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Ausnahmen im ÖPNVKöln knipst auch der Werbung das Licht aus

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Die Mega-Lights dürfen weiter leuchten, wenn sie im Notfall auch der Information dienen können.

Die Mega-Lights dürfen weiter leuchten, wenn sie im Notfall auch der Information dienen können.

Köln – Der Dom – dunkel. Das Rathaus ebenso. Die Straßenbeleuchtung gedimmt, die Schaufenster abgeschaltet. Ab 22 Uhr Winterschlaf im Spätsommer – die seit Anfang September geltende Energiesparverordnung des Bundes und die selbst formulierten Sparmaßnahmen der Stadt machen aus dem bunten Großstadt-Leuchtfeuer ein eher trübes Restlicht. Noch kämpfen vielerorts die großen Werbetafeln gegen die Dunkelheit an, was sie eigentlich gar nicht mehr dürften: auch sie fallen unter die Verordnung.

Nur sind die zumindest in Teilen gar nicht so einfach abzuschalten. Die klassischen beleuchteten Plakate etwa sind meistens mit analogen Dämmerlicht-Schaltern ausgestattet. Sie gehen mit der Dunkelheit an und wenn es hell wird aus. Die müssen nun umgestellt werden auf Zeitschaltung, was aber erhebliche logistische Probleme mit sich bringt bis hin zur Aufgabe, überhaupt passende Module zu bekommen und die von Fachleuten einbauen zu lassen.

Wenig Zeit zum Reagieren

„Die Beschaffung der nötigen Hardware ist zurzeit gelinde gesagt nicht ganz trivial“, sagt Kai-Marcus Thäsler, Hauptgeschäftsführer beim Fachverband Außenwerbung. Es rechnet mit einer kompletten Umstellung „sicher nicht in den nächsten zwei Wochen“, es seien immerhin rund 93 000 sogenannte „Ooh“-Anlagen (Out of home) deutschlandweit umzustellen.

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Wer wirbt wo?

Der PpS-Wert spielt in der Außenwerbung eine entscheidende Rolle. Er misst die „Plakatseher pro Stelle“ (PpS). Laut Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse ist der PpS-Wert „der sichtbarkeitsgewichtete Passagekontakt mit einer Plakatstelle“. Der PpS-Wert umfasst neben Ablenkungsgrad, Dauer der Kontaktchancen, Beleuchtung und Sichthindernissen die Mobilitätsdaten von über 40 000 Personen, die durch GPS und Telefoninterviews erfasste wurden. Nach diesen Daten bemessen viele Kunden ihren Auftritt. (two)

Die Alternative wäre, jede Werbetafel einzeln händisch auszuknipsen – irgendwie auch schwer vorstellbar. Mitte August gab es eine Anhörung des Fachverbandes durch das Wirtschaftsministerium des Bundes, Ende August wurde die Verordnung beschlossen, Anfang September trat sie in Kraft. Wenig Zeit zum Reagieren.

Unsicherheit bei den Werbepartnern

Wobei man beim Fachverband weniger über die nächtliche Abschaltung als vielmehr über deren Ausweitung bis zum nächsten Nachmittag um 16 Uhr sauer ist. Denn in der Anhörung sei nur von der Zeit von 22 Uhr bis sechs Uhr morgens die Rede gewesen. Und damit, so der Fachverband, hätte man gut leben können, schließlich wolle man selbst einen sinnvollen Beitrag zur Energieeinsparung leisten. „Als dann im Gesetzesentwurf ohne Absprache 16 Uhr stand, dachten wir zunächst an einen Druckfehler“, so Thäsler. War es aber nicht.

Denn zwischen sechs und neun Uhr morgens ist mit dem Einsetzen des Pendelverkehrs eine lukrative Werbereichweite gegeben. Dass die nun wegfallen soll, sorgt für Unsicherheit bei den jeweiligen Werbepartnern.

Wie groß ist der Reichweitenverlust?

Über den Inhalt von Verträgen mag natürlich niemand reden in der Branche, aber dass es hinreichend Gesprächsbedarf zwischen Kunden und Aufstellern gibt, kann man sich vorstellen. Die Verbandsmitglieder versuchen die Abmachungen zu halten, wo es möglich ist. Noch ist nicht klar, wohin die Reise geht. Höhere Gewalt oder nicht, Kompensation oder nicht, inwieweit werden begonnene Kampagnen eingeschränkt, wie groß ist der Reichweitenverlust?

Man versucht sich zu finden zurzeit, Telefone und Bildschirme sind in Dauerbetrieb. Bei den großen LED-Tafeln – sogenannte Mega-Lights – stelle sich zudem die Frage nach dem Geschäftsmodell: „Wenn Ikea das Außenbanner abschaltet, können sie drinnen immer noch verkaufen. Wenn die Mega-Lights abgeschaltet werden, können unsere Mitglieder ihre Leistung nicht mehr erbringen“, so Thäsler. Zudem müssten sich die Kommunen auf Verluste in der Verpachtung einstellen.

Ausnahmen von der Energiesparverordnung

Es gibt durchaus auch Ausnahmen von der Energiesparverordnung, was die Außenwerbung betrifft. Beispielsweise, wenn die Werbetafeln etwa an Haltestellen im öffentlichen Nahverkehr selbst Teil des Beleuchtungskonzeptes sind. Oder wenn große Tafeln bei Gefahren mit Warnhinweisen bespielt werden können, um der Bevölkerung Orientierung zu bieten. Aber genau definiert sind die nicht. Auch da gibt es noch reichlich Abstimmungsbedarf.

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Die Stadt betont, dass ihre Konzessionäre – in diesem Fall hauptsächlich WallDecaux und Ströer – an die Energiesparverordnung gebunden seien. Eine entsprechende Abstimmung habe bereits stattgefunden. Werbeanlagen an Fahrgastunterständen und U-Bahnhöfen, die der Sicherheit im öffentlichen Raum dienen, würden nicht abgeschaltet. Dass die Verordnung Geld kosten wird, bestätigt eine Stadtsprecherin: „Mit der Umsetzung der Energieeinsparverordnung wird die Nutzungszeit für die Konzessionäre eingeschränkt. Entsprechend wird es auch zu Mindereinnahmen bei der Stadt, den Stadtwerken sowie der KVB kommen.“

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