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Die Charts-KolumneWarum rappt dieser Mann in der dritten Person von sich?

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Rappt von sich in der dritten Person: Capital Bra

  • War früher alles besser? In den Musikcharts ganz bestimmt! Sicher? Na gut, vielleicht auch nicht.
  • Jede Woche hört sich unser Kolumnist Marcus Bäcker für seine Glosse „Neu in den Charts” durch die Hitliste – und findet dabei Entsetzliches wie Schönes.
  • Diesmal nimmt er wieder seinen Lieblings-Rapper Capital Bra aufs Korn – und dessen neues Lied „Der Bratan bleibt der Gleiche”.
  • Lesen Sie hier auch weitere Folgen der Charts-Kolumne.

Eine Zeit lang war es unter Fußballern en vogue, von sich selbst in der dritten Person zu sprechen. Eine besondere Brillanz legte dabei Wolfgang Schäfer an den Tag, der im DFB-Pokalfinale 1985 den Siegtreffer für Bayer 05 Uerdingen erzielte, der Gegner damals immerhin: Bayern München. Schäfer also – nach seiner Heldentat „de Cup“ genannt – fand sich irgendwann in Krefeld nicht mehr genug wertgeschätzt, kündigte seinen baldigen Wechsel an und deklamierte in einer Fernsehsendung mit raunender Entschlossenheit: „Wenn der Schäfer sagt, der Schäfer geht, dann geht der Schäfer.“ Seine Augen waren dabei halb geschlossen, er guckte gefährlich, man glaubte ihm, was er sagte. Heutzutage scheint die liebgewonnene Angewohnheit mit der dritten Person langsam, aber sicher in Rapper-Kreisen Fuß zu fassen.

Zugegeben, Capital Bra – auch Bratan genannt und offenbar genauso gern „Capital“ und in kuschligen Momenten „Capi“ – verwendet in seiner aktuellen Nummer-1-Single noch enttäuschend häufig das Wörtchen „ich“. Aber der Titel! „Der Bratan bleibt der Gleiche“ – doch, das ist definitiv ein Schritt in die richtige Schäfer-Richtung. Auch nicht schlecht: „Sie haben gesagt, dass sie Capi lieben / Doch hinter Capis Rücken Pläne schmieden.“ Oder auch: „Als Capital alleine stand / Keinen Manager, jeden Promo-Move hat Capital geplant.“ Man merkt, da tut sich was.

Wenn ich die Berichterstattung richtig verstanden habe, hat Capi Bratan offenbar Ärger mit Kreisen, die bei Meinungsverschiedenheiten und divergierenden geschäftlichen Interessen mit Vorliebe zu rustikalen Methoden greifen. Dagegen wehrt er sich jetzt, und das mit prominenter Hilfe: „Ich weiß, Gott ist auf unserer Seite / bei den Menschen, die ein reines Herz haben.“ Fein, dann brauchen wir uns um Bratan Capital ja wohl keine Sorgen zu machen. Die Hookline von „Der Bratan bleibt der Gleiche“ ist übrigens gar nicht mal so übel. Sagt der Bäcker, und wenn der Bäcker sagt, die Hookline ist gar nicht mal so übel, dann ist sie es auch nicht (halb geschlossene Augen, gefährlicher Blick). Der kanadische Musiker The Weeknd gehört zu der Sorte Stars, zu denen auch Menschen „ja“ sagen, die man mit 98 Prozent der gängigen Chartware dreimal um den Globus jagen kann.

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Seine aktuelle Single war wohl zuletzt recht häufig im Werbefernsehen zu hören (ich kann dazu nichts sagen, bei „Home & Garden TV“ läuft keine Auto-Werbung, und mental war ich in den vergangenen Monaten nicht in der Lage, mir im linearen Fernsehen irgendetwas anderes anzusehen als Sendungen über Häuserrenovierungen). Jedenfalls: „Blinding Lights“ heißt diese Single, man könnte sie bedenkenlos in jede 80er-Jahre-Compilation packen. Die Melodie ist euphorisch, und ja: Würde man mich unter Androhung von Gewalt, Glühwein und Musicalfreikarten dazu zwingen, mir zehnmal hintereinander einen Song aus den aktuellen Charts anzuhören, ich würde wohl diesen wählen: Platz 11.  

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