Der Staat kämpft mit hohen Prozesskosten und möglichen Zinszahlungen von bis zu einer Milliarde Euro wegen Maskenlieferungen.
Lange Verfahren, hohe ZinsenDie Masken-Prozesse kommen den Staat teuer zu stehen

FFP2-Masken liegen in einem Karton.
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Nicht nur die hemdsärmelige Beschaffung von Schutzmasken in der Corona-Pandemie kommt den Steuerzahler teuer zu stehen – auch die Kosten für die juristischen Auseinandersetzungen um Maskenlieferungen steigen immer weiter an. Bislang seien 88 Millionen Euro für Rechtsberatungsleistungen aufgelaufen, teilt das Bundesgesundheitsministerium (BMG) auf Anfrage mit. Dazu drohen Zinsforderungen, die sich auf eine Milliarde Euro summieren könnten.
Rund 100 Verfahren um Maskenlieferungen laufen derzeit vor verschiedenen Gerichten, der Gesamtstreitwert beträgt 2,3 Milliarden Euro. In der Regel geht es um nicht abgenommene oder nicht bezahlte Masken. Das Ministerium unter der Leitung von Jens Spahn (CDU) hatte ein offenes Vergabeverfahren („Open House“) gestartet, später aber Maskenlieferungen etwa mit dem Argument abgelehnt, dass Termine nicht eingehalten wurden. Mehrere richtungweisende Urteile fielen zugunsten der Lieferanten aus: Das Ministerium hätte ihnen klare Fristen einräumen müssen.
Mehrere Verfahren vor dem höchsten Gericht
Gegen mehrere Urteile, die das BMG zu Millionenzahlungen an Lieferanten verpflichtete, hatte das Ministerium unter Spahn-Nachfolger Karl Lauterbach (SPD) sogenannte Nichtzulassungsbeschwerden eingelegt. Mit diesen Klagen wollte das Ministerium die Fälle trotz ausgeschlossener Revision vor den Bundesgerichtshof bringen. Sechs Verfahren liegen dem BGH vor, Entscheidungen sollen bis Jahresende fallen. Bis dahin laufen weitere Zinsen auf.
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An der Prozessstrategie von CDU-Gesundheitsministerin Nina Warken gibt es Kritik. (Archivbild)
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Derzeit lässt sich das seit Mai von Nina Warken (CDU) geführte Ministerium von fünf verschiedenen Anwaltskanzleien vertreten – welche das sind, will das Ministerium nicht sagen. Offenbar wurden die Kanzleien, die das BMG vertreten, aber mehrfach ausgewechselt, teils bei weit fortgeschrittenen Gerichtsverfahren. Einem Bericht von „Capital“ zufolge ist die Berliner Kanzlei JBB erst im Januar, also noch von Lauterbach, mit mehreren Verfahren mandatiert worden – mittlerweile seien diese Mandate von Warken aber wieder an die Beratungsunternehmen PwC und Deloitte zurückgegeben worden.
Aus dem Ruder gelaufen scheint die Prozessstrategie des BMG allerdings schon zuvor. Allein in den ersten knapp sieben Monaten der Amtszeit Lauterbachs seien allein durch Verzugsschaden sowie Gerichts-, Anwalts- und Beratungskosten rund 100 Millionen Euro aufgelaufen, hieß es bereits im Juli 2022 in einem Anwaltsschreiben. Auch eine mangelnde Beaufsichtigung der Berater, etwa des Branchenriesen EY, wurde kritisiert. Karl Lauterbach war für Rückfragen nicht zu erreichen, sein Büro verwies auf terminliche Gründe.
Sonderbeauftragte erkennt Unklarheiten
Zuletzt hatte die von Lauterbach bestellte Sonderbeauftragte zur Maskenaffäre, Margaretha Sudhof, in ihrem Bericht die Strategie des Ministeriums bezüglich der juristischen Auseinandersetzungen auch in der Ära des SPD-Ministers kritisiert. So gebe es etwa Unklarheiten bei geschlossenen Vergleichen. In einem Fall etwa sei einem Unternehmen eine Abgeltung von knapp 18 Millionen Euro zugestanden worden, ohne dass aus den Unterlagen „eine entsprechende Gegenleistung oder Rechtsgrundlage“ ersichtlich sei.
Allen mandatierten Kanzleien sei laut Sudhof gemeinsam, dass sie „nicht auf Grundlage des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG), sondern auf Honorarbasis abrechnen“. Zudem erscheine die Verteilung der Verfahren auf verschiedene Kanzleien „sehr aufwendig und hinsichtlich eines koordinierten Vorgehens als risikoaffin und gefahrgeneigt. Allein die Koordinierungsgespräche erfordern einen zeitlichen Aufwand, der – nicht zuletzt aufgrund der Honorarvereinbarungen – immer mit einem finanziellen Aufwand verbunden ist“, heißt es im Bericht.
Empfehlung: Nur noch eine Kanzlei beauftragen
Sudhof empfiehlt, die anwaltliche Vertretung des BMG auf eine einzige Kanzlei – idealerweise eine, die bislang nicht involviert sei und nicht auf Honorarbasis arbeite – zu reduzieren. Auf diese Weise könnten Aufwände reduziert und Kosten gespart werden.
Die Zinsen, die das Ministerium bei künftigen Niederlagen vor Gericht an Lieferanten zahlen müsste, steigen mit Fortdauer der Verfahren allerdings weiter an. Auch wenn das BMG sich hoffnungsvoll zeigt: „Ob Verzugszinsen im Falle des Unterliegens des BMG überhaupt anfallen würden, wird von den Gerichten unterschiedlich bewertet“, teilt ein Sprecher des Ministeriums mit. Außerdem prüfe das BMG „die Prozessstrategie kontinuierlich auf Erfolgsaussicht der laufenden Verfahren“. Nach der bisherigen Rechtsprechung scheint es allerdings zweifelhaft, dass die Erfolgschancen des Ministeriums sonderlich groß sind.