Bevor die neuen Stadtbahnen kommen, müssen die KVB ihre Werkstätten umbauen. Selbst das Radschleifen wird zur Herausforderung.
Langbahnen der KVB in Köln60-Meter-Riesen stellen Betriebshöfe vor XXL-Probleme

Eine Testfahrt der KVB mit 90-Meter-Langbahnen. (Archivbild)
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Sie sind eine Herausforderung für die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB), die 62 Niederflurbahnen, die von den KVB bei dem Hersteller Alstom bestellt wurden. Aktuell, weil die Lieferung dieser 60 Meter langen Stadtbahnen immer noch auf sich warten lässt. 2023 sollten die ersten davon in Köln ankommen.
Doch bis heute kann der Hersteller anscheinend nicht verlässlich benennen, wann denn nun Fahrzeuge geliefert werden. Die jüngste Aussage der KVB-Vorstandsvorsitzenden Stefanie Haaks dazu: „Wir haben für September einen neuen Zeitplan eingefordert.“ Und sollte dann im Spätsommer dieses Jahres tatsächlich ein neuer Liefertermin genannt werden, stehen die KVB vor der nächsten Herausforderung: Die Infrastruktur in den Werkstätten muss an mehreren Stellen noch bis zur Lieferung angepasst werden.
Nachteile für Kapazität der KVB
Bis zum heutigen Tag schicken die KVB 30-Meter lange Bahnen auf die Strecke. Die werden in der Regel zu 60 Meter langen Zügen zusammengekoppelt. Das hat durchaus Vorteile, wie Martin Süß, Bereichsleiter Werkstatt Stadtbahn und Bus, herausstellt. Einer davon: „Nicht selten werden unsere Bahnen in Verkehrsunfälle verwickelt. Meistens dort, wo Pkw, Lkw und Transporter eigentlich nicht nach links abbiegen dürfen und sich damit verkehrswidrig verhalten.“
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Oft seien die Schäden an der Bahn dann so schwerwiegend, dass sie für eine Instandsetzung mehrere Wochen und Monate aus dem Verkehr gezogen werden müssen. Bei zwei zusammengekoppelten 30 Meter-Bahnen betrifft das in der Regel nur eines der beiden Fahrzeuge. Das andere kann dann weiter eingesetzt werden – kein unwichtiger Punkt für die KVB, die auf ihren Linien zum Teil an der Kapazitätsgrenze fährt.
Das bedeutet dann auch, dass zusätzliche Fahrzeuge benötigt werden, da zukünftig dann lange Einheiten zur Instandhaltung in der Werkstatt stehen und diese dementsprechend bei längerfristigen Arbeiten dem Betrieb für die Fahrgastbeförderung nicht zur Verfügung stehen.

Auf die Arbeitsbühne mit Drehmaschine und Achsvermessung passen nur 30 Meter lange Bahnen.
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Doch es gibt – oder besser gesagt, es gab – auch Argumente gegen zwei gekoppelte 30-Meter-Bahnen, nämlich vor allem die Kupplungen. In Köln ist es mehrfach zu schweren Unfällen gekommen, weil Menschen über diese Kupplung gestiegen sind. Mal, weil sie Wege abkürzen wollten. Mal, weil sie im alkoholisierten Zustand die Gefahr nicht richtig eingeschätzt haben. So kam es auch schon zu Todesfällen. Kein unwesentlicher Grund, warum der Verkehrsausschuss bereits im Jahr 2008 entschied, die KVB sollten bei Neubestellungen 60-Meter lange, durchgehende Bahnen bestellen. Ein weiterer Vorteil könnte auf den ersten Blick darin bestehen, dass in einer durchgehenden Bahn mehr Platz ist für Fahrgäste.
KVB-Langbahnen: Warum nicht wirklich mehr Fahrgäste reinpassen
Doch diese Hoffnung ist trügerisch. Wie Süß erklärt, sind die Achslasten für die KVB-Stadtbahnen begrenzt. Der Wert richtet sich nach der „schwächsten Brücke“ im Streckennetz. Für Köln bedeutet das, die Achslast darf nicht mehr als zehn Tonnen betragen. Trotz der bekanntlich maroden Brücken in Köln kein schlechter Wert. In Berlin darf die Verkehrsgesellschaft nur bis zu einer Achslast von neun Tonnen gehen.
Das bedeutet, der Passagierraum darf nicht mehr Fahrgäste fassen, als die Achsen tragen dürfen. Der Fahrgastraum muss also in letzter Konsequenz der Vorgabe angepasst werden. Im konkreten Fall der KVB heißt das, in der durchgehenden 60-Meter Stadtbahn werden nicht bedeutend mehr Fahrgäste Platz finden, als in den beiden gekoppelten 30-Meter-Bahnen.
Zudem können Kupplungsbereiche heute mit modernster Technik besser abgesichert werden als noch im Jahr 2008. Kamera- und Sensorensysteme machen Menschen im Kupplungsbereich zuverlässig aus. Steuergeräte hindern in diesem Fall die Bahn an der Weiterfahrt, und das Fahrpersonal bekommt eine zusätzliche Signalisierung. Nicht unähnlich den Bremsassistenten, wie sie heute in modernen Autos Serie sind. Gleiches gilt für die Türsysteme. Eine Stadtbahn kann nur mit geschlossenen Türen abfahren.
KVB-Betriebshöfe: Mehrere Schwierigkeiten nahen
Wie auch immer, die 60-Meter-Bahnen sind beschlossen und bestellt. Nun müssen die KVB damit umgehen – und sich darauf vorbereiten. Denn die Abläufe auf den Betriebshöfen sind auf 30-Meter-Bahnen eingestellt. Die gute Nachricht dabei: „Die Werkshallen können die 60-Meter-Bahnen problemlos aufnehmen“, versichert Süß. Schon jetzt werden für den Reparatur- und Wartungsbetrieb mehrere 30-Meter-Bahnen auf den Gleisen in den Hallen hintereinander aufgestellt.
Was jedoch nicht zu den 60-Meter-Bahnen passt, sind die Hallen mit den „Unterflurradsatzdrehmaschinen“. Die Bahnen werden auf Schienen über diese Maschinen gefahren. Stützen, vergleichbar mit Wagenhebern, nehmen die Last der Bahn auf, damit die Räder frei drehen können. Drehmaschinen glätten schließlich die Auflageflächen der Räder, sodass sie wieder optimal reibungs- und geräuscharm auf den Schienen rollen können und die Entgleisungssicherheit gegeben ist.
Zudem werden auf dieser Vorrichtung die Räder der Bahnen vermessen. Das „Sauberdrehen“ der Räder wird erst nach großer Laufleistung fällig. „Die Radvermessung ist jedoch nach einer Laufleistung von 30.000 Kilometern vorgeschrieben“, erklärt Süß. „Sie wird bei jeder Inspektion durchgeführt“, so der Bereichsleiter.
Doch die Wartungseinheit mit den Drehmaschinen und der Radvermessung ist „nur“ für 30-Meter-Bahnen ausgelegt. Sie stehen in Hallen, die nicht durchgehend befahren werden können. Wenn also die letzte Achse einer 30 Meter langen Stadtbahn gewartet wird, steht der Führerstand des Fahrzeuges vor einer Wand. Was bedeutet, die 60 Meter lange Bahn kann nicht weit genug in die Halle einfahren, damit auch ihre hintersten Achsen bis zur Unterflurradsatzdrehmaschine und zur Ausführung der Radvermessung vordringen.
Darüber hinaus müssen die Hebeanlagen in allen Werkstätten den neuen Fahrzeugen angepasst und damit umgebaut werden, damit es den Mechanikern der KVB ermöglicht wird, entsprechende notwendige Arbeiten auszuführen. Gleiches gilt dann auch für die Besandungsanlagen zum Auffüllen von Bremssand.
30 Minuten, um einen Langzug zu trennen
Zwar können die 60-Meter-Bahnen theoretisch in der Mitte, im Gelenk, getrennt werden. Doch das Verfahren ist aufwendig. Rund 30 Minuten bräuchte es, die durch die Bahn laufenden Leitungen und Verbindungen zu trennen. Zu aufwendig, um das Verfahren bei jeder Wartung der bestellten 62 Bahnen durchzuführen.
„Einfache Schnell-Trennstellen sind bisher für Niederflurfahrzeuge nicht gängig“, erklärt Süß das Grundproblem. Doch selbst wenn die Trennung einfacher wäre: Weil es dann an den beiden Teilen der 60-Meter-Bahnen jeweils nur noch einen Fahrerstand gibt, lassen sie sich auch nicht mehr ohne weiteres eigenständig rangieren. Dazu werden zusätzliche Hilfsmittel benötigt. Ein Drehen der Fahrzeuge ist nur über Wendegleisanlagen möglich, die auch nicht überall vorhanden sind.
Also haben sich die KVB dafür entschieden, die Hallen mit den Unterflurradsatzdrehmaschinen und der Radvermessung zu verlängern oder die Standorte der Maschinen dementsprechend anzupassen Auf den Betriebshöfen in Merheim, in Braunsfeld an der Scheidtweilerstraße und in der Hauptwerkstatt in Weidenpesch stehen insgesamt zwei Unterflurradsatzdrehmaschinen und 13 Hebestände sowie drei Bremssandbefüllungsanlagen zur Verfügung. Gleichzeitig wird der neue Betriebshof in Wesseling dementsprechend hergerichtet. In Merheim laufen die Vorbereitungen für den Umbau bereits.