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Interview

Staatsministerin
Wird der Iran beim Atomprogramm jetzt einlenken, Frau Güler?

Lesezeit 4 Minuten
Serap Güler (CDU) ist Staatsministerin im Auswärtigen Amt. Die Kölner Bundestagsabgeordnete ist auch CDU-Chefin in ihrer Heimatstadt.

Serap Güler (CDU) ist Staatsministerin im Auswärtigen Amt. Die Kölner Bundestagsabgeordnete ist auch CDU-Chefin in ihrer Heimatstadt.

Zwischen Israel und Iran schweigen die Waffen, aber wie weit wurde das iranische Atomprogramm wirklich zurückgeworfen? Und welchen Einfluss haben die Europäer? Die Rundschau hat dazu Serap Güler. Der Kölner CDU-Politikerin ist Staatsministerin im Auswärtigen Amt.

Frau Güler, zwischen Israel und dem Iran gibt es eine Waffenruhe, aber der israelische Armeechef hat gesagt, die Kampagne sei noch nicht beendet. Wie blicken Sie auf die Lage?

Wir begrüßen die Waffenruhe. Das hat der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung am Mittwoch auch sehr, sehr deutlich gesagt. Wir appellieren an den Iran und Israel, sich an die Waffenruhe zu halten, den Prozess zu verstetigen und auf den Pfad der Diplomatie zurückzukehren. Wenn ich den amerikanischen Präsidenten richtig verstanden habe, ist das auch sein Credo. Deutschland, die EU-Partner und die USA sind da also auf einer Linie.

Wirklich? Die Abläufe wirkten doch irritierend: Da verhandeln europäische Politiker, darunter Bundesaußenminister Johann Wadephul, mit der iranischen Seite. Anderthalb Tage später setzt Donald Trump seine Bomber ein. Wieder zwei Tage später verkündet er die Waffenruhe. Das wirkt nicht so, als würden die Europäer gefragt, sondern die Entscheidungen scheinen in Washington zu fallen.

Die USA haben natürlich ein anderes Gewicht als wir Europäer. Andererseits führte auch das Gespräch europäischer Außenminister mit dem iranischen Außenminister nicht gerade zu der Erkenntnis, dass die Iraner sich an eine Waffenruhe halten und deeskalieren würden. Insofern war es richtig, dass sich die USA eingeschaltet und im Anschluss das Ziel der Waffenruhe betont haben. Damit es jetzt auf diplomatischer Ebene weitergehen kann.

Es gibt allerdings unterschiedliche Rollen. Der Außenminister ist nun mal der Chefdiplomat.

Wie genau sieht Berlin die US-Intervention? Herr Wadephul hat sie bedauert, die Kanzlerpartei CDU bedauert sie ausdrücklich nicht, der Bundeskanzler befürwortet sie ohne Wenn und Aber …

Wer die Regierungserklärung am Mittwoch gehört hat, dem ist klar, dass es überhaupt keine inhaltlichen Differenzen gibt. Es gibt allerdings unterschiedliche Rollen. Der Außenminister ist nun mal der Chefdiplomat.

Wie sehen Sie die israelische und dann auch US-amerikanische Intervention? Meint das Wort Drecksarbeit: Es war halt nötig, wenn auch völkerrechtlich nicht sauber?

Wir können das völkerrechtlich nicht abschließend beurteilen. Klar ist aber: Die Internationale Atomenergiebehörde hat festgestellt, dass der Iran bei der Urananreicherung längst über den Prozess der zivilen Nutzung hinaus ist. In der iranischen Verfassung ist das Ziel der Auslöschung Israels festgeschrieben. Dass Israel das Atomprogramm daher als akute Gefahr interpretiert, darf niemanden wundern. Wenn ein Terrorregime in den Besitz der Atombombe gekommen wäre, hätte das eine massive Bedrohung für Israel bedeutet, aber auch für uns, für die ganze Welt.

Was hat dieses Eingreifen genau gebracht? Trump sagt, das iranische Atomprogramm sei zerstört. Die Israelis äußern sich vorsichtiger. Es gibt auch die These, das Atomprogramm sei nur um ein paar Monate zurückgeworfen worden. Wie schätzen Sie das ein?

Die Informationslage ist da in der Tat noch unübersichtlich.  Aber selbst wenn der Iran nur um Monate zurückgeworfen worden wäre: Es herrscht jetzt Waffenruhe, und wir können weiter auf eine diplomatische Lösung setzen. Ich hoffe, dass die militärische Auseinandersetzung der letzten zwei Wochen für den Iran eine abschreckende Wirkung hatte. Ein starkes Stoppzeichen, das den Iran dazu anhält, seine bisherige Linie zu überdenken.

Iran muss nun an den Verhandlungstisch kommen. Es gibt auch Zeichen dafür, dass Teile der iranischen Führung nicht an weiterer Eskalation interessiert ist.

Der Iran hat allerdings die Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergiebehörde gestoppt und verschärft den Kurs auch innenpolitisch mit der Hinrichtung angeblicher Spione. Das wirkt nicht wie Einlenken, oder?

Wir haben Iran sehr deutlich gesagt: Ein Stopp der Zusammenarbeit mit der IAEA wäre das vollkommen falsche Signal. Iran muss nun an den Verhandlungstisch kommen. Es gibt auch Zeichen dafür, dass Teile der iranischen Führung nicht an weiterer Eskalation interessiert ist.

Der Iran hat auch einen deutschen Touristen als angeblichen Spion in seiner Gewalt. Im vergangenen Jahr hat er einen deutsch-iranischen Staatsbürger hingerichtet. Was können Sie in dem aktuellen Fall tun?

Wir setzen uns auf dem Wege der konsularischen Betreuung für den Betroffenen ein. Aber verstehen Sie bitte, dass ich zum Schutz der Persönlichkeitsrechte des Betroffenen und insbesondere auf Wunsch der Familie nichts Näheres sagen kann.

Sehen Sie denn Chancen auf einen demokratischen Wandel oder zumindest eine gewisse Liberalisierung?

Machen wir uns nichts vor: Mit diesem Regime ist ein demokratischer Prozess nicht denkbar. Andererseits kann es nicht unser Bestreben, das Bestreben der westlichen Staaten sein, von außen einen Regimewechsel herbeizuführen. Das wird mit bloßem Druck von außen nicht funktionieren, das kann man nicht von außen steuern. Wir müssen der iranischen Bevölkerung viel Kraft, viel Mut wünschen, einen Wandel zu erreichen. Ein demokratischer Iran wäre im Interesse aller Menschen, die dort leben, und Demokratie im Iran wäre auch aus unserer Sicht sehr zu wünschen.

Wir sind uns absolut einig in der Bewertung, dass der Iran keine Atombombe besitzen darf. Da gibt es keinerlei Unterschied.

Wie groß sind die diplomatischen Einflussmöglichkeiten der Europäer – und vor allem: Sind sie sich überhaupt einig genug, um gemeinsam agieren zu können?

Das Gespräch der Außenminister von Deutschland, Frankreich und Großbritannien und der EU-Außenbeauftragen Kaja Kallas mit dem iranischen Außenminister geht auf eine Initiative unseres Außenministers zurück. Das zeigt doch große Einigkeit, auch wenn es bei der Frage, wie man auf den Iran einwirken kann, in Nuancen Unterschiede geben mag. Wir sind uns absolut einig in der Bewertung, dass der Iran keine Atombombe besitzen darf. Da gibt es keinerlei Unterschied.

Aber der französische Präsident Emmanuel Macron hat die US-Luftschläge als rechtswidrig kritisiert, anders als die Regierungschefs von Großbritannien und Deutschland. Deshalb die Frage, sind wir uns in Europa einig genug, um gemeinsam etwas zu erreichen?

Es gibt über den Weg sicher unterschiedliche Vorschläge, aber nicht über das Ziel: keine Atomwaffen in iranischer Hand. Und im Ergebnis ist es eine gute Nachricht auch für uns in Europa, dass das iranische Atomprogramm erst einmal gestoppt wurde.

Meinungsverschiedenheiten gibt es auch im Nahostkonflikt. Frankreich agiert gegenüber Israel viel schärfer als Deutschland. Können wir aus Ihrer Sicht mit Israel weitermachen wie bisher?

Wer es noch nicht mitbekommen hat, der konnte es in der jüngsten Regierungserklärung des Bundeskanzlers hören: Wir stehen fest an der Seite Israels, aber das heißt nicht, dass wir die Augen vor der humanitären Katastrophe im Gazastreifen verschließen würden. Wir machen Israel gegenüber sehr, sehr deutlich, dass die Blockade von Hilfslieferungen in den Gazastreifen aufgehoben werden muss. Ebenso deutlich machen wir, dass wir an der Zweistaatenlösung festhalten. Gerade als Freunde Israels ist es uns wichtig, wenn nötig auch Kritik zu äußern.