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Rundschau-Debatte des TagesKommt das E-Scooter-Verbot nun auch bei uns?

Lesezeit 5 Minuten
E-Scooter von verschiedenen Anbietern stehen in der Innenstadt auf einem markierten Abstellplatz.

Die Bewohner von Paris haben mit großer Mehrheit für ein Verbot des E-Scooter-Verleihs in der Stadt gestimmt.

In vielen Großstädten regen Menschen sich über Elektroroller auf, die den Verkehr gefährden oder auf Bürgersteigen herumliegen. Paris will den Verleih der Gefährte nun bald verbieten.

Kreuz und quer flitzen Touristen und Bewohner auf E-Scootern durch Paris. Viele achten dabei weder auf Verkehrsregeln noch auf die Sicherheit von Fußgängern oder sich selbst. Ab September soll damit Schluss sein. Die Stadt verbietet dann den Verleih der E-Roller, von denen derzeit noch 15.000 in Paris angeboten werden.

Bei einer Bürgerbefragung haben sich 89 Prozent der Hauptstadt-Bewohner am Sonntag für ein Verbot ausgesprochen. Dass sich an dem Votum nur 7,46 Prozent der 1,3 Millionen Wahlberechtigten beteiligten, ist für die Stadt indes kein Hindernis. Davon unabhängig betrachte Paris den Ausgang der Bürgerbefragung als bindend, sagte Bürgermeisterin Anne Hidalgo.

„Die Bürger haben sich klar gegen die E-Scooter ausgesprochen“, sagte Hidalgo am Sonntagabend im Pariser Rathaus. „Ab dem 1. September gibt es keine Leihroller mehr in Paris. Dies ist ein Sieg der lokalen Demokratie.“ Trotz des schwachen Widerhalls, den die Befragung in der Stadt fand, sagte die Bürgermeisterin, dass es beeindruckend sei, dass rund 100.000 Einwohner an die Wahlurnen gegangen seien. Paris sage Stopp zu einem System, dass es trotz Regulierung nicht geschafft habe, seinen Platz in einem Gelände zu finden, in dem es friedlich zugehen solle. Fußgänger als schwächstes Glied im Verkehr müssten sich sicher fühlen, insbesondere Kinder und ältere Menschen.

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Drei Tote und 459 Verletzte

Seit 2018 gibt es in Paris die E-Scooter, mit denen Touristen und Einheimische oft recht unvorsichtig unterwegs sind – auch auf den oft schmalen Gehwegen, wo sie eigentlich nicht hingehören. Ungenutzte Roller liegen trotz ausgewiesener Abstellplätze kreuz und quer herum. Wie die Zeitung „Le Monde“ berichtete, gab es im vergangenen Jahr 408 Unfälle mit E-Scootern in Paris, mit drei Toten und 459 Verletzten.

Bürgermeisterin Hidalgo, die den Anstoß für die Befragung gab, hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass sie die Gefährte lieber verbannt sehen will. Die Benutzung von privaten E-Scootern soll aber nicht eingeschränkt werden.

Monatlich nutzen rund 400.000 Menschen in Paris die „Trottinettes“, wie sie auf Französisch heißen. 1,7 Millionen Fahrten seien allein im Oktober mit den Rollern zurückgelegt worden, berichtete die Zeitung „Le Parisien“. Die Lizenz für die drei Vermieter läuft nun Ende August aus. Das Aus für die E-Scooter in der Metropole dürften die Anbieter nicht widerstandslos hinnehmen. Sie äußerten bereits die Sorge, dass es auch anderenorts zu Verboten kommen könnte.

Anfang Dezember erst hatten die Vermieter der Roller die Regeln für Paris verschärft, um ein drohendes Verbot noch abzuwenden. Benutzer müssen demnach bei der Registrierung ihren Ausweis einscannen, damit nur Erwachsene die Scooter nutzen und Rowdys leichter identifiziert und von der Vermietung ausgeschlossen werden können. Erleichtern soll dies auch das Verfolgen von Verkehrsverstößen mit den Rollern, die außerdem Nummernschilder erhalten sollten. Zugesichert wurde zudem, dass ungenutzt auf Bürgersteigen und Plätzen herumliegende Scooter flotter weggeräumt werden. Die Vermieter wollten dazu doppelt so viel Personal einsetzen.

Restriktionen in Deutschland

Auch in Deutschland sorgen E-Scooter häufig für Ärger. Viele Kommunen haben dem Abstellchaos hierzulande inzwischen den Kampf angesagt. So gibt es mancherorts bereits gesonderte Abstellflächen für die Scooter und Knöllchen für falsch abgestellte Fahrzeuge. Mittlerweile nutzen viele Kommunen auch die Möglichkeit, Anbietern die Sondernutzungserlaubnis bei Nicht-Einhaltung der Vorgaben zu entziehen.

Das Ergebnis der Pariser Abstimmung zeige, dass E-Scooter keinen Beitrag zur Alltagsmobilität leisteten, sondern „vor allem Spaßfahrzeuge für Touristen und sehr junge Leute“ seien, teilte der Fußgängerverband Fuss e.V. gestern mit. Die Kommunen in Deutschland sollten nun nachziehen: „Auch bei uns müssen die Städte jetzt alle rechtlichen Möglichkeiten nutzen, das Verleihen von E-Scootern einzuschränken oder die Gehwege, Plätze und Parks ganz davon zu befreien“, forderte der Verband.

Kommunen: Keine Blaupause

Der Städte- und Gemeindebund sieht dagegen ein Verbot nach Pariser Vorbild kritisch. „Die Problemlagen bei E-Scootern ähneln sich in vielen Städten weltweit“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der „Augsburger Allgemeinen“. „Dennoch kann ein generelles Verbot nicht als Vorbild dienen.“ Stattdessen plädiert der Kommunalverband dafür, feste Abstellbereiche für die Leihroller einzurichten, die dann verpflichtend genutzt werden müssen. Die Zulassung der E-Scooter und die Lösung von Konflikten sollte weiter den Kommunen überlassen bleiben.

Landsberg sprach sich zugleich für Nachbesserungen der Straßenverkehrsordnung und der Straßengesetze von Bund und Ländern aus. „Die Leihangebote sollten dort klar als Sondernutzung und übermäßige Straßenbenutzung eingestuft werden“, betonte er. Das erspare auch unnötige Gerichtsverfahren.

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sieht die Entscheidung in Paris als „Weckruf“ für Anbieter und Nutzer. Er erwartet nun von den Anbietern in Deutschland „schärfere Kontrollen“, um mehr Sicherheit für alle zu erreichen. Zudem sollten Nutzer beim Abstellen der Roller mehr Rücksicht nehmen. Davon hänge ab, „ob die E-Scooter in München eine Zukunft haben oder nicht“. „Die oft quer über den Gehsteig geparkten E-Scooter sind ein gefährliches Hindernis für viele“, mahnte Reiter. Vor allem für sehbehinderte Menschen seien sie „eine echte Gefahr“. (dpa/mit afp)


Lage in Köln und Bonn

Ein Verbot ist in Köln derzeit nicht im Gespräch. Im vergangenen Jahr erließ die Stadt Sondernutzungsgebühren für die E-Scooter. Weil diese deutlich höher sind als in anderen Städten, klagten die Verleiher dagegen – allerdings ohne Erfolg. Um das Angebot weiter zu regulieren, plant die Stadt eine Ausschreibung des Angebots mit Kriterien, die die Anbieter erfüllen müssen. Die Polizei hat 2022 in Köln 365 Unfälle mit E-Scootern verzeichnet.

Auch in Bonn denkt niemand über ein Verbot der E-Scooter nach. Das gehe schon aus rechtlichen Gründen nicht, sagte eine Stadtsprecherin. Die vom Bund erlassene „Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung“ sowie das vom Land NRW beschlossene Fahrrad- und Nahmobilitätsgesetz dürfen von den Kommunen nicht beschnitten werden. Auch ein Fahrverbot für die E-Scooter aus Gründen der Verkehrssicherheit hält Bonn für nicht gerechtfertigt. (sim/kmü)

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