Rundschau-Debatte des TagesIst der Online-Atlas für Kliniken sinnvoll?

Lesezeit 3 Minuten
EIn Schild weist auf die Notaufnahme, die Notfallpraxis und Eingangszeiten eines Krankenhauses hin.

Ist der Online-Krankenhausfinder wirklich sinnvoll?

Wenn es um eine geplante Operation geht, überlegen viele schon einmal genauer, ob das Krankenhaus in nächster Nähe immer die beste ist. Bei der Entscheidung soll ein neues Portal helfen. Unumstritten ist es nicht.

Patienten sollen Leistungen und Behandlungsqualität der Krankenhäuser in Deutschland bald mit einem staatlichen Online-Atlas vergleichen können. Das sehen Pläne von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vor, die das Bundeskabinett am Mittwoch auf den Weg brachte. Das „Transparenzverzeichnis“ soll im April 2024 starten und als interaktives Portal verständlich über das jeweilige Angebot an bundesweit rund 1700 Klinikstandorten informieren. Aus den Ländern und der Branche kam Kritik.

Dabei muss es in akuten Notfällen meist möglichst schnell ins nächste geeignete Krankenhaus gehen. Eine bessere Orientierung bieten soll der Klinik-Atlas zum Durchklicken aber bei planbaren Behandlungen, für die man auch einige Kilometer mehr zu einer Klinik fahren kann. Die wichtigsten Punkte im Überblick:

Das Verzeichnis

Konkret soll das Portal anzeigen, ob ein Krankenhaus eine Leistung anbietet – und zwar auch mit einer Fachabteilung. Im Entwurf vorgesehen sind 65 solcher Leistungsgruppen, die medizinische Angebote näher bezeichnen – etwa Infektiologie, Augenheilkunde, Urologie oder Intensivmedizin. So könne man etwa sehen, ob eine Krebs-OP in der allgemeinen Chirurgie oder einer spezialisierteren Krebschirurgie gemacht würde, sagte Lauterbach. Verständlich abrufbar sein sollen auch Daten zur Behandlungserfahrung (Fallzahlen), zum Personalschlüssel bei Fachärzten und Pflegekräften sowie zu Komplikationsraten bei ausgewählten Eingriffen.

Alles zum Thema Karl Lauterbach

Die Daten

Die Kliniken sollen weitere Daten etwa zu Personalzahlen melden. Über zwei Institute sollen diese mit anderen Qualitätsdaten zusammengeführt, aufbereitet und auch aktualisiert werden. Lauterbach betonte, dass es um tiefergehende Infos als bei bestehenden Angeboten gehe. Auch die Verbraucherzentralen dringen auf mehr Transparenz. Der Gesundheitsexperte des Bundesverbands, Thomas Moormann, sagte, es gebe „einen Flickenteppich“ unterschiedlichster Suchportale. Man könne aber nicht sehen, wie erfolgreich Behandlungen einer Klinik bei konkreten Problemen sind. Damit ein gut gemachtes Verzeichnis einen Mehrwert habe, müsse aber auch die tatsächliche Ergebnisqualität der Behandlung bei Patienten erfragt und darin abgebildet werden.

Expertise und Entfernung

Lauterbach machte klar, dass ein genauerer Blick auf die Behandlungsqualität im dichten Kliniknetz nicht gleich zu viel längeren Wegen führen muss. Er verwies auf die Analyse einer Regierungskommission, wonach jährlich knapp 5000 Menschen mehr im ersten Jahr nach einem Schlaganfall überleben könnten – wenn alle Patienten nur in Kliniken mit Spezialabteilungen (Stroke Unit) kämen. Die durchschnittliche Anfahrtszeit würde sich bei einer Konzentration auf die Spezialstandorte um zwei Minuten auf 23,4 Minuten verlängern.

Warnungen

Von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) kam Protest gegen eine Einordnung der Kliniken nach Stufen („Level“) – von der wohnortnahen Grundversorgung bis zu Maximalversorgern wie Uni-Kliniken. Basis sollen die 65 Leistungsgruppen sein. Habe eine Klinik wenige davon, aber viel Erfahrung in bestimmten Behandlungen, werde sie einem niedrigen „Level“ zugeordnet, monierte die DKG – und die Botschaft für Patienten wäre, besser in eine Klinik mit höherem „Level“ zu gehen, obwohl die Qualität hervorragend wäre. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz nannte es richtig, auch die Häufigkeit von Komplikationen anzuzeigen. Es gelte aber zu verhindern, dass jüngere, erfolgversprechende Patienten bevorzugt behandelt werden. Das wäre Diskriminierung Älterer, chronisch Kranker und Pflegebedürftiger.

Die Rolle der Länder: Um das Vorhaben hatte es im Ringen um die geplante generelle Neuaufstellung der Kliniken schon Wirbel gegeben. Die Länder bremsten eine stärker steuernde Funktion der „Level“ in dieser Reform aus und pochen auf ihre Planungshoheit. Der Bund macht das Transparenzgesetz daher in Eigenregie – und im Bundesrat ist es nicht zustimmungspflichtig, wie Lauterbach gleich dazusagte. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) warnte vor Verunsicherung und einer Gefährdung für die Akzeptanz insbesondere kleinerer Häuser. Außerdem drohe auch eine Überlastung größerer Spezialkliniken durch leichte Fälle. Der Vorsitzende der Länder-Ressortchefs, Manne Lucha (Grüne) aus Baden-Württemberg, warnte vor weiterem Bürokratieaufwand. (dpa)

Rundschau abonnieren