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Serie „Spurensuche“ in KölnDominikus Böhm, Meister kirchlicher Baukunst

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Dominikus Böhm

  • Wo hat Napoleon genächtigt, wie hat Queen Victoria Köln erlebt? In unserer Serie „Spurensuche“ stellen wir Personen und ihre Kölner Zeit vor.
  • Anselm Weyer blickt dieses Mal auf Dominikus Böhm, den ersten Architekten aus der berühmten Familie.
  • Seine Arbeit war revolutionär.

Köln – Was für ein vielseitiger Mann Dominikus Böhm war, wurde bei seiner Trauerfeier am Mittwochmorgen, 10. August 1955, offensichtlich. Im Mittelgang der von ihm inklusive der großen Fenster entworfenen Kirche St. Maria Königin in der Goethestraße in Marienburg stand, flankiert von zwölf Kerzen, der von ihm entworfene helle Eichensarg, während ein von ihm komponiertes Marienlied gesungen wurde.

Dominikus Böhm war der erste jener Architekten aus der Familie Böhm, die mit herausragenden Bauten wie der Wallfahrtskirche Neviges, dem Bensberger Rathaus, dem Kalker Rathaus, der Lanxess-Arena oder der Zentralmoschee bis heute entscheidend das Erscheinungsbild der Region und der Stadt Köln prägen. Bekannt ist er als großer Neuerer des Kirchenbaus.

Kirchenneubauten in seinem Bistum hätten ausschließlich im gotischen oder romanischen Stil zu erfolgen, verlangte 1912 der Kölner Erzbischof Antonius Kardinal Fischer. Und erst 1927 strich der Verein für Christliche Kunst im Erzbistum Köln einen Passus aus seiner Satzung, demzufolge „die kirchliche Kunst im mittelalterlichen Stile zu pflegen“ sei.

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Ein Jahr vorher hatte Konrad Adenauer Dominikus Böhm an die frisch gegründeten Kölner Werkschulen am Ubierring 40 berufen. Böhm war schon zuvor mit innovativen Sakralbauten aufgefallen. Nun lebte der tiefgläubige Katholik in die Bernhardstraße 172 in Bayenthal und überlegte, wie man moderne Techniken und Baustoffe nutzen könnte, um neue Kirchen zu errichten. Seine revolutionäre Arbeit brachte Dominikus Böhm nicht nur Freunde. „Ich habe zwar Wettbewerbe gewonnen, aber das wollte damals nicht viel heißen“, sagte Böhm in einem Interview: „Die Herren vom Kirchenvorstand und den Behörden ließen mich wissen, dass mein Entwurf durchaus wertvolle Anregungen gebe, setzten sich ihre Zylinder auf und bauten eine andere Kirche.“ Böhm-Entwürfe seien von außen doch gar nicht mehr als Gotteshaus zu erkennen, lautete die Kritik.

Unwürdige Baustoffe

Viele störten sich auch daran, dass Böhm unwürdige Baustoffe wie Beton statt des guten alten Backsteins verwendete. Viel Überzeugungsarbeit war also nötig.

Bei der 1932 fertiggestellten Krankenhauskirche St. Elisabeth in Hohenlind, Werthmannstraße 1, beispielsweise, die heute als Beginn modernen Sakralbaus in Köln gilt, soll der Bauherr bemäkelt haben, das umlaufende Eisengitter sei nicht sakral. Erstaunt habe daraufhin Böhm nachgefragt, wie denn bitte schön ein sakrales Gitter aussehe. Letztlich durfte das Gitter bleiben.

Vor allem aber entzündete sich Kritik daran, dass Böhm eine Entwicklung vorwegnahm, die sich erst in Folge des Zweiten Vatikanischen Konzils ab den 60er Jahren durchsetzen sollte. Mit der Liturgischen Bewegung war Böhm der Meinung, dass sich beim Gottesdienst das gesamte Kirchenvolk um den Altar versammeln und gemeinsam feiern solle.

Um dies zu unterstützen, rückte er als einer der ersten Architekten überhaupt den Altar an die Gemeinde heran und zwang damit die zuvor mit dem Rücken zur Gemeinde stehenden Priester geradezu, sich der Gemeinde zuzuwenden.

„Ein Gott – eine Gemeinde – ein Raum!“ lautet Böhms Credo. Beispielhaft hierfür ist die Kirche St. Engelbert am Riehler Gürtel. Gleich vier verschiedene Entwürfe hatte Böhm im Jahr 1930 vorsichtshalber eingereicht: einen für ein Langhaus und drei für einen Zentralbau, wie ihn die Gemeinde selbst ausdrücklich wünschte. Tatsächlich gewann sein „Sternkuppelprojekt mit freistehendem Turm“ den ausgerufenen Wettbewerb.

Der kreisrunde Grundriss signalisiert Gleichberechtigung innerhalb der Gemeinde. An der Gebäuderückseite schließt der durch die Lichtführung akzentuierte Altarraum auf quadratischem Grundriss an.

Die in mystischem Halbdunkel zentrierte Versammlung der Gemeinde wird somit durch die Lichtdramaturgie auf Christus hin ausgerichtet. Das Generalvikariat zeigte sich von den Bauplänen nicht begeistert. Der Entwurf mache den Eindruck des Primitiven, Fremdartigen und künde vom Orient. Skeptisch bat man zu prüfen, ob „durch Milderung des Neuartigen dem Bauwerk das Befremdliche zu nehmen“ sei.

Papst ermahnte Böhm

Und auch der Vatikan war wenig erbaut. Bei einer Audienz 1931 ermahnte Papst Pius XI. Böhm, doch bitte künftig die Tradition zu wahren. Böhm redete sich heraus.

Vorbild sei eine ähnliche Laterne über der Vierung von St. Aposteln in Köln gewesen. Als die Kirche schließlich am 5. Juni 1932 geweiht wird, bekommt sie schnell den despektierlichen Spitznamen „Zitronenpresse“. Es dauerte, bis man in St. Engelbert einen Prototypen modernen Kirchenbaus erkannte. Auch die Nationalsozialisten konnten dann wenig mit Böhms Werk anfangen, das sie unter anderem als „bolschewistische Afterkunst“ beschimpften.

Böhm verweigerte erst 1933 den Eintritt in die Partei und gab 1934 trotz angespannter finanzieller Lage sein Lehramt an den zur Handwerksschule degradierten Kölner Werkschulen auf – inklusive der damit verbundenen Einnahmen. Sein Büro verlegte er ins selbst entworfene neue Haus, Auf dem Römerberg 15 in Marienburg.

Unmittelbar nach Kriegsbeginn floh Böhm mit seiner Familie in seinen Geburtsort Jettingen. Nach dem Krieg aber kehrte Böhm zurück nach Köln, wurde wieder Lehrer an den Werkschulen und beteiligte sich am Wiederaufbau – gerade von Sakralbauten, wie St. Anna in Ehrenfeld oder St. Matthias in Bayenthal.

Anselm Weyer

Anselm Weyer hat als Literaturwissenschaftler  in Köln promoviert. Er bietet seit Jahren Stadtführungen für die AntoniterCity-Tours an.

Endlich fand Böhm, dessen Sohn Gottfried mittlerweile tatkräftig im Familienbetrieb mitwirkte, breiteres Verständnis und Anerkennung für sein Werk. Papst Pius XII. ernannte ihn zum Commendatore des Sylvesterordens. Der Bundespräsident verlieh ihm das Bundesverdienstkreuz. „Er war der bahnbrechende Meister, der die kirchliche Baukunst aus den Fesseln des Historismus löste“, würdigte ihn Joseph Kardinal Frings.

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Böhms Lieblingskirche soll sein letzter Sakralbau gewesen sein: St. Maria Königin in Marienburg. Von diesem quadratischen Zentralbau mit großer verglaster Südwand und gläsernem Baptisterium trugen die Mitarbeiter seines  Ateliers den Sarg des am 6. August in Köln verstorbenen Baumeisters zum Südfriedhof. Obwohl eine Beerdigung im engsten Freundeskreis geplant war, schloss sich ein Trauergefolge von über 200 Menschen an.

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