Rundschau-Debatte des TagesKommt eine Pflicht zur Haussanierung?

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Ein Mann bringt Dämmmaterial an einer Wand an.

Energetisch generell sinnvoll: das Dämmen älterer Wohngebäude.

Laut eines EU-Richtlinienentwurfs sollen in den kommenden zehn Jahren alle Wohngebäude einen höheren Energiestandard erreichen. Die Wohnwirtschaft warnt, konservative Politiker sind empört.

Neben dem Verbot neuer Öl- und Gasheizungen droht Hausbesitzern ein Sanierungszwang: Nach Plänen des EU-Parlaments sollen sechs Millionen Gebäude bis 2033 für viel Geld modernisiert werden. Die Wohnungswirtschaft drängt Robert Habeck, die „absurden“ Vorgaben zu stoppen. Aber will der grüne Minister das?

Das geplante Einbau-Verbot der Ampel-Regierung für neue Öl- und Gasheizungen belastet viele Eigenheimbesitzer. Setzt sich das EU-Parlament durch, könnte es für Hauseigentümer, aber auch für Mieter noch viel dicker kommen: Dann müssten 45 Prozent der Gebäude in Deutschland für horrende Kosten saniert werden, und zwar schon binnen zehn Jahren.

Worum genau geht es bei den Plänen aus Brüssel?

Die Europäische Union will bis 2050, Deutschland bis 2045 „klimaneutral“ werden. Ein erheblicher Teil der CO2-Emissionen entsteht im Gebäudebereich. Reduziert werden kann das zum einen durch eine Umstellung der Heizungen auf erneuerbare Energien, sprich: Wärmepumpen und Wärmenetze statt Öl- und Gasheizungen. Zudem durch eine bessere Dämmung, denn dann muss weniger geheizt werden.

In der EU wird deshalb an einer neuen Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD) gearbeitet. Dabei geht es um Sanierungspflichten. Nach einem ersten Vorschlag der EU-Kommission sollte bis 2030 kein Gebäude mehr der schlechtesten Effizienzklasse angehören dürfen. Schon das wären in Deutschland drei Millionen Häuser gewesen. Der EU-Rat – also die Mitgliedstaaten – will stattdessen nur Mindestnormen einführen. Das EU-Parlament wiederum pocht auf viel schärfere Vorgaben. Morgen wird es sich in Straßburg über seine genaue Positionierung für die Verhandlungen abstimmen.

Was ist die Haltung der EU-Parlamentarier?

Laut der Position des federführenden Ausschusses sollen in nur zehn Jahren 45 Prozent der am schlechtesten isolierten Häuser saniert werden, um mindestens den Effizienz-Standard „D“ zu erreichen. Neben dem Austausch alter Heizungen käme also die Pflicht hinzu, Gebäude zusätzlich zu dämmen. „Dies bedeutet eine Verdreifachung der Sanierungsleistung auf rund 620.000 Wohngebäude pro Jahr“, also mehr als sechs Millionen Häuser bis 2033, sagt der Europaabgeordnete Markus Pieper (CDU), dem die Pläne viel zu weit gehen. Und mit dem Dämmen ist es nicht getan: Für Bestandsgebäude soll bis 2032 die Pflicht hinzukommen, eine Solaranlage aufs Dach zu setzen.

„Ziel des EU-Parlaments ist es, den Energieverbrauch von Gebäuden massiv zu senken und den Geldbeutel der Verbraucherinnen und Verbraucher zu schonen“, sagt die Grünen-Abgeordnete Jutta Paulus. „Weniger Energieverbrauch bedeutet weniger Heizkosten und bessere Wohnqualität und ebnet den Weg zum Ausstieg aus fossilen Energien.“

Was hieße die Pflicht für Eigenheimbesitzer und Mieter?

Beim Einbau von Wärmepumpe, neuen Heizkörpern, Dämmmaßnahmen und womöglich noch einem Solardach sei man schnell „bei 80.000 Euro oder mehr“, sagt Axel Gedaschko, Präsident des Bundesverbandes der deutschen Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW). „Die Ersparnisse bei den Energierechnungen kompensieren die Sanierungskosten nicht annähernd.“ Eigentümer im fortgeschrittenen Lebensalter seien dann völlig aufgeschmissen, da sie oft gar keinen Kredit mehr bekämen.

Gerade die ältesten Häuser müssten vorrangig saniert werden, deswegen stehe der Wert der Gebäude oft in keinem Verhältnis zu den Renovierungskosten, sagt CDU-Europaparlamentarier Pieper. Er wettert über einen „Anschlag auf den ländlichen Raum, kleine Städte und Ränder von Großstadtregionen mit vielen Einfamilienhäusern“.

Aber nicht nur das: Die fälligen Investitionen würden sich auf jährlich mindestens 125 Milliarden Euro mehr als verdreifachen, schätzt GdW-Präsident Gedaschko und sagt voraus: „Vielen Wohnungsunternehmen würde definitiv das Geld ausgehen, weil sie nicht über ausreichend Eigenkapital verfügen und die Zinsen für Kredite steigen.“

Betroffen seien Eigenheimbesitzer, aber natürlich auch Mieter, weil Vermieter die Kosten irgendwann weitergäben, warnt Gedaschko: „Die Zwangssanierungen kosten unendlich viel Geld, und es ist nicht ansatzweise klar, wie die EU und die Bundesregierung das angemessen unterstützen könnten.“

Wäre die Sanierungsoffensive überhaupt ins Werk zu setzen?

Nur in der Theorie. Denn selbst wenn das Geld reicht, es fehlt ja schon jetzt an Kapazitäten. Der Wettbewerb um Handwerker dürfte die Preise weiter in die Höhe treiben, und ausreichen werde es trotzdem nicht, zumal ja in allen EU-Ländern saniert werden soll, sagt daher Gedaschko. „Schon deswegen sind die Pläne absurd.“ Auch Pieper hält das Vorhaben angesichts des akuten Mangels an Material, Planungs- und Handwerkskapazitäten für „schlicht nicht umsetzbar“.

Wie geht es jetzt weiter mit der Gebäudeeffizienzrichtlinie?

Starten werden die Verhandlungen zwischen EU-Parlament, Kommission und Mitgliedsländern in den kommenden Wochen. Mit einem Abschluss wird bis Ende des Jahres gerechnet. Der Europaabgeordnete Pieper hält es für möglich, dass Berlin sich „der europäischen Regelung weitestgehend beugt“. Denn die Ampel steht in der Pflicht, das Land bis 2045 CO2-neutral zu machen.

„Ja, wir müssen die Klimaschutzziele ernst nehmen“, sagt auch Immobilienunternehmer und Verbandspräsident Gedaschko. Er plädiert aber dafür, den Gebäudebestand „Schritt für Schritt“ zu modernisieren. Mit dem Kopf durch die Wand gehe es nicht.


Brandbrief an Habeck

Deutschlands Wohnungs- und Immobilienunternehmer haben einen Brandbrief an Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bauministerin Klara Geywitz (SPD) geschrieben und die beiden „inständig gebeten, gegen die absurden Vorschläge des Europaparlaments zu votieren“. Eine Antwort kam noch nicht. Eine Sprecherin von Habeck sagte auf Nachfrage lediglich, es könne sein, dass sich aus der Novelle der Gebäudeeffizienzrichtlinie „nationaler Umsetzungsbedarf“ ergebe. Das sei aber erst nach Abschluss der Verhandlungen mit EU-Parlament und Kommission zu bewerten. Im Klartext: Habeck wartet erst einmal ab. (tob)

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