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Darknet und Co.Wie sich die Arbeit der Drogenermittler in Köln wandelt

Lesezeit 6 Minuten

Etwa 50.000 Euro Bargeld und diverse Drogen hat die Polizei in acht Wohnungen am Neumarkt entdeckt.

Köln – Die Morgendämmerung ist gerade hereingebrochen, als sich die Drogenfahnder der Kölner Polizei für monatelange Observationen belohnen. Mit einem Knall rauscht der eiserne Rammbock einer speziell geschulten Festnahmeeinheit gegen mehrere Türen von Wohnungen rund um den Neumarkt. Als „Drogenbunker“ bezeichnet die Polizei später die Verstecke, in denen Heroin, ein wenig Crystal Meth und 50.000 Euro in bar gefunden werden. Zwei Verdächtige einer iranisch-afghanischen Bande werden verhaftet.

Als Frank Grobecker (58) vor beinah 30 Jahren ins Drogenkommissariat wechselte, dessen Chef er heute ist, war der Neumarkt schon einmal Anziehungsort der Drogenszene. Hauptsächlich wird hier Heroin gehandelt - und konsumiert. Zivile Fahnder der Innenstadtwache hatten vor einigen Monaten einen Drogenhandel beobachtet. Dann lief die Überwachungsmaschinerie an, um die Strukturen möglichst bis zu den Drahtziehern zurückverfolgen zu können. „Ein schöner Erfolg“, findet Grobecker.

Zunahme der Aktivitäten im Darknet

Offiziell gilt der Drogenhandel als „Straßenkriminalität“, doch die Zeiten haben sich geändert. „Wir stellen einen Anstieg des Handelns mit Drogen fest, denn vor allem im Darknet haben die kriminellen Machenschaften zugenommen“, stellt Grobecker fest, der bereits seit 43 Jahren das Polizeiabzeichen trägt. Der Drogenhandel vollzieht sich nicht mehr nur in dunklen Straßenecken, sondern getarnt durch Pseudonyme in den geheimen Tiefen des Internets. „Da ruft kein Nachbar an, weil ihm irgendwas suspekt vorgekommen ist“, sagt Grobecker leicht lakonisch.

Grafik Drogen Köln

Für die Drogenfahnder ist die Arbeit komplizierter geworden. In einer internen Untersuchung hatte das Bundeskriminalamt (BKA) zu Beginn der Pandemie im vergangenen Frühjahr festgestellt, dass der Drogenhandel im Darknet um 18 Prozent zugenommen hat und das Rauschgift zum Teil im Sonderangebot 20 Prozent unter dem Straßenverkaufspreis angeboten wurde. Gerade erst hat der Zoll einen Rekord-Drogenfund am Flughafen Köln/Bonn vermeldet. Dort waren 173 000 Ecstasy-Tabletten mit einem Straßenverkaufswert von 1,3 Millionen Euro sichergestellt worden – die Drogen waren in Paketsendungen versteckt (wir berichteten).

Manchmal hilft der Zufall, um verbotene Handelsaktivitäten aufzudecken. Voriges Jahr im Mai stoppten Polizisten einen Mann (27) auf einem Elektroroller, weil bei diesem die Versicherungsplakette fehlte. Bei dem Fahrer handelte es sich um einen Drogenkurier. In seiner Vernehmung führte er die Beamten auf die Sur seines Zulieferers (45), in dessen Tresor die Fahnder Chrystal Meth, Amphetamin, Ecstasy sowie mit Ketamin, LSD, Kokain und Marihuana fanden. Vor dem Landgericht war der Mann unlängst zu einer Haftstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt worden.

Gemeinsame Ermittlungsgruppe

1970 wurde in Hamburg die „Gemeinsame Ermittlungsgruppe Rauschgift (GER) von Polizei und Zollfahndung gegründet. Diese Gruppe gibt es inzwischen bundesweit. Im Polizeipräsidium Köln gehört das Kriminalkommissariat 22 dieser Gruppe an, die gemeinsamen Ermittlungen werden mit dem Zollfahndungsamt Essen geführt. Das Ziel ist die Bekämpfung der schweren Rauschgiftkriminalität, verübt durch das organisierte Verbrechen.

1,5 Tonnen Marihuana und Haschisch im Wert von fünf Millionen Euro soll eine Drogenbande binnen eines Jahres von Spanien nach Deutschland und ins benachbarte Ausland geschmuggelt haben. Vor wenigen Wochen waren zwei Männer in Köln festgenommen worden. Bei der Razzia wurden 80 Kilogramm Marihuana, scharfe Munition, mehrere tausend Euro Falschgeld, mehr als 60 000 Euro in bar und drei Autos sichergestellt. Die Behörden erteilten die Erlaubnis zur Vermögensabschöpfung.

70 000Samenkörner von Cannabispflanzen hat der Zoll in Köln seit Jahresbeginn in Postsendungen aus den Niederlanden nach Deutschland entdeckt und beschlagnahmt. Die Körner befanden sich in mehr als 5800 Briefen. Laut Zoll gibt es einen massiven Anstieg des Schmuggels von Drogen durch illegale Online-Händler, die in den Niederlanden sitzen. Nun vermeldete der Zoll den Fund weiterer 147 600 Cannabissamen in Paketsendungen.

Während der Pandemie sind nach Vermutungen der Ermittler viele Marihuana-Konsumenten zum Selbstanbau übergegangen. Die Empfänger der Samenkörner erhalten eine Anzeige. Der Straßenverkaufswert der Ernte hätte laut Zoll bei rund 220 Millionen Euro gelegen. (tho)

Zuletzt hatte Kölns Polizeipräsident Uwe Jacob bei der Präsentation der Kriminalstatistik Alarm geschlagen und berichtet, dass die Täter während der Pandemie dazu übergegangen seien, die Drogen gegen Vorkasse per Post zu verschicken. Auch hier hilft manchmal der Zufall. „Gelegentlich sind die Lieferungen falsch frankiert, die Pakete passen nicht in die Packstation oder andere Formalitäten werden nicht erfüllt. Dann landen die Pakete bei uns, weil natürlich kein echter Absender angegeben ist“, erzählt Grobecker. Jeder Drogenfund löst eine Ermittlungskette aus. Spuren werden gesichert, DNA-Funde ausgewertet. „Der Ermittlungsaufwand ist deutlich größer und arbeitsintensiver“, weiß der Leiter des Kommissariats 27 für allgemeine Rauschgiftkriminalität.

In Köln herrschen seit Jahren stabile Verhältnisse im Drogenmilieu. Unter anderem Händler aus Westafrika am Ebertplatz Marihuana, für den Kokainhandel sind in erster Linie Kriminelle aus Italien und Albanien zuständig. Mit der Flüchtlingswelle im Jahr 2015 kam jedoch Bewegung in die Szene, denn plötzlich versuchten Händler aus Afghanistan Heroin loszuwerden und den Markt aufzumischen. „Wir stellen eine gestiegene Gewaltbereitschaft auf der Straße fest. Waffen dienen zum Eigenschutz oder zur Einschüchterung“, sagt Grobecker.

In Köln sterben jeden Jahr durchschnittlich etwa 50 Menschen an den Folgen ihres Drogenkonsums. Die meisten Drogentoten sind zwischen 30 und 40 Jahren alt. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung mit Sitz in Köln versucht es mit Aufklärung und zeigt pflichtbewusst Präsenz bei Musikfestivals wie dem Kölner Summerjam oder bei „Nature One“, einer Raver-Party im Hunsrück.

Zum Kommissariat von Frank Grobecker gehören 24 Beamte, manche arbeiten in Teilzeit. „Wir erhalten sehr viele Hinweise zu Drogenhandel“, sagt Grobecker, nicht jedem könne sofort nachgegangen werden. Das Personal reicht auch nicht aus, um jeden Fernzug, der am Hauptbahnhof hält, nach Drogen zu durchsuchen. An einem Freitag im April half wieder der Zufall, als die Feuerwehr zu einer brennenden Lagerhalle in die Engelsstraße in Kalk gerufen wurde. In der Halle entdeckten die Brandbekämpfer eine Marihuanaplantage – wieder ein Fall für die Drogenfahnder.

Einsätze haben sich stark gewandelt

Als die „Drogenbunker“ am Neumarkt ausgehoben wurden, waren zahlreiche Beamte des Kommissariats 27 involviert. „Die Zeiten haben sich geändert. Früher haben wir Wohnungsdurchsuchungen teilweise mit zwei Beamten erledigt, das ist heute nicht mehr vorstellbar“, erzählt Grobecker. Auch Spürhunde werden regelmäßig angefordert. Keine Dienststelle bei der Kölner Polizei fordert so viele Durchsuchungsbeschlüsse an wie die von Frank Grobecker.

In den vergangenen Jahren sind die Zahlen der Drogendelikte in Köln gestiegen. Doch der Drogenhandel ist ein reines Kontrolldelikt. Wer viel prüft, findet viel. Als die Kölner Polizei die Auswüchse der Silvesternacht 2015 mit einem „Präsenzkonzept“ für die Innenstadt beantwortete und plötzlich Bereitschaftspolizisten die Straßen bevölkerten, flüchtete die Drogenszene vom Rheinufer in Richtung Ebertplatz. Es ist ein ständiges Katz-und-Maus-Spiel.

Übrigens hat Grobecker seinen Zeigefinger noch nie in eine beschlagnahmte Tüte Koks gesteckt, eine Kostprobe genommen und dann mit seinen Geschmacksknospen den Reinheitsgehalt bestimmt. „Das ist reine Fernsehunterhaltung. Wir verwenden Vortests, um die Art der Drogen zu bestimmen“, erklärt er. Der Rest wird dann den Labortechnikern des Landeskriminalamts überlassen.