Wirtschaft im KlammergriffWie Deutschland sich von China unabhängiger machen könnte

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Diese Luftaufnahme zeigt das Containerterminal im Hafen von Lianyungang in der ostchinesischen Provinz Jiangsu.

So sehen Lieferengpässe aus: Das Containerterminal im Hafen von Lianyungang in der ostchinesischen Provinz Jiangsu.

Eine drängende Frage dieser Tage lautet: Wie kann der deutschen Wirtschaft die Emanzipation von China gelingen? Das ist kein einfaches Unterfangen, denn die Verflechtungen sind enorm.

China ist für die deutsche Wirtschaft einer der wichtigsten Märkte, Rohstofflieferant und Zulieferer. Doch seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sind lange geglaubte Gewissheiten ins Wanken geraten – auch die gegenüber dem Reich der Mitte. Viel zu spät wurde den deutschen Unternehmen bewusst, wie groß ihre Abhängigkeit von russischem Öl und Gas war.

So diskutierte die deutsche Wirtschaft Mitte November auf einer Konferenz in Singapur, wie man entsprechend die Abhängigkeit von China verringern und stärkere Handelsbeziehungen mit anderen Ländern aufbauen könnte. „Asien ist mehr als nur China“, fasste Dirk Jandura, Präsident des Außenhandelsverbands BGA, das damals zusammen. Deutschland müsse sich verstärkt um gute und verlässliche Handelsbeziehungen, auch im asiatisch-pazifischen Raum, kümmern.

Ukraine-Krieg und Corona – das Vertrauen schrumpft

Seit Kriegsbeginn in der Ukraine sei Vertrauen verloren gegangen, bilanziert Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), man beäuge sich misstrauischer. Ein weiterer Faktor sei die Corona-Politik der Chinesen. Die habe die Zuverlässigkeit des Standorts infrage gestellt, auch bei den Deutschen, die für hiesige Unternehmen vor Ort in China arbeiteten: Es gebe viele, die dort nicht mehr leben wollen, die das Land verlassen wollen. „Und es gibt viele Unternehmen, die richtig große Probleme hatten, zumindest mit der Zuverlässigkeit der Lieferung aus China“, sagte er unserer Redaktion.

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Doch eine komplette Emanzipation vom Reich der Mitte ist unrealistisch, meinen die meisten Unternehmer. Das gilt vor allem für bestimmte Branchen wie den Maschinenbau, die Elektrotechnik- sowie die Chemie- und die Autoindustrie. Für BASF etwa ist China der wichtigste Absatzmarkt weltweit. Der weltgrößte Chemiekonzern baut dort gerade einen neuen Produktionsstandort für zehn Milliarden Euro. Auch die deutsche Autoindustrie hängt an China. So erwirtschaften Daimler und BMW gut ein Drittel ihrer Umsätze dort, Volkswagen sogar rund 40 Prozent. Inzwischen haben deutsche Autohersteller sogar angekündigt, gewisse Elektroautos nur noch in China zu produzieren und von dort aus nach Europa zu exportieren. So will Daimler die Entwicklung und den Bau des neuen Smart-Modells nach China und zum Partner Geely verschieben. BMWs Elektro-Mini wird künftig nicht mehr in Großbritannien produziert, sondern im Reich der Mitte. Ein wesentlicher Grund dafür sei neben den Größenvorteilen auch der gute Zugang zu Batterien und Rohstoffen, sagt Deutsche-Bank-Experte Eric Heymann. Denn gerade in diesen Bereichen verlassen sich deutsche Unternehmen stark auf China.

Viele Manager denken inzwischen darüber nach, wie sie mit diesen Herausforderungen umgehen können. Denn Konzepte wie „Made in China 2025“ könnten dazu führen, dass ausländische Unternehmen benachteiligt werden, wenn es um die Produktion für den chinesischen Markt geht. Die Unternehmen gingen unterschiedlich mit der Situation um, beobachtet DIHK-Hauptgeschäftsführer Wansleben. Einige Firmen stellten inzwischen den Export nach China ein und versuchten lokal dort zu produzieren. Das sei gegebenenfalls eine Option für sein Unternehmen, bestätigte Karl Haeusgen, Präsident des Verbands deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), kürzlich für sein Familienunternehmen Hawe Hydraulik, das eine Tochtergesellschaft in China betreibt.

Produktion auch in andere Länder auslagern

„Es gibt Unternehmen, die sagen, wir gehen raus aus China, das ist uns zu unsicher“, sagt DIHK-Hauptgeschäftsführer Wansleben. Das zeigten Umfragen der DIHK. Eine weitere Möglichkeit wäre es, die Produktion zu diversifizieren. Das gilt für Firmen, die in China bleiben wollten, aber zusätzlich auch in anderen Ländern wie Vietnam, Indien oder Indonesien eine Produktion aufbauen. Beispiele dafür sind etwa der schwäbische Kettensägenproduzent Stihl oder der Sportartikelhersteller Adidas.

Es wäre also naiv zu glauben, die westliche, auch deutsche und die chinesische Wirtschaft könnten ganz unabhängig voneinander werden, sagt Wansleben: „Es gibt keine Welt ohne China, und es gibt auch keine Welt, ohne dass wir von China abhängig sind und auch umgekehrt China von uns abhängig ist.“ Schließlich exportiere China 30 Prozent seiner Waren und Dienstleistungen nach Europa und in die USA. In Deutschland sind allein eine Million Arbeitsplätze direkt von der Ausfuhr nach China abhängig, heißt es in einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft aus dem August. Allerdings ziehen die deutschen Unternehmen bisher noch eine rote Linie für ihr China-Geschäft: „Wenn China Taiwan angreift, dann ist Schicht im Schacht“, versicherte VDMA-Präsident Haeusgen erst vor wenigen Tagen.

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