Von Verständnis bis „stinkwütend“Das sagen Reisende in Köln zum Bahnstreik
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Bahnstreik - was fährt noch: Reisende hoffen am Hauptbahnhof Köln auf Auskunft.
Copyright: Nabil Hanano
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Köln/Bonn – So hatten sich Martha (14) und Adam (11) aus Dortmund den Start in ihren Kurzurlaub am Meer nicht vorgestellt. Sie stehen genervt in der Schlange vorm Bahn-Infoschalter im Hauptbahnhof.
Mitfahrgelegenheit statt Zug
Seit heute früh fährt wegen des Streik der Lokführergewerkschaft nur noch jeder vierte Fernzug, und auch im Regionalverkehr gibt es erhebliche Einschränkungen. „Gestern Abend wollten wir den Trip schon absagen“, sagt Julia B. Dann hat sie mit ihren Kindern eine Mitfahrgelegenheit von Dortmund nach Köln ergattert. Der ICE nach Amsterdam ist einer der wenigen, für den die Infotafel nicht „fällt aus“ vermerkt.
Auf eine Verbindung zum Flughafen Köln/Bonn hofft Sanker Nepaleli. Er sucht in der App DB Navigator und an der Infotafel gleichzeitig. Der 48-jährige arbeitet als Koch in Münster und will seinen Bruder in England besuchen, der nach einem Unfall im Krankenhaus liegt. Bis Deutz ist er von Münster aus gekommen, dann gab’s keine S-Bahn. „Ich hab mich durchgefragt, bin zu Fuß über die Brücke“, sagt er. Und muss sofort los, damit er den Zug zum Flughafen noch erwischt.
Weniger Glück hat Edgar Fries. Der Architekt will mit der Bahn zurück nach Berlin. „Laut DB-App fährt der Zug“, sagt er. Die Anzeigetafel sagt, in Hamm ist Schluss. Ein Bahnmitarbeiter schafft Tatsachen. „Die App ist nicht immer aktuell. Teils wissen wir bis kurz vor Abfahrt nicht, ob das Personal da ist und der Zug fahren kann.“
Unterdessen versucht Johannes Müller, vom Hauptbahnhof nach Essen zukommen. Vor 13 Stunden ist er in Washington DC in den Flieger gestiegen. „Es soll Ersatzbusse geben. Aber die sind sicher sehr voll. Und das in Coronazeiten“, ärgert sich der 64-Jährige. Dann entdeckt er, dass es doch noch eine Verbindung nach Essen gibt. „Stinkwütend“ ist dagegen Heide D. (80) aus Lüneburg. „Corona, Hochwasser, jetzt noch extrem volle Züge durch den Streik. Eigentlich bin ich pro Gewerkschaften, aber der Zeitpunkt ist unmöglich.“
DB-App erntet von vielen Reisenden Kritik
Das finden viele der Wartenden. Kritik gibt’s auch an der DB-App. „Da steht nicht, ob wir kostenlos umbuchen können, wenn der geplante EEC nicht bestreikt wird. Deshalb stehen wir hier in der Schlange“, kritisieren Christine und Katharine (beide 30). „Wir wollen früh zurück, falls noch mehr Züge spontan ausfallen.“
Geduld gefragt: Reisender Nicholas Rimmer am Kölner Hauptbahnhof.
Copyright: Nabil Hanano
Entspannter als die meisten an diesem Vormittag wartet Nicholas Rimmer in der Bahnhofshalle. Der Kammermusiker ist auf dem Weg ins englische Stansted, wo der Pianist mit zwei anderen Musikern eine CD aufnehmen wird. Als Bahn-Vielfahrer hat er seine Reise durch den Streiktag akribisch geplant. Um 7 Uhr ist er in Stuttgart los, ist mehr als rechtzeitig am Bahnhof – falls einige Verbindungen zum Flughafen Köln/Bonn gestrichen werden sollten.
Er findet den Streik verständlich. „Ich fahre als Musiker sehr oft extrem früh oder nachts mit der Bahn. Die Mitarbeiter arbeiten die Nacht durch, regelmäßig zu sehr unsozialen Zeiten“, sagt der 39-Jährige. „Und meistens klappt es ja mit den Verbindungen.“ Sein Regionalexpress zum Flughafen jedenfalls fährt an diesem Tag nach Plan. Regulär und weitgehend störungsfrei werden alle Fern- und Regionalzüge laut Bahn allerdings erst wieder am Freitag unterwegs sein. Der Streik endet in der Nacht zu Freitag.