu nehmen, denn es handele sich um die größte Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg.

Dramatische Schulden beim Staat

Das ist nun zwei Wochen her. Inzwischen ist die Schuldenbremse gelockert, der Staat verschuldet sich dramatisch und ermöglicht zusätzlich gigantische Kredite. Die ersten Soforthilfen für Soloselbstständige und Kleinstunternehmen werden bereits ausgezahlt und Arbeitsplätze über Kurzarbeit gesichert. Die einschneidenden Freiheitsbeschränkungen zur Kontaktvermeidung lassen hoffen, dass sich die Zahl der Neuinfektionen langsamer verdoppelt. Dann könnten die Intensivbetten und Beatmungsgeräte ausreichen und Zustände wie in Italien mit täglich vielen hundert Toten vermieden werden. So weit das Krisenmanagement.

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Aber die Frage nach dem Danach stellt sich trotzdem schon jetzt. Und zwar nicht nur, wann und wie das Land vom Stillstand wieder auf Touren kommt. Sondern auch, wie der Kraftakt genau bezahlt werden soll. Die Unionsfraktion im Bundestag hat bei der Entscheidung über den ausschließlich durch neue Schulden finanzierten Nachtragshaushalt von 156 Milliarden Euro der jungen Generation versprochen, das Geld zurückzuzahlen. Wer genau und in welchem Zeitrahmen, ist nicht klar.

Volles Ausmaß ist noch unklar

Wie schlimm die Einbußen für die Wirtschaft sein werden, hängt maßgeblich davon ab, wie lange der Ausnahmezustand währt, in dem sich das Land befindet. Niemand könne das guten Gewissens sagen, betont Merkel und bittet die Bürger um Geduld. Vor dem 20. April sollen die rigiden Maßnahmen zur Einhaltung sozialer Distanz – keine Treffen mit Freunden, keine Besuche im Altenheim, keine Reisen und vieles mehr – jedenfalls nicht gelockert werden. Dann ist ein Monat seit der Anordnung um und die Zahlen der Infizierten werden darüber entscheiden, ob es eine Rückkehr zur Normalität geben kann. Nur, wenn die deutsche Regierungschefin sagt, dass es sich um die größte Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg handelt dann liegt es nahe, auch andere Vergleiche zu ziehen. Nach dem Krieg gab es einen Lastenausgleich, der zu einem großen Teil über 30 Jahre von denjenigen bestritten wurde, denen erhebliches Vermögen nach dem Krieg verblieben war. Und nach der Wiedervereinigung wurde der Solidaritätszuschlag eingeführt. Auch er ist 30 Jahre nach dem Mauerfall noch nicht vollständig abgebaut.

Die Linkspartei fordert nun eine einmalige Vermögensabgabe für „Superreiche“ von fünf Prozent - bei einem Freibetrag von einer Million Euro. Damit wären Einnahmen von bis 100 Milliarden Euro denkbar. Die frühere Fraktionschefin Sahra Wagenknecht sagt unserer Redaktion: „Man sollte nicht vergessen: Allein die 40 Reichsten besitzen in Deutschland mehr Vermögen als 40 Millionen Menschen zusammen.“ Die durchschnittliche Jahresrendite von Milliardenvermögen liege bei acht bis zehn Prozent. „Es muss verhindert werden, dass am Ende der Krise die Reichsten noch reicher geworden sind, während die Mittelschicht, die es ohnehin schon am schlimmsten trifft, auch noch die Kosten der Rettungspakete tragen muss. Deshalb brauchen wir eine einmalige Vermögensabgabe für Milliardäre nach dem Vorbild des Lastenausgleichs nach dem Zweiten Weltkrieg.“ Die Bundesregierung möchte sich auf Anfrage nicht dazu äußern, ob eine Vermögensabgabe, Steuererhöhungen oder ein Corona-Soli ausgeschlossen seien.

Regierungssprecher Steffen Seibert verweist auf die Hilfspakete in nie dagewesener Höhe. Er könne von keinen weiteren Erwägungen der Regierung berichten. Stand 30. März 2020.Die Union hatte in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD als größten Erfolg die Einhaltung der Schwarzen Null (keine Neuverschuldung) und den Verzicht auf Steuererhöhungen gefeiert. Die Schwarze Null ist gefallen. Das Nein zu Steuererhöhungen soll es nicht auch noch. Allerdings kann das niemand derzeit sagen. Entsprechend vorsichtig formulieren auch ihre Finanzexperten.

Matthias Hauer (CDU) sagt: „Neben den gesellschaftlichen Folgen von Corona werden auch die wirtschaftlichen Folgen immens sein. Eine Diskussion über Lastenverteilung macht dann Sinn, wenn das Ende der Pandemie und die Dimension der wirtschaftlichen Folgen absehbar ist - das sehe ich derzeit noch nicht." Hans Michelbach (CSU) erklärt: „Wir müssen jetzt sehen, ob dieses Paket die gewollte Wirkung erzielt, und eventuell dort nachbessern, wo es erforderlich ist. Ein Lastenausgleich, der Wirtschaft und Bürger mit zusätzlichen Steuern belaste, wäre aber „geradezu kontraproduktiv“. Das am Montag vorgelegte Sondergutachten der Wirtschaftsweisen unterstreiche, dass Deutschland die schwierige Situation mit den bestehenden Mitteln erfolgreich bewältigen könne.

Schwere Rezession könnte kommen

Die Wirtschaftsforscher, die die Bundesregierung in ökonomischen Fragen beraten, rechnen zwar mit einer schweren Rezession. Sollten aber die massiven Einschränkungen nicht allzu lange andauern, sei eine relativ schnelle Erholung der deutschen Wirtschaft wahrscheinlich. „Es ist nicht wie in einem Krieg, wo der Kapitalstock zerbombt wäre und die Arbeiter an der Front sind“, sagt der Wirtschaftsweise Volker Wieland. Dann würde der Vergleich zum Zweiten Weltkrieg doch hinken. Die Frage ist aber eben, wie lange der Stillstand dauern wird.

Definition des Lastenausgleichs

Definition Der Lastenausgleich regelte die Entschädigung für die materiellen Folgen des Zweiten Weltkrieges in Deutschland: Diejenigen, die ihr Vermögen gerettet hatten, sollten die materiellen Lasten derjenigen ausgleichen, die fast alles verloren hatten.Soforthilfegesetz Am 18. August 1949 trat  dann das Soforthilfegesetz in Kraft. Es enthielt erste Grundelemente des Lastenausgleichs und versprach Unterhaltshilfe in Form einer Rentenzahlung, Darlehen für Arbeitsplätze und zum Wohnungsbau, Hausrathilfe. Finanziert wurde es durch eine allgemeine Soforthilfeabgabe in Höhe von zwei Prozent auf das Grundvermögen und zwei weitere Abgaben. Bis zum Inkrafttreten des Lastenausgleichsgesetzes 1952 wurden 6,2 Mrd. DM ausgegeben.Lastenausgleich Mit einer Vermögens-, Hypothekengewinn- und Kreditgewinnabgabe finanzierte die Bundesrepublik schließlich den Lastenausgleich ab 1952. Ein Drittel der gesamten Ausgaben bis heute (53 Mrd. von 145 Mrd. DM) wurden so finanziert. Der Rest wurde über Steuern und Zuschüsse der Länder zur Unterhaltshilfe aufgebracht.