Strenge KriterienVan Morrison und Joan Baez geben Konzerte auf Roncalliplatz

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Feierstunde mit Kölsch-Legenden: 2010 spielten die Bläck Fööss zu ihrem 40-jährigen Bandbestehen auf dem Roncalliplatz.

Feierstunde mit Kölsch-Legenden: 2010 spielten die Bläck Fööss zu ihrem 40-jährigen Bandbestehen auf dem Roncalliplatz.

Köln – Irgendwann ist es mal genug, selbst für eine Woodstock-Legende wie Joan Baez. 77 Jahre ist Baez mittlerweile alt, trotzdem: Das Loslassen von Konzerten fällt ihr schwer, sagt die „Königin des Folks“. Baez tourt gerade durch die Welt, „Fare the well“ hat sie diesen monatelangen Trip genannt, also so viel wie „Gehabt euch wohl“, ich bin dann mal weg, 2019 soll Schluss sein – aber das weiß man bei Künstlern ja nie so genau.

Am Freitag tritt Joan Baez wohl zum letzten Mal in Köln auf.

Am Freitag tritt Joan Baez wohl zum letzten Mal in Köln auf.

Am Freitag nun singt Baez in Kölns Herzkammer, auf dem Roncalliplatz, den Dom im Rücken. Sie ist der letzte von drei Weltstars, die dort nacheinander auftreten: Der nordirische Sänger Van Morrison, 72, legt am Mittwoch los, tags darauf folgt Patti Smith, 71. Charles Aznavour, 94, sollte eigentlich am 4. Samstag den Schlussakt spielen, brach sich aber den Arm und musste absagen, einen Ersatztermin gibt es nicht.

Baustelle am Dom-Hotel muss weichen

Es ist das erste Mal, das drei Weltstars an drei aufeinanderfolgen Tagen direkt auf dem Roncalliplatz spielen, Karten gibt es schon länger nicht mehr.

Ausverkauft meldet der Veranstalter, die Hartz Promotion aus Bonn, zwischen 42 und 90 Euro zuzüglich Gebühren kosteten laut Hartz die Tickets. Jeweils ab 20 Uhr verwandelt sich der Platz zum Freiluft-Konzertsaal mit 3800 Stühlen, Stehplätze sind nicht eingerichtet. Für die Dauer der Konzerte wird die Baustelle am Dom-Hotel zurückgebaut.

Patti Smith singt am Donnerstag auf dem Roncalliplatz.

Patti Smith singt am Donnerstag auf dem Roncalliplatz.

Welche und wie viele Konzerte auf dem Roncalliplatz stattfinden dürfen, regelt das sogenannte „Vergabekonzept für Veranstaltungen auf zentralen Plätzen der Innenstadt“. Darin steht, was erlaubt ist und was nicht, es gilt seit 2014 und noch bis Ende 2018.

Der nordirische Musiker Van Morrison kommt am Mittwoch.

Der nordirische Musiker Van Morrison kommt am Mittwoch.

Laut Konzept sind jährlich nur sechs Veranstaltungen auf dem Roncalliplatz möglich, zudem sind nur drei Kategorien von vorne herein überhaupt „zulassungsfähig“: kirchliche wie etwa der Weltjugendtag, der Weihnachtsmarkt und eben hochkarätige Konzert- und Kulturveranstaltungen. Sport? Nicht erlaubt. CSD? Nicht erlaubt. Zirkus? Nicht erlaubt.

Balanceakt zwischen Weltstars und Schutz der Anwohner

Den Weihnachtsmarkt rechnet die Stadtverwaltung aufgrund seiner langen Dauer als drei Termine, jährlich sind also nur drei weitere Termine möglich. Der Platz ist ja die Herzkammer der Stadt, ihn umgeben Dom, Philharmonie, Museum Ludwig und Römisch-Germanisches Museum. „Es ist einer der schönsten Plätze in Deutschland“, sagt der Kölner Konzertveranstalter Micki Pick. Das liegt vor allem am Dom, laut Stadt müssen Veranstaltungen deshalb „der Würde des Doms als Weltkulturerbe gerecht werden“.

Für die Stadt ist es also ein Balanceakt: Will sie Weltstars wie Joan Baez samt Imagegewinn für Köln? Oder will sie die Einwohner vor Lärm schützen? Im Konzept heißt es: „Grundsätzlich hat die Stadt Köln als Millionenstadt ein großes Interesse an qualitativ hochwertigen Veranstaltungen mit überregionaler Ausstrahlung und Bedeutung.“ Aber: In der Innenstadt leben auch 137.000 Bürger, „sie haben Anspruch auf ein lebenswertes Umfeld und verdienen den Schutz vor übermäßigen Belastungen“. Deshalb seien dort strengere Maßstäbe nötig.

Unter anderem muss um 22 Uhr Schluss sein, das hatte ein Anwohner 2010 eingeklagt, vorher ging es in Ausnahmefällen auch schon mal bis 23 Uhr. Veranstalter Ernst Ludwig Hartz sagt: „Es ist eine besondere Location. Dann muss man mehr in Kauf nehmen als auf anderen Plätzen.“ Zum Beispiel wird im Vorfeld getestet, ob die Lautstärke der Anlage die gültigen Grenzwerte überschreitet – wenn ja, wird sie reduziert. Und Hartz musste ein Räumungskonzept mit der Feuerwehr abstimmen.

Kritik an Regelungen

Für Pick ist es ein einfaches Rechenbeispiel: Je teurer die Karten, desto lohnenswerter ist es. Das überrascht wenig, aber am Roncalliplatz gibt es laut Pick weniger Infrastruktur als andernorts, „man muss alles selbst mitbringen“.

In der Vergangenheit haben immer wieder Künstler das Ambiente am Dom genutzt, aber es bleibt weiter eine Rarität. Eine kleine Auswahl: Die US-Band REM spielte dort 2001, 60.000 Besucher überfluteten seinerzeit den Platz und die Umgebung, die Innenstadt war lahmgelegt. 2010 locken die Bläck Fööss zum 40. Geburtstag 8000 Zuhörer auf den Platz, im Jahr darauf folgten Wolfgang Niedecken und BAP, je 5000 Menschen kamen. Und voriges Jahr sang dort der Kölner Männer-Gesang-Verein vor 3700 Menschen zu seinem 175. Geburtstag.

Pick selbst will 2020 wieder Künstler auf die Domplatte bringen, obwohl er sich 2011 sehr geärgert hatte, dass Niedecken und BAP nicht länger als 22 Uhr spielen durften. Heute sagt Pick: „ Jeder will Kultur haben, solange es nicht vor seiner Tür ist. Köln bezeichnet sich als Kulturstandort, aber dafür muss man etwas tun.“

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