Es hieß, er würde ständig den Faden verlieren und sich wiederholen, man könne kaum vernünftig mit ihm reden. Doch jetzt hat es Donald Trump der Welt gezeigt: Er absolvierte mit Bravour einen Demenz-Test. Sein Arzt Ronny Jackson bezeichnete ihn als „geistig klar“. Doch wie aussagekräftig war der am US-Präsidenten durchgeführte Test, und kann man eine beginnende Demenz überhaupt präzise messen?
Volksleiden Demenz
Etwa 45 Millionen Menschen weltweit leiden unter Demenz, in Deutschland sind es 1,5 Millionen. Die häufigste Form ist die Alzheimer-Demenz, die knapp zwei Drittel aller Erkrankungen ausmacht.
Die Erkrankung ist bisher unheilbar. Es gibt lediglich Medikamente, von denen man sich eine Verzögerung des Krankheitsverlaufs erhofft.
Hartnäckig hält sich die These, wonach in den Industrieländern die Anzahl der Demenzerkrankungen immer mehr zunehmen wird, weil die Menschen dort immer älter werden. Doch das ist mittlerweile nicht mehr
sicher.
Wissenschaftler haben alle zwei Jahre die Gesundheitsdaten von insgesamt 21 000 US-Amerikanern jenseits der 50 Jahre abgeklopft.
Erstmals im Jahre 2000 und das letzte Mal im Jahr 2012. Dabei wurden mittels eines telefonischen Tests auch kognitive Störungen wie etwa Vergesslichkeit und Konzentrationsschwäche erfasst.
Das Ergebnis: Unter den über 65-jährigen Männern und Frauen litten im Jahr 2000 fast zwölf Prozent unter einer Demenz, zwölf Jahre später war der Anteil gesunken und es waren nicht einmal mehr neun Prozent. Der Anteil der Senioren, die in den USA in einem Pflegeheim leben, sank von 4,4 auf 2,8 Prozent und damit um knapp ein Drittel.
Er verband Zahlen und Buchstaben in aufsteigender Reihenfolge mit einem Strich, konnte ein Nashorn vom Löwen unterscheiden, kategorisierte Bananen und Apfelsine korrekt unter dem Obergriff „Obst“, und – was möglicherweise am überraschendsten war – er hörte so aufmerksam zu, dass er beim Vorlesen einer Buchstabenreihe immer dann vereinbarungsgemäß auf den Tisch klopfte, wenn ein „A“ auftauchte. Zehn Minuten dauerte der so genannte MoCA-Test, den Donald Trump Mitte Januar im Rahmen eines Gesundheitschecks absolvierte. Er holte mit 30 die höchst mögliche Punktzahl – und bezeichnete sich später auf Twitter als „stabiles Genie“.
Eines der sensibelsten Screening-Verfahren
Der Düsseldorfer Neurologe Rafael-Michael Löbbert betont freilich, dass der MoCA-Test nicht gerade Hinweise auf ein Genie gebe. „Aber er ist eines der sensibelsten Screening-Verfahren, um eine Demenz bereits im Frühstadium zu diagnostizieren“. Denn er erfasse neben den Gedächtnisleistungen auch viele andere kognitive Bereiche. „Es gibt wenige Tests, die einen so umfassenden Eindruck von den kognitiven Leistungen eines Menschen liefern“, sagt Löbbert.
So werden etwa die visuell-räumlichen Fähigkeiten geprüft, indem der Patient eine Uhr auf ein Papier malen soll, die „Zehn nach elf“ zeigt. Manchmal werden das Ziffernblatt mit seinen Zahlen und der Stundenzeiger korrekt dargestellt, der Minutenzeiger wird aber fehlerhaft platziert. Dieses sogenannte Minutenzeiger-Phänomen beim Uhrentest kann bereits auf eine beginnende Demenz hinweisen. Eine weitere MoCa-Aufgabe: Der Proband soll Tiere benennen, die man ihm als Bild vorlegt.
Test dauert nur zehn Minuten
Was noch relativ einfach ist, wenn es sich um einen Löwen handelt, aber schon schwieriger wird, wenn man ein Dromedar (ein Höcker) und Kamel (zwei Höcker) gezeigt bekommt. „MoCA“ steht für Montreal Cognitive Assessment. Entwickelt wurde der Test 1996 vom libanesisch-kanadischen Neurowissenschaftler Ziad Nasreddine. Es gibt zwar auch andere Tests wie den Mini-Mental-Status-Test (MMST), der Werte für die Beurteilung von Demenzstadien und die Zulassung von Medikamenten liefert. Doch wenn es um das Erfassen der leichten kognitiven Defizite einer beginnenden Demenz geht, hat sich der MoCA-Test in den letzten Jahren zum Maß der Dinge gemausert.
Ein weiterer Vorteil des Tests besteht darin, dass man für ihn nur etwa zehn Minuten braucht. „Das lässt sich wunderbar in einen umfangreichen Gesundheitscheck integrieren, wie er bei Trump durchgeführt worden ist“, erläutert Löbbert. Ganz zu schweigen davon, dass dadurch nicht die Geduld von impulsiven und unruhigen Menschen wie dem US-Präsidenten überstrapaziert wird. Aber die Kürze des Tests hat auch einen Nachteil: Man kann relativ leicht lernen, wie er funktioniert. Wenn ihn Trump also im nächsten Jahr wiederholen sollte, muss man das berücksichtigen. Denn der Präsident dürfte sich die eine oder andere Aufgabe aus dem Vorjahr eingeprägt haben. „Da gibt es dann einen Lerneffekt, der das Ergebnis verfälschen kann“, warnt Löbbert.
Hohe Aussagekraft
Ansonsten hat der MoCa-Test jedoch eine hohe Aussagekraft. „Wir müssen davon ausgehen, dass bei Trump keine Anzeichen für eine frühe Demenz bestehen“, so Löbbert. Dies wäre der Fall gewesen, wenn der Wert unterhalb von 26 gelegen hätte. Doch auch in diesem Falle wäre zunächst nur ein Anfangsverdacht gegeben, denn selbst der aussagekräftige MoCA-Test erlaubt keine hundertprozentig sichere Aussage für das Vorliegen einer Demenz.
Was nicht zuletzt daran liegt, dass einige der überprüften Fähigkeiten talent- oder ausbildungsabhängig sind. So gibt es etwa Menschen, die von Natur aus Schwierigkeiten beim räumlichen Denken oder sprachlichen Ausdruck haben und deswegen in diesen Rubriken beim MoCA-Test schlecht abschneiden. Dadurch kann am Ende der Gesamtwert unter 26 gedrückt werden und ein unberechtigter Demenz-Verdacht entstehen.
Zur Diagnose gehört das Gespräch mit dem Arzt
Bei der Auswertung des Tests wird daher bei jedem, der eine Ausbildungszeit von zwölf oder weniger Jahren hat, in der Endabrechnung ein Punkt hinzugerechnet. Außerdem sollten generell beim Nicht-Erreichen der 26er-Grenze weitere Tests erfolgen, um die Diagnose abzusichern. Sie können je nach Zustand des Patienten ein bis zwei Stunden in Anspruch nehmen.
Eine wichtige Diagnose-Absicherung liefert schließlich auch die Anamnese, also das Erfragen der Demenz-Symptome durch den Arzt. Was aber bei Patienten mit Hirnleistungsstörungen kein leichtes Unterfangen ist. Denn die können auf die Fragen nicht mehr unbedingt zielgerichtet antworten, oder aber sie fühlen sich dadurch so bedrängt, dass sie schweigen und sich zurückziehen. Nicht wenige Ärzte gingen diesen Problemen aus dem Weg, warnt Ingo Füsgen vom Marienhospital in Bottrop, „indem sie sich direkt oder sogar ausschließlich an die Angehörigen wenden“. Doch der Geriater warnt: „Ein solches Vorgehen entmündigt und kränkt nicht nur den Patienten, man läuft auch Gefahr, sich ein einseitiges Bild zu verschaffen.“ Das Anamnese-Gespräch zwischen Arzt und Patient sei gerade bei der Demenz unverzichtbar.