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„Tiny Bookshop“Dieses Kölner Gaming-Studio ist für den Deutschen Entwicklerpreis nominiert

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Gründer Raven Rusch und David Zapfe-Wildemann.

Freuen sich über den Erfolg von „Tiny Bookshop“: Gründer von Neoludic Games Raven Rusch und David Zapfe-Wildemann.

Neoludic Games ist mit dem Spiel „Tiny Bookshop“ für den Deutschen Entwicklerpreis nominiert.

Im verträumten Hafenstädtchen Bookstonbury hat es einen Mord gegeben! Das aufblasbare Maskottchen liegt niedergestochen vor dem Supermarkt Mega Marché. Journalist Fern Estrada wittert eine große Story für den Bookstonbury Kurier und beginnt seine Recherche im mobilen Buchladen in der Nähe des Tatorts. Doch wo ist die Tatwaffe?

Das fragen sich auch über 10.000 Mitglieder eines Discord-Servers – ein virtueller Raum, bei dem sich Menschen zu einem bestimmten Thema treffen können. Einige von ihnen können die Tatwaffe nicht finden – denn der Mordfall ist fiktiv und Teil des Videospiels „Tiny Bookshop“ (dt. Winziger Buchladen).

Dabei handelt es sich nicht um ein Horrorspiel, sondern um ein sogenanntes „Cozy Game“ (dt. Gemütliches Spiel). Dieses Genre erfreut sich großer Beliebtheit und zeichnet sich durch eine entspannte, entschleunigte Atmosphäre aus. In „Tiny Bookshop“ betreiben Spielende ein mobiles Secondhand-Buchgeschäft und lernen die Anwohnerinnen und Anwohner der Kleinstadt kennen. Das Spiel ist auf der Nintendo Switch und auf der Online-Plattform „Steam“ verfügbar.

Rund 470.000 Kopien verkauft

Hinter dem Indie-Game (von engl. „independent“ – „unabhängig“) steckt ein kleines Studio mit Sitz im Kölner Dünnwald: Neoludic Games. „Tiny Bookshop“ kam Anfang August auf den Markt und ist ein großer Erfolg – rund 470.000 Kopien wurden bisher in verschiedenen Sprachen verkauft. Das Spiel ist für den Deutschen Entwicklerpreis nominiert (siehe Infobox).

Die Gründer Raven Rusch und David Zapfe-Wildemann sind überwältigt vom Erfolg. „Wir haben eine Welt geschaffen, die den Leuten etwas bedeutet und wo sie sich mit unseren seltsamen Ideen auseinandersetzen“, sagt Rusch und lacht. Die Idee vom ermordeten Maskottchen kommt von ihm. 

Die Grundidee von „Tiny Bookshop“ ist simpel. Spielende erwerben gebrauchte Bücher verschiedener Genres und verkaufen sie weiter. Das Besondere: Sie treten eher als Nebenfiguren auf und begleiten die Erlebnisse der Bewohnenden von Bookstonbury. „Das Spiel baut sehr auf Interaktionen auf“, erklärt Zapfe-Wildemann. Fälle wie das ermordete Maskottchen werden gelöst, Streit geschlichtet oder Ängste beruhigt – gemeinsam mit den Charakteren der Stadt. Die Spielenden bleiben dabei stille Beobachter.

„Die Charaktere kommen aus verschiedenen Altersgruppen, haben eine eigene Perspektive auf das Leben und einen Bezug zum Buchladen“, so Rusch. Eine dieser Figuren ist Tilde: eine Rentnerin, die gerade ihr eigenes Buchgeschäft in der Altstadt geschlossen hat – und vieles besser zu wissen meint als die Spielenden. „Wir wollten eine Persönlichkeit haben, die recht schrullig ist und eine starke Meinung hat“, sagt Zapfe-Wildemann. „Eine Person wie Tilde kennen wahrscheinlich die meisten.“

Inspiration aus Australien

Die Inspiration für das Spiel fanden Rusch und Zapfe-Wildemann 2019 während eines Auslandssemesters in Australien. Zu dem Zeitpunkt waren sie Game Design-Studierende an der TH Köln. In der Hafenstadt Christchurch entdeckten sie den mobilen „Custard Square Bookshop“. „Der wird von einem alten Mann betrieben“, erzählt Zapfe-Wildemann. „Wir waren begeistert von seinem Lebensentwurf.“

Spielende betreiben einen mobilen Buchladen und interagieren mit Bewohnenden.

Spielende betreiben einen mobilen Buchladen und interagieren mit Bewohnenden.

Aus dieser Begegnung entwickelte Zapfe-Wildemann zunächst ein analoges Rollenspiel. „Das ist ein Prototyp. Den stellt man Leuten vor, die damit spielen“, erklärt er. Wenn die Augen der Spielenden funkeln, sei klar, dass das Konzept funktioniert – und das sei bei dem kleinen Buchgeschäft der Fall gewesen. 2021 entwickelten die beiden schließlich einen digitalen Prototyp als Projekt für ihre Bachelorarbeit und gründeten im selben Jahr das Studio. Mit dem Spiel haben die beiden ganz unbewusst eine Nische gefunden. „Wir wussten nicht, dass viele Gamer auch Bücher mögen“, erzählt Zapfe-Wiedemann.

Weg zum Erfolg war lang

Bis zum Erfolg gab es jedoch Hürden zu überwinden. „Viele Verlage hatten zuerst kein Interesse“, so Rusch. Unabhängige Studios müssen ohne Verlage tief in die eigene Tasche greifen. Aber es ging voran: 2022 hat das Studio eine Förderung der Film- und Medienstiftung NRW bekommen.

Dadurch konnte das Studio auf der „Indie Arena Booth“ der Gamescom 2023 eine Demoversion ihres Spiels präsentieren. „An unserem Stand war die Schlange so lang, dass die Gänge teilweise blockiert waren“, erzählt Rusch. „Wir wussten: Wenn wir das Spiel veröffentlichen, wird es Leute geben, die es auch kaufen werden.“ Danach nahm die Entwicklung richtig Fahrt auf. „Danach hatten Verlage Interesse am Spiel. Wir sind in unser Büro eingezogen und haben es von vorne bis hinten durchgeplant.“

Buchtitel ändern sich von Land zu Land

Heute ist „Skystone“ der Verlag des Studios. Damit konnte „Tiny Bookshop“ in mehrere Sprachen übersetzt werden – unter anderem ins Spanische, Chinesische und Japanische. Das beeinflusst auch die Auswahl der Bücher: Neben Klassikern wie Goethes „Die Leiden des jungen Werther“ oder modernen Bestsellern wie „Babel“ von R.F. Kuang gibt es auch völlig fiktive Werke. „In der deutschen Version gibt es zum Beispiel ein Kochbuch für verschiedene Sauerkrautgerichte“, sagt Rusch. In der spanischen Version seien es andere Fantasietitel. „So merken viele gar nicht, dass wir ein deutsches Studio sind.“ Auch die Buchempfehlungen unterscheiden sich von Land zu Land – so wie sich in verschiedenen Ländern auch die populären Klassiker unterscheiden.

Das Team von Neoludic freut sich über die Nominierungen für den Deutschen Entwicklerpreis. „Schon allein eingeladen zu werden, ist eine große Ehre für uns“, sagt Zapfe-Wildemann. Die vielen verkauften Kopien und der Zuspruch der Fans haben den gesamten Weg mehr als gelohnt. Und trotz starker Konkurrenz bleiben sie optimistisch: „Natürlich hoffen wir, dass wir auch diesmal etwas gewinnen.“