Der sanfte UmsturzLösten die Bläck Fööss eine „Revolution“ in den Sälen aus?

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Anders waren sie schon: Zu Beginn ihrer Karriere kokettierten die Fööss für Werbeaufnahmen mit ihrem Image.

  • Bei ihren ersten Auftritten vor 50 Jahren sorgten die Bläck Fööss für Aufsehen.
  • Doch Karnevalsfreunde waren sie zu dem Zeitpunkt noch nicht, die Liebe zur jecken Zeit kam erst später.
  • Mittlerweile sind sie nicht mehr wegzudenken, denn „sie singen das, was der Kölner denkt: über Gefühle, Sorgen, Kritik und ganz wichtig: Humor.“, sagt Graham Bonney, Wegbereiter der Band.

Köln – Der Kapellmeister ahnte Böses. Hardy von den Driesch war Gründer des gleichnamigen Tanz- und Unterhaltungsorchesters. Er gastierte mit seinen Musikern in den großen Karnevalssälen der 60er- und 70er-Jahre, und wenn er hinter dem Vorhang die langen Haare und die Schlaghosen einer bestimmten Band erblickte, dann war klar: Nun kommt ein harter Bruch im Programm. Wolfgang Oelsner spielte die Trompete und trug die Haare selbst deutlich zu lang über den Hemdkragen. „Die sechs Fööss kamen in Jeans und mit Matte“, erinnert er sich. Das konnte nicht gut gehen. Aber es ging gut, sogar sehr gut.

Die ersten Auftritte der Bläck Fööss vor 50 Jahren sind überschrieben mit dem Etikett „Revolution auf der Karnevalsbühne“. In den Sälen trugen die Herren Anzüge, die Damen das kleine Schwarze oder ein Cocktailkleid. Die Musiker der Kapelle banden sich Silberkrawatten zu den gedeckten Tönen. Klar, dass die Fööss für Aufsehen sorgten, mit ihrer Beatmusik, die sie schon als „Stowaways“ gemacht hatten und die sie nun mit kölschen Texten darboten. Aber war es wirklich eine Revolution?

Mit ihrer Aufmachung traten sie Türen ein, und durch die Sechserformation verabschiedeten sie sich von der Tradition der Krätzchensänger der Adenauerzeit. „Wir waren zu der Zeit nicht gerade Karnevalsfreunde“, sagt Hartmut Priess, Mitbegründer der Fööss. „Wir kamen aus der Kneipenszene.“

Es gab 1970 in Köln gut 50 Lokale, in denen Musik im Beatles-Stil gemacht wurde. Und dann Sitzungskarneval? Das kam bei den anderen Bands nicht gut an. „Wir haben uns diese Gedanken gar nicht gemacht“, sagt Priess (77). „Wir sind nicht angetreten, um zu verändern, sondern um die Musik zu machen, die uns gefiel.“

„Die Fööss waren äußerlich Veränderung pur“

Es ging los mit dem „Rievkooche Walzer“, dann die „Kayjass Nummer Null“ und Ostermanns „Heimweh noh Kölle“. Diese drei Lieder bildeten das erste Bühnenprogramm. Ein Jahr später kam „Drink doch ene mit“ und 1973 „En unserem Veedel“ dazu. Der heutige Klassiker war eine Fortschreibung kölscher Nachkriegslieder, die die Gemeinschaft der Menschen beschworen . Es gab das Wort Gentrifizierung noch nicht, aber es ging um die Veränderung der Stadt, die Entwohnung innerhalb der Ringe, die noch heute gut sichtbar ist.

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Andere Zeiten, andere Frisuren: Peter Schütten, Tommy Engel und Erry Stoklosa (v.l.) auf der Bühne.

„Die Fööss waren äußerlich Veränderung pur“, sagt Oelsner. „Aber ihre Lieder erzählten vom Bewahren und vom Zusammenhalt.“ Alles andere also als Sturm und Barrikaden. Und das wohlgemerkt zwei Jahre nach den 68er-Unruhen. Das waren keine jungen Männer, die alles wegwischen wollten, was die Menschen mit Heimat und Tradition verbanden. Die wollten die Kirche im Dorf lassen. „Mer losse d’r Dom en Kölle.“ Das Publikum, habe wohl gespürt, dass es Zeit war, einiges zu entstauben, sagt Oelsner. Verstanden habe man das erst später.

Widerstände gab es nicht in den Sälen. Denn sofort wurden die Fööss von den großen Gesellschaften für die nächste Session gebucht. „Das Publikum hat uns mit offenen Armen aufgenommen“, erinnert sich der inzwischen ausgeschiedene Bassist Priess. „Im Gürzenich wie in Kalk oder Ehrenfeld.“ Offenbar war die Zeit überfällig dafür: John Lennon, Paul McCartney und Co. standen mittlerweile schon seit zehn Jahren auf der Bühne. Der Beatclub im Fernsehen war längst erfolgreich. Der Karneval hatte sich lange genug von diesen Entwicklungen abgekapselt.

Eher Reformation als Revolution

„Die Fööss waren die ersten, die die kölsche Sprache in moderne Songs packten“, sagt Graham Bonney, Wegbereiter der Band. „Sie singen das, was der Kölner denkt: über Gefühle, Sorgen, Kritik und ganz wichtig: Humor.“ Dahinter stand aber keine Management-Idee, kein Plan für die schnelle Mark und nicht die Idee, mit Gewalt Mauern einzureißen.“ Im Gegenteil: Der brachialen Stadterweiterung und der Modernisierung setzten die Fööss Bekenntnisse zur gewachsenen Heimat entgegen: „Mer blieven, wo mer sin, schon all die lange Johr.“ Em Veedel.

„Wir haben nichts auf den Kopf gestellt“, sagt Hartmut Priess heute. Der Begriff „Revolution“ sei erst später entstanden, um die Dinge greifbarer zu machen. „Es war eher eine Reformation.“ Der Kultur- und Brauchtumsforscher Oelsner betont vor allem die integrative Kraft: „Die Lieder der Fööss heben alle polarisierenden Eckpole auf. Sie erzählen von der Aussöhnung mit unseren Widersprüchen und Sehnsüchten.“ Im „Stammbaum“ beispielsweise würden die Gegensätze des Alltags zwar besungen, gleichzeitig aber die Einheit der Stadt bekräftigt. Mit dieser Botschaft sind die Fööss schon vor 50 Jahren angetreten.

Auch der Auftritt „ op bläcke Fööss“ war nicht ganz so revolutionär. „Das haben nur Tommy Engel, Peter Schütten und Erry Stoklosa bei den ersten Auftritten gemacht“, sagt Priess. Mit nackten Füßen auf die Bühne? Es ließ sich nicht lange durchhalten.

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Der gebürtige Berliner trug in der Band den Spitznamen „Hardy“. Zufällig so wie Hardy von den Driesch, der damals als Kapellmeister in den Sälen der Stadt den Ton angab. „Wir haben uns gut verstanden“, sagt Priess. Man traf sich auf der Bühne, trank mit den Musikern noch ein Kölsch nach dem Auftritt und plauderte. Ganz so groß waren die Gegensätze nämlich nicht. Trotz Anzügen und Silberkrawatten. „Die haben sich auf uns gefreut, weil sie unsere Musik mochten.“

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