Sie hat erhebliche Mängel und ist trotzdem aufschlussreich: Die neue „Mitte-Studie“ gibt Hinweise darauf, wie weit demokratiefeindliches Denken in Deutschland verbreitet ist. Übrigens nicht nur ganz rechts.

Neue „Mitte-Studie“Warum man AfD-Wähler nicht einfach zurückholen kann

2013 wurde die AfD gegründet (das Foto zeigt Bernd Lucke – links – und Alexander Gauland). Politisch spielte sie anfangs nur eine Außenseiterrolle.
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Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Das sollte jeder Meinungsforscher wissen. Die „Mitte-Studie“ der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Universität Bielefeld ist in dieser Hinsicht nicht über jeden Zweifel erhaben. Manche Testfragen zur Erfassung tatsächlicher oder vermeintlicher Einstellungen wirken suggestiv und irreführend.
So arbeiten die Autoren mit der vagen Vorstellung eines „starken Nationalgefühls“ und problematisieren, dass 40 Prozent der Befragten voll oder weitgehend den Wunsch danach teilen. Aber ob diese Umfrageteilnehmer darunter völkische Ideologien verstehen oder das Bekenntnis zur demokratisch verfassten deutschen Nation, bleibt unklar – Hauptsache, ihre Aussage lässt sich als irgendwie rechts werten. Oder man gibt keine sachlich vertretbaren Antwortoptionen zur Einschätzung wirtschaftlicher Hintergründe von Migration vor, sondern bietet den Teilnehmenden nur eine unsinnige Pauschalaussage über „die Ausländer“ an, die angeblich unseren Sozialstaat ausnutzen wollen. Wer sich da zum „teils/teils“ verleiten lässt, hat seinen Minuspunkt weg. So kann man Leute aufs Glatteis führen.
Sympathien für autoritäres Staatsmodell
Dass die Studienautoren in einigen Fällen so vorgehen, ist schade, denn eigentlich ist ihre tief gehende Erfassung politischer und gesellschaftlicher Einstellungen wertvoll. Der überwiegende Teil der Fragen, etwa zu Themen wie Antisemitismus und Nationalsozialismus, ist sauber formuliert. Und auch wenn man die Ergebnisse aus eher zweifelhaften Fragestellungen abzieht, bleibt die bittere Erkenntnis: Ungefähr ein Fünftel der Befragten steht unserer demokratischen Ordnung zumindest distanziert gegenüber.
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Es gibt weit rechts und, wie die Autoren einräumen, auch weit links im politischen Spektrums Sympathien für ein autoritäres Staatsmodell, und es gab sie – nicht ganz so ausgeprägt – schon bei der ersten derartigen Studie 2014/15.
Dieser historische Hinweis ist wichtig für den aktuellen Umgang mit Rechts- und auch Linksaußen-Parteien. Der Zulauf, den sie haben, ist nicht allein durch äußere Umstände – wie Flüchtlingskrise, Corona, Ukraine-Krieg – zu erklären. Vorhanden war heutige Klientel der AfD zu großen Teilen schon 2014/15, als diese Partei noch in ihren Anfängen steckte. Die AfD hat es in den Jahren danach geschafft, diese Leute zu sammeln und an sich zu binden. Man kann sie nicht einfach ins demokratische Spektrum zurückholen, denn das war vielen von ihnen schon vor einem Jahrzehnt im Herzen fremd, egal, wie sie damals wählten. Es hat daher wenig Sinn, sich an ihren Ressentiments abzuarbeiten. Demokratische Politiker sollten sich lieber Problemen bei Wirtschaft, Bildung und Infrastruktur zuwenden. Damit könnten sie den Feinden unserer demokratischen Ordnung zumindest das Argument nehmen, unser Staat sei dysfunktional.
