Trotz diplomatischer Bemühungen bleibt Trumps Kurs auch weiterhin unberechenbar – Europas Verantwortung wächst im Ukraine-Konflikt.

Nach Ukraine-GipfelnMan ist froh, wenn Trump nicht stört

Washington: US-Präsident Donald Trump (l) begrüßt Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, bei seiner Ankunft im Weißen Haus.
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Das Schlimmste ist vermieden worden. Das hört sich nach einer mageren Bilanz des Besuchs europäischer Politiker bei US-Präsident Donald Trump an. Dahinter steht aber eine starke diplomatische Leistung. Die europäischen Kollegen hatten den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bestens gebrieft und ihre eigenen Rollen perfekt verteilt. Der Reisegruppe gehörten Leute an, die Trump imponieren – Alexander Stubb aus Finnland, Giorgia Meloni aus Italien, Friedrich Merz aus Deutschland. Selbst dessen Urlaubsbräune trug ihren Teil dazu bei, den US-Präsidenten einigermaßen kooperativ zu stimmen.
Wie Trump ein Kriegsende in der Ukraine erreichen will, ist auch nach der Abreise der Europäer nicht klar. Vom russischen Diktator Wladimir Putin hat er sich die Forderung nach einer sofortigen Waffenruhe ausreden lassen. Dabei ist es geblieben. Sanktionen? Fehlanzeige. Ob Trump endlich verstanden hat, welch gewaltiger politischer und strategischer Fehler die von Putin verlangte kampflose Räumung weiterer, noch freier ukrainischer Gebiete wäre? Unklar, aber nicht wahrscheinlich. Bizarr genug, dass er zwischendurch bei Putin anrief – was wird der ihm wohl erzählt haben?
Als kleinen taktischen Vorteil mögen die Ukrainer die Idee eines bilateralen Treffens von Putin und Selenskyj sehen. Noch am Montag vertrat Trump die These, es liege an Selenskyj, denn Krieg sofort zu beenden, gemeint war natürlich: durch Unterwerfung. Nun aber ist Putin gefordert, er müsste dem Treffen zustimmen. Putin wird lieber die nächsten 100.000 Soldaten in den Tod schicken, als das ukrainische Staatsoberhaupt als solches zu behandeln. Nun steht der Kremlchef als Bremser da. Jedenfalls, bis Trump sich die nächsten Ideen von seinem Führungsoffizier Wladimir aufreden lässt.
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Putin wird lieber die nächsten 100.000 Soldaten in den Tod schicken, als das ukrainische Staatsoberhaupt als solches zu behandeln.
Alles in allem: Es hat keinen Eklat gegeben, keinen offenen Bruch. So weit ist die westliche Führungsmacht unter Trump heruntergekommen, dass man froh sein muss, wenn sie nicht stört. Trump will sogar dem Ruf des Geldes folgen und den Europäern Waffen für die Ukraine liefern. Dass man das betonen muss, sagt viel. Trumps Zusage, Sicherheitsgarantien durch europäische Bodentruppen zu unterstützen, hat nur begrenzten Wert. Wenn Nato-Generalsekretär Mark Rutte über Garantien spricht, die Artikel 5 im Bündnisvertrag ähneln sollen, dann hilft das nicht weiter, denn dieser Artikel legt keine konkreten Maßnahmen fest. Er funktioniert nur innerhalb der politischen und militärischen Struktur des Bündnisses. In die Nato will Trump die Ukraine aber keinesfalls hineinlassen und sieht den entsprechenden Kiewer Wunsch sogar als einen Auslöser des russischen Angriffskrieges. Opfer sind für ihn Täter. Diese orwellsche Logik funktioniert bei ihm wie geschmiert.
In Wirklichkeit hat weder die Ukraine noch irgendein Nato-Land Russland jemals angegriffen, während das Regime in Moskau systematisch andere Länder mit militärischer Gewalt und hybriden Attacken überzieht. Dennoch werden Putin und seine Nachfolger sich zeit ihres Lebens bedroht fühlen – schlicht, weil westliche Länder, auch Ex-Sowjetrepubliken wie die Ukraine und die baltischen Staaten, ihren Bürgern ein freies Leben bieten. Ein weitaus besseres als in Russland. Putins Leute werden ihre Angriffe gegen diese sie deklassierende Konkurrenz nie einstellen. Wir Europäer müssen unser Gesellschaftsmodell dagegen verteidigen und sollten uns dabei nicht auf Solidarität aus Washington verlassen. Wem das zuvor nicht klar war, der hat es jetzt hoffentlich gelernt.