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FamiliengeschichteRuppichterother Filmemacher hielt die Stolperstein-Verlegung fest

Lesezeit 3 Minuten
Bei der Verlegung der Stolpersteine sprach Michael Gartner (2.von links) auch mit Künstler Gunter Demnig.

Bei der Verlegung der Stolpersteine sprach Michael Gartner (2.von links) auch mit Künstler Gunter Demnig.

Ruppichteroth – Besucher legen weiße Rosen an den Stolpersteinen nieder, die Gunter Demnig vor den Häusern verlegt hat. Die Angehörigen der früheren Bewohner umarmen den Künstler, Tränen fließen. Mario Loskill erinnert an die Juden von Ruppichteroth, die im Nationalsozialismus deportiert und ermordet wurden. „Nie wieder“, so mahnt der Bürgermeister, dürften sich solche Verbrechen wiederholen.

Bewegende Szenen, die sich Anfang August 2019 in Ruppichteroth ereigneten. Gezeigt werden sie im Film „Never again“, gedreht von Michael Gartner. Der 36-Jährige ist Urenkel von Gustav und Mathilde Gärtner, die in der Bröltalgemeinde zu Hause waren und im Holocaust ermordet wurden. Michael Gartners 15-minütiger Film kann auf der Internetseite „Bilderbuch Ruppichteroth“ von Wolfgang Eilmes abgerufen werden.

Die Eltern emigrierten in den 1930ern in die USA

Gartner, der mit Frau und zwei Kindern im schwedischen Malmö lebt, ist Fotograf und Filmemacher. Aufgewachsen ist er allerdings in den USA. Dorthin hatten sich in den 1930er Jahren noch vor der Pogromnacht die fünf Kinder von Gustav und Mathilde Gärtner retten können.

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Drei Tage verbrachte Michael Gartner im Sommer mit seinem Vater Ron und seiner Tante Susan sowie weiteren Angehörigen im Bröltal. „Ich wusste nicht, was mich erwartete. Mir war klar, dass ich diese Zeremonie dokumentieren wollte; für mich selbst, aber auch für meine Kinder“, sagt der Regisseur im E-Mail-Kontakt mit unserer Zeitung. Ohne einen Plan habe er bei seinem Aufenthalt mit den Dreharbeiten begonnen, bei denen sein älterer Bruder Simon assistierte. Unmittelbar und spontan wirken die Szenen dieses 15-minütigen Films. Tatsächlich aber „gab es hinterher zehn bis 15 Versionen, die meine Frau angesehen hat. Sie brachte die Perspektive von außen ein, was eine große Hilfe war“, erzählt Michael Gartner.

„Schrecklich und wunderbar zugleich“

Zum Auftakt ist zu sehen, wie die Angehörigen am Flughafen eintreffen und von Organisator Wolfgang Eilmes begrüßt werden, der mit Ludwig Neuber die Gruppe während ihres Aufenthalts begleiten wird. Aufgeregt und ängstlich sei er vor dem Besuch, bekennt Ron Gartner. „Mein Vater sprach fast nie über seine Gefühle, was Deutschland und den Holocaust angeht“, sagt Michael Gartner. Beim gemeinsamen Aufenthalt in Ruppichteroth aber war das anders; seine Erschütterung offenbart Ron Gartner auch vor der Kamera. Für den Sohn eine „sehr besondere Erfahrung“.

Als „schrecklich und wunderbar zugleich“, so sagt Ron Gartner im Film, habe er die Verlegung der Stolpersteine empfunden. Dieses Projekt sei für die Erinnerung bedeutender als jedes Museum, meint seine Schwester Susan Hirschkoff, die in Los Angeles lebt. „Da bin ich nicht so sicher“, relativiert Michael Gartner; „aber ich verstehe, was sie meint. Es bietet eine Verbindung, die persönlicher ist.“

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Michael Gartner begleitet mit seiner Kamera nicht nur die Feier, sondern auch einen Ausflug auf das Areal des ehemaligen Lagers in Much, wo Gustav und Mathilde Gärtner vor ihrer Deportation gefangen waren. Die Namen seiner Großeltern spürt Ron Gartner am Gedenkstein auf, fährt mit einem Finger darüber, wie um sich zu vergewissern – ein hochemotionaler Moment. Die Nationalsozialisten haben sechs Millionen Juden ermordet. Daran wird erinnert, während man Ruppichteroth aus der Vogelperspektive betrachtet.

Die Besucher aus Schweden und den USA betonen, wie freundlich sie in Ruppichteroth empfangen worden seien, wie hübsch das historische Dorf sei – und wie fassungslos sie darüber sind, was hier geschah. „Es macht keinen Sinn“, so lapidar formuliert es Susan Hirschkoff, übersetzt von Wolfgang Eilmes, der die deutschen Untertitel besorgt hat. Für den Heimatforscher ist dieser Film „die schönste Bestätigung: Was wir gemeinsam in den letzten Jahren zum früheren jüdischen Leben in Ruppichteroth gemacht haben, war wichtig, gut und richtig.“

www.bilderbuch-ruppichteroth.de

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