Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Interview

Opel-Chef Huettl
„Verbrenner-Aus 2035 nicht mehr realistisch“

6 min
Abgase kommen aus dem Auspuff eines Autos und werden in der kalten Morgenluft sichtbar.

Kommt das Verbrenner-Aus? Abgase kommen aus dem Auspuff eines Autos und werden in der kalten Morgenluft sichtbar.

Opel-Chef Florian Huettl hält das Verbrenner-Aus „unrealistisch“ und kritisiert Preissteigerungen durch EU-Vorgaben. Wir haben mit ihm darüber gesprochen.

Wenn von der deutschen Autoindustrie die Rede ist, fällt der Name Opel eher selten. Sicher hat die Traditionsmarke auch schon bessere Zeiten erlebt, im vergangenen Jahr kamen die Rüsselsheimer in Deutschland aber immerhin auf einen Markteinteil von 5,6 Prozent. Wie geht es dem Hersteller in diesen Krisenjahren? Darüber sprach Maik Nolte mit Unternehmenschef Florian Huettl.

Herr Huettl, seit rund einem Jahr reihen sich die Hiobsbotschaften aus der Autobranche aneinander. Bei VW, Mercedes & Co sinken die Verkaufszahlen, Opel wirkte lange vergleichsweise stabil. Zuletzt lief es aber anscheinend auch bei Ihnen nicht mehr ganz so rund. Holt die Krise jetzt auch Opel ein?

Opel ist 2023 und bis Mitte 2024 sehr gut gewachsen, mit sehr erfolgreichen Modellen wie dem Corsa, dem Astra und auch dem Mokka, die nachhaltig für Wachstum gesorgt haben – in Europa und auch außerhalb. Mitte 2024 bis Mitte 2025 war für uns ein Übergangsjahr, weil wir drei Modelle erneuert haben. Diese Übergänge waren, wie das manchmal so ist, nicht ganz reibungslos, dadurch haben wir ein wenig an Marktanteil eingebüßt. Das liegt aber hinter uns, die Verkaufszahlen gehen wieder nach oben. Beim Frontera beispielsweise haben wir einen sehr hohen Kaufantragseingang. Und der neue Grandland erobert sich Schritt für Schritt seinen Platz im C-SUV-Segment, in dem Opel historisch nie besonders stark war. Das wird sich jetzt ändern.

Bei den anderen Herstellern sind die Probleme nicht zuletzt auf das schwächelnde China-Geschäft zurückzuführen. Sind Sie manchmal froh, dass Opel sich aus dieser Goldrausch-Stimmung herausgehalten hat?

Rüsselsheim: Florian Huettl, Opel CEO & Stellantis Deutschlandchef

Rüsselsheim: Florian Huettl, Opel CEO & Stellantis Deutschlandchef

Nein, so würde ich das nicht sagen. Das China-Geschäft war jahrzehntelang sehr ertragreich für alle Hersteller, die dort engagiert waren. Wir haben uns in den letzten Jahren vor allem auf die Märkte konzentriert, in denen wir ein Potenzial sehen für eine deutsche Marke, die sich an ein breites Publikum richtet und die gleichzeitig auf Elektrifizierung und auf die neuen Antriebstechnologien setzt. Und das war vor allem die Türkei. Dort haben wir einen Marktanteil von 6 Prozent. Die Türkei ist auch sehr stark auf dem Weg der Elektrifizierung unterwegs. Insofern entwickeln wir unser Geschäft über das klassische Europageschäft hinaus in den Märkten der Region Naher Osten und Afrika.

Wie so ziemlich jeder andere Hersteller hat auch Opel sein ambitioniertes Ziel einer rein elektrifizierten Flotte jetzt nochmal nach hinten verschoben. Wie blicken Sie denn auf das für 2035 geplante Verbrenner-Aus?

Als wir uns 2019 das Ziel gesetzt hatten, 2028 nur noch elektrische Fahrzeuge zu verkaufen, haben alle Prognosen darauf hingedeutet, dass das schaffbar sei. Heute sehen wir, dass sowohl der Ausbau der Ladeinfrastruktur als auch die Entwicklung der Nachfrage in vielen Ländern nicht Schritt gehalten hat mit dem, was wir uns in der Industrie und auch in der Europäischen Union vorgenommen hatten. Deshalb habe ich vor kurzem entsprechend auch diese Ambition revidiert und gehe jetzt davon aus, dass wir auch über 2028 hinaus Hybride jeglicher Form anbieten werden. Ich möchte aber betonen, dass wir weiter voll hinter der Elektrifizierung stehen und auf Elektroantriebe als die Technologie der Zukunft setzen. Ein Beleg dafür: Bereits heute ist jeder Opel auch elektrisch zu bekommen.

Aber ist die Zielsetzung der EU überhaupt noch haltbar?

Wir halten es heute nicht mehr für realistisch, dass der europäische Automarkt in 2035 zu 100 Prozent elektrisch sein kann. Sollte das Verbrenner-Aus in seiner jetzigen Form Bestand behalten, sehen wir eine Gefahr für die Industrie, weil der Neuwagenmarkt dann nochmal deutlich schrumpfen wird.

Was müsste denn passieren, um die Kurve doch noch zu kriegen?

Die Nachfrage nach Elektromodellen steigt derzeit wieder. Deutschland hat wieder seine Rolle als mit Abstand größter Elektromarkt in Europa eingenommen und das ist gut so. Was es allerdings braucht, um in der Mobilitätswende weiterzukommen, sind entsprechende Strompreise. Wenn die niedrig und an den Ladesäulen planbar sind, sorgt das beim Kunden für Sicherheit und auch für eine Kalkulationsbasis, die den Kostenvorteil der Elektrofahrzeuge für jeden spürbar macht.

Hilfreich sind auch Kaufanreize wie etwa Steuererleichterungen, die Kunden einen Kostenvorteil verschaffen. Es gibt auch Anreize wie kostenloses Parken beim Laden oder privilegierten Zugang zu Innenstädten – viele, viele Maßnahmen, die es ermöglichen, mit einem Elektroauto einfach besser unterwegs zu sein.

Und man muss dazu sagen: Der Weg zur Elektromobilität, das zeigen alle unsere Kundenstudien, geht nur in eine Richtung. Wer den Schritt zum vollelektrischen Fahrzeug macht, der bleibt auch dabei. Insofern sind wir sehr zuversichtlich, dass sich die Elektromobilität kurz- und mittelfristig weiterentwickeln wird, aber eben nicht in der Geschwindigkeit, die wir vor ein paar Jahren alle gemeinsam noch angenommen haben.

Die Autobranche kritisiert oft die politisch gesetzten Rahmenbedingungen des Mobilitätswandels. Wenn Sie eine davon ändern könnten: Welche wäre das?

Wir brauchen erstmal eine realistische europäische Regulierung rund um das Thema. Realistisch heißt: Die Reduktion der CO2-Emissionsziele muss linearisiert werden, wie es jetzt für die Jahre 2025 bis 2027 auch passiert. Diese Linie muss fortgeführt werden. Zum Zweiten haben wir ein Problem mit der Nutzfahrzeugregulierung. Die Emissionsziele, das ist ganz klar abzusehen, sind dort absolut nicht erreichbar. Dazu benötigen Sie einen Anteil von 18 oder 19 Prozent Elektrofahrzeugen, im Moment sind es 9. Das heißt, da ist nichts zu machen. Da muss korrigiert werden, ansonsten kriegen wir hier große Schwierigkeiten. Drittens haben wir es generell mit Überregulierung zu tun.

Wo denn, abgesehen von den CO2-Regeln?

Um ein Beispiel zu nennen: Es gibt die Verpflichtung für Autohersteller, gewisse Fahrassistenz-Funktionen einzubauen, egal um welches Auto es sich handelt. Sicher nützliche Funktionen – aber sind sie alle für jede Fahrzeugart unabdingbar? Wir meinen: nein. Das geht mittlerweile so weit, dass wir gezwungen sind, Kameras in alle Fahrzeuge einzubauen, die den Fahrer überwachen, ob er müde wird. Dass wir Spurhalteassistenten einbauen müssen, die bei Abweichung das Fahrzeug wieder zurücklenken. Das schlägt sich mit Tausenden Euro im Kaufpreis nieder und führt gerade im Kleinwagenbereich dazu, dass die Autos weniger und weniger bezahlbar werden.

Interessanterweise ist ja der europäische Markt der Einzige, der heute noch weit weg ist vom Vor-Corona-Niveau. Der amerikanische Markt ist wieder da, wo er war. Der asiatische Markt ist sowieso sehr dynamisch. 2019 lag das Marktvolumen in der EU bei 15 Millionen Pkw. Heute sind es 11 – das entspricht zehn gut ausgelasteten Werken und Zehntausenden Arbeitsplätzen, die nun weg sind. Und wenn wir uns genau anschauen, wo genau die Verkäufe weggebrochen sind, dann sind das die Kleinwagen. Neuwagen, die wir 2019 für 15.000 Euro kaufen konnten, gibt es nicht mehr. Deswegen plädieren wir hier mindestens für einen „Freeze“ bei den Regulierungen in den Kleinwagen – also keine weiteren Auflagen. Und generell auch für eine eigene Kategorie von Kleinwagen, die mit weniger Regulierungen auskommt und die es uns erlaubt, Mobilität wieder bezahlbar zu machen für breite Käuferschichten.

Aber auch ohne diese Funktionen ist ein E-Auto heutzutage immer noch teurer als das vergleichbare Verbrennermodell. Muss das ewig so bleiben?

Ein großer Kostentreiber bei E-Autos ist die Batterie, und da ist einiges passiert in den letzten Jahren. Es gibt neue, günstigere Batterietechnologien wie LFP, also Lithium-Eisenphosphor-Batterien, und weitere Technologien sind bereits am Horizont zu sehen. Zudem haben sich die Rohstoffpreise in letzter Zeit günstiger entwickelt. Nehmen Sie den Elektro-Corsa: Vor drei Jahren stand er mit 34.000 Euro in der Preisliste, heute kriegen sie ihn für etwas unter 30.000, also da ist schon ein gewisser Fortschritt zu sehen. Für die nächste Generation setzen wir auf eine voll optimierte Plattform, mit der wir es schaffen, den nächsten E-Corsa für 25.000 Euro anbieten zu können. Und damit sind Sie im Grunde bei der Preisparität. Wir dürfen dabei auch nie vergessen, dass die Nutzungskosten bei einem Elektrofahrzeug deutlich günstiger ausfallen als bei einem normalen Verbrenner. Gibt es denn schon einen Zeitrahmen, wann der 25.000-Euro-E-Corsa kommt? Es ist noch zu früh, das zu sagen. Aber die Entwicklung hat bereits begonnen.