Karneval in KölnWorüber in Kölns Sälen gelacht wird – und über wen

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Begehrter Redner im Karneval: Martin Schopps bei der Sitzung der Willi-Ostermann-Gesellschaft im Sartory.

Begehrter Redner im Karneval: Martin Schopps bei der Sitzung der Willi-Ostermann-Gesellschaft im Sartory.

Corona, Energiekrise, Bundespolitik - thematisch haben die Rednerinnen und Redner in der Bütt nach sitzungsfreien Jahren einiges nachzuholen. In den Sälen herrscht vielfach eine neue Lust am Zuhören. Wir haben uns viele Witze und Pointen angehört.

Auch wenn jüngst der Virologe Christian Drosten die Pandemie für beendet erklärt hat, besteht im Karneval noch virologischer Nachholbedarf. Zumindest gilt das für die Bütt, wo die Rednerinnen und Redner nach zwei sitzungsfreien Jahren noch Verarbeitungsbedarf haben. Corona, Krieg, neue Bundesregierung, Fußball-WM in Katar - die Wahl an Themen ist so groß wie selten. Marc Metzger erinnert sich fröhlich an die Herstellung des Impfstoffs Biontech. „Es hieß, jede Impfung zählt. Da war ich 14 Mal impfen in den ersten zwei Wochen. Wenn ich gehustet habe, musste das Virus in Quarantäne“, witzelt der „Blötschkopp“.

Der Karneval ist zurück in den Sälen, und mit ihm auch die Büttenrede. „Ich habe das Gefühl, alle Rednerinnen und Redner haben extrem gut gearbeitet und sind absolut motiviert“, stellt Karnevals-Manager Horst Müller fest, der mit „Alaaaf.de“ eine der größten Agenturen im Rheinland betreibt. Zwei Jahre haben im Karneval gezwungenermaßen die leisen Töne dominiert. „Ich glaube, die Leute wollen wieder Reden hören. Es gibt eine neue Sehnsucht nach Karneval“, resümiert Müller nach dem ersten Sitzungswochenende.

Viel Applaus in den Sälen erhält Marc Metzger für seine Rede.

Viel Applaus in den Sälen erhält Marc Metzger für seine Rede.

Krieg und Energiekrise sind das dominierende Thema in der Bütt. „Mein Nachbar hat so viel Sonnenblumenöl im Keller gehortet, der gehört seit gestern zur Opec“, stellt Sitzungspräsident Volker Weininger fest und ergänzt: „Aral hat jetzt an jeder Zapfsäule einen Seelsorger stehen.“ Energiesparen funktioniert bei „Hausmann“ Jürgen Beckers wie folgt: „Wir haben zu Hause jetzt bei jeder Steckdose ein Loch zugeklebt. Das bringt es. Beim Toaster kommt nur noch eine Scheibe getoastet raus“, behauptet er und erntet viele Lacher.

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Wir haben Silvester Russisch Raclette gespielt – nur jedes sechste Pfännchen wurde warm.
Martin Schopps

Bernd Stelter, der bei der Dreigestirnsproklamation den Prolog sprechen durfte, setzt in der Bütt stark auf umgetextete Lieder, die er mit seiner Gitarre spielt. „Hier zieht es rein“, singt er auf die Melodie des Neil Diamond-Klassikers „Sweet Caroline“. Ingrid Kühne, die sich zuletzt einen festen Platz auf vielen Sitzungsprogrammen erarbeitet hat, jammert, neulich habe sie ein Lastwagen überfahren. Auf ihre Frage, ob der Fahrer nicht ausweichen konnte, habe der gesagt: „Nein, dafür reicht der Sprit nicht.“ Und Martin Schopps hat Silvester „Russisch Raclette“ gespielt – „nur noch jedes sechste Pfännchen wird warm.“ Tusch und Alaaf.

Die Stars in der Bütt heißen in dieser Session Karl Lauterbach, Olaf Scholz, Robert Habeck und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht, denn sie sind in nahezu jeder Rede vertreten. Zur medialen Omnipräsenz von Gesundheitsminister Karl Lauterbach in der Pandemie meint Guido Cantz süffisant: „Irgendwann dachte ich: Ist das der Echte oder schon die Omikron-Variante?“. Der Bundeskanzler wird vor allem wegen seiner Zurückhaltung zur Zielscheibe des Humors. Reimredner Jörg Runge (Dä Tuppes vum Land) dichtet: „Karl Lauterbach gibt bald Cannabis frei – Finde ich gut, den erträgt man nur high.“ Und Guido Cantz berichtet, Bundeskanzler Olaf Scholz habe schon dreimal zurücktreten wollen. „Aber seine Füße waren eingeschlafen“, ist sich Cantz sicher.

Ich war 14 Mal impfen in den ersten zwei Wochen. Wenn ich gehustet habe, musste das Virus in Quarantäne.
Marc Metzger

Spott ernten auch die Straßenkleber der Gruppe „Letzte Generation“. „Man muss das katholisch sehen: Wenn sich einer die linke Hand festklebt, kleb’ ihm auch die rechte fest“, meint Marc Metzger und bedauert, dass sich die Aktivisten nicht unter die Kölner Brücken kleben. „Dann halten die auch wieder“, so seine Vermutung. Jörg Runge reimt es so: „Was schwer an meinen Nerven sägt: wenn man Aktivisten von dannen trägt. Dass denen die Straße am Hintern noch klebt und dadurch ein neues Schlagloch entsteht.“

Viele Künstlerinnen und Künstler arbeiten sich ebenso an den Auswüchsen politischer Korrektheit ab. Seine Frau habe kürzlich den Weihnachtsbaum aufgestellt und gemeint: „Der Baum bürgert“ – Bitte was? „Der bürgert. Harzen darf man ja nicht mehr sagen“, meint Marc Metzger und wird deutlich: „Ich sehe nicht ein, mir von einer selbst ernannten Sprachpolizei alle zwei Sätze ein Knöllchen in die Grammatik nageln zu lassen.“ Jürgen Beckers echauffiert sich, weil der Name Pippi Langstrumpf verboten sei und fragt: „Soll ich jetzt urinierte Stretchsocke sagen?“ Martin Schopps erzählt von der ersten geschlechtsneutralen Kita in Deutschland, wo die Kinder jeden Tag ihr Geschlecht selbst bestimmen dürfen und meint: „Zu meiner Kindheit gab es auf der Welt genau zwei Arten von Lebewesen, die ihr Geschlecht selbst bestimmen konnten: Korallenfische und russische Kugelstoßerinnen.“

Ingrid Kühne witzelt vor allem über ihr Familiengeschehen und Schwimmbadbesuche, auch Marc Metzger meidet politische Witze und überzeugt als konfettiwerfender Spaßmacher. Für die Kölner Präsenz in den Reden sorgt vor allem Kardinal Rainer Maria Woelki. In seinem Zukunftskrätzjen aus dem Jahr 2040 singt Martin Schopps: „Kardinal Woelki hat sich ins Karnevalsorchester gepfuscht – Rausgeflogen: zu oft vertuscht.“

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