Die Sonderermittlerin hat erstmals in einem Gremium des Bundestags über ihren Bericht gesprochen, der Ex-Minister Spahn schwer belastet. Detail drangen nicht nach außen, weitere Befragungen sollen folgen.
Rundschau-Debatte des TagesKommt nun Licht in die Masken-Affäre?

Im Fokus des Interesses: Sonderermittlerin Margaretha Sudhof.
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Die Opposition sieht nach einer Befragung der Sonderermittlerin Margaretha Sudhof zu umstrittenen Maskenkäufen der Bundesregierung in der Corona-Zeit weiteren Aufklärungsbedarf. „Es gibt mehr offene als beantwortete Fragen“, sagte die Grünen-Abgeordnete Paula Piechotta, nachdem sich der Haushaltsausschuss des Bundestages zwei Stunden lang mit Sudhof ausgetauscht hatte. Die Linke bezeichnete die Vorwürfe gegen Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) als „eher noch erhärtet“. Der Ausschuss will sich Ende Juli erneut mit dem Thema befassen.
Frage nach Spahns Verantwortung
Die frühere Staatssekretärin Sudhof, selbst SPD-Mitglied, hatte die Masken-Beschaffungen im Auftrag von Spahns Nachfolger Karl Lauterbach (SPD) untersucht. Im Kern geht es dabei um die Details von Spahns damaligem Agieren. Denn der heutige Vorsitzende der Unionsfraktion soll im Frühjahr 2020 Millionen Corona-Schutzmasken an allen üblichen Regeln vorbei eingekauft haben – ohne genauere Ermittlung des Bedarfs, zu festgesetzten hohen Preisen ohne weitere Verhandlungen und folglich überteuert. Warnungen seiner eigenen Beamten soll Spahn ignoriert haben.

Margaretha Sudhof, Sonderermittlerin zu Corona-Maskenbeschaffungen, kommt zum Haushaltsausschuss im Bundestag.
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Letztlich wurde zwar weniger Geld benötigt als zunächst angenommen. Wegen georderter, aber nicht abgenommener Masken klagten jedoch einige Lieferanten. Noch immer sind Rechtsstreitigkeiten offen, die den Bund teuer zu stehen kommen könnten.
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Folgekosten erhöhen sich weiter
Das zeigt auch ein Bericht des Bundesrechnungshofs an den Haushaltsausschuss: Die Folgekosten für die Verwaltung der „Überbeschaffung“ – so heißt es dort – hätten sich 2024 um weitere 57 Millionen Euro auf nunmehr 517 Millionen Euro erhöht. „Für die noch nutzbaren Restbestände von 800 Millionen Schutzmasken im Jahr 2024 fehlt es an einem Verteilungskonzept“, heißt es in dem Bericht des Rechnungshofs zur Entwicklung des Gesundheitsetats. Zuerst berichtete der „Spiegel“ darüber.

er Haushaltsausschuss im Bundestag tagt mit Margaretha Sudhof, Sonderermittlerin zu Corona-Maskenbeschaffungen.
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Für 2025 sind demnach Folgekosten von 45 Millionen Euro vorgesehen. Für 2026 und 2027 werde allein für absehbare Verpflichtungen wie Lager, Logistik, Vernichtung, externe Beratung und Rechtsberatung mit Ausgaben von 67,3 Millionen Euro gerechnet, heißt es.
Ungeschwärzter Sonderbericht
Eine Frage, die die Opposition im Bundestag bei der Aufarbeitung jetzt in den Vordergrund rückt, lautet: In welchem Umfang war Spahn vor den Risiken eines Beschaffungs-Alleingangs gewarnt worden? Nachdem das Gesundheitsministerium unter der aktuellen Ressortchefin Nina Warken (CDU) Teile des Sudhof-Berichts zunächst geschwärzt hatte, wurde zuletzt die ungeschwärzte Fassung publik.
Daraufhin nahm die Kritik an Spahn noch zu. Bislang geschwärzte Fußnoten, die sich unter anderem auf interne Mails beziehen, dokumentieren nach Ansicht der Opposition die Warnungen an den damaligen CDU-Minister. Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen sagt deshalb, Spahn habe systematisch gelogen. Sein Linken-Kollege Ates Gürpinar meint, die Union nutze offenbar alle Möglichkeiten, „Spahns persönliche Verstrickungen“ zu decken.
Ohne ordentliche Verfahren
Konkret dürften in der nicht-öffentlichen Ausschusssitzung unter anderem die Geschäfte, die der Bund mit einzelnen Firmen eingegangen ist, zur Sprache gekommen sein. Als problematisch stellt der Sudhof-Bericht etwa die Beauftragung eines Schweizer Unternehmens dar, weil der Bund sich auf Überbeschaffung zu überhöhten Preisen eingelassen haben soll. Gegen Einwände aus dem Innenministerium und ohne ordentliches Verfahren soll zudem ein Logistikunternehmen aus dem Münsterland, Spahns Heimatregion, zum Zuge gekommen sein, das schnell überfordert gewesen sein soll.
Sitzung als vertraulich eingestuft
Als Sudhof am Dienstagmorgen in den Bundestag kam, ging es aber zuerst noch einmal um Fragen der Transparenz. Der Bitte der Abgeordneten, Rede und Antwort zu stehen, komme sie gerne nach, sagte die Juristin vor dem Sitzungssaal. „Ich habe leider keine unbeschränkte Aussagegenehmigung, auch nicht für den Ausschuss“, fügte sie aber noch hinzu. Sie bat um Verständnis, dass sie gegenüber der Öffentlichkeit im Moment nicht Stellung nehmen könne.
Die Sitzung des Ausschusses wurde dann als vertraulich eingestuft. Das Ministerium erklärte, Sudhofs habe in der vertraulichen Sitzung unbeschränkte Aussagegenehmigung zu ihrem Bericht in ungeschwärzter Fassung.
„Aussage gegen Aussage – und einer lügt“
Grünen-Haushälterin Piechotta sprach nach der Befragung von einer wichtigen Sitzung, um Aussagen Spahns und der jetzigen Ministerin Warken mit Sudhofs Erkenntnissen abzugleichen. „Ich habe das Gefühl, hier steht Aussage gegen Aussage – und einer lügt.“ Weiterkommen werde man nur in einem Untersuchungsausschuss mit Vernehmungen unter Eid.
Auch Linke-Chefin Ines Schwerdtner rief die Koalitionsfraktionen dazu auf, das Einsetzen eines U-Ausschusses mitzutragen. Die Regierung sollte ein großes Interesse an Aufklärung haben, um in Zukunft solche Skandale zu vermeiden, sagte Schwerdtner. Die Vorwürfe gegen Spahn und das Ministerium seien „eher noch erhärtet denn erleichtert“ worden.
„Geht nicht um Vorwürfe gegen Minister“
Der Unions-Haushaltspolitiker Christian Haase sagte dagegen nach der Sitzung, „Verschwörungstheorien von Linken und Grünen“ hätten keine neue Nahrung bekommen. Im Gespräch mit Sudhof sei es um ihren Auftrag gegangen, die Prozesstaktik des Ministeriums in Verfahren um Maskenkäufe zu verbessern. Es gehe nicht um „irgendwelche Vorwürfe gegen ehemalige Minister“. Auf eine Frage, ob er Vorwürfe einer parteipolitischen Motivation Sudhofs bestätigt gefunden habe, sagte Haase: „Nein, da hat es keinen Grund für gegeben.“
Weitere Befragungen Ende Juli
An diesem Donnerstag geht die Ermittlerin auch in den Gesundheitsausschuss. Der Haushaltsausschuss will sich während der Sommerpause des Parlaments Ende Juli erneut mit den Maskenbeschaffungen befassen. Thema soll dann außerdem die Vergabe von Fördergeld an den inzwischen insolventen Batteriehersteller Northvolt für ein Werk in Schleswig-Holstein sein – weil die Union dies und die Masken-Debatte vermengen möchte, so Piechotta. Geladen werden soll dazu neben Sudhof auch Ex-Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). (dpa)