Dieter van Dillen führt seit 45 Jahren einen Spielzeugladen in Lindenthal. Zu Weihnachten kaufen bei ihm auch Erwachsene ein, um sich selbst zu beschenken.
Spielzeugladen in LindenthalWie sich Erwachsene zu Weihnachten selbst beschenken

85 Jahre alt ist Spielwarenhändler Dieter van Dillen. In der ehemaligen Drogerie kaufte er seine Rasierklingen, bevor er das Ladenlokal übernahm.
Copyright: Costa Belibasakis
Es kommt vor, dass Dieter van Dillen Wünsche erfüllt. Weihnachtswünsche. Und Wünsche, die seit Jahrzehnten bestehen. So wie den einer älteren Dame, die die Lieblingspuppe ihrer Kindheit plötzlich in van Dillens Auslage entdeckte und rief: „Die wollte ich immer haben!“ Die Puppe hatte lockige Haare und Augen, die zufielen, wenn man die Puppe hinlegte. Aber damals, kurz nach dem Krieg, war das Geld knapp. Ihre Eltern konnten sich das Spielzeug nicht leisten. Aber jetzt. Kurzerhand zückte die Seniorin ihr Portemonnaie und kaufte die Puppe in van Dillens Spielzeuggeschäft. Nicht für ihre Enkel. Nur für sich selbst.
Zu Weihnachten, das weiß Dieter van Dillen, liegt unter dem Tannenbaum nicht nur Spielzeug für Kinder. Auch Erwachsene beschenken einander oder sich selbst mit Spielwaren, die ihnen Freude machen. Und wer sagt eigentlich, dass man für irgendwas zu alt ist? Dieter van Dillen auf jeden Fall nicht. Er ist 85 Jahre alt und seit 45 Jahren führt er sein kleines, verwunschenes Spielzeuggeschäft, das an der Ecke Bachemer Straße/Lindenthalgürtel liegt.

Der Silberpfeil ist ein besonderes Stück.
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Van Dillen ist selbst in Lindenthal aufgewachsen. Die Geschichten aus seiner Kindheit klingen so magisch, wie es sich für den Besitzer eines Spielzeugladens gehört. Mit sieben fand er im Stadtwald einen verletzten Raben. Kurzerhand nahm er ihn unter den Arm und fuhr mit dem Rad zu einer Tierarztpraxis am Gürtel. „Der Tierarzt sagte: ‚Raben sind kluge Tiere. Er wird nie mehr von dir weggehen.‘ Und so war es auch. Er blieb vier Jahre bei mir“, erzählt van Dillen. „Er begleitete mich sogar zur Schule. Er saß auf meinem Rücken und legte den Kopf an meinen. Der Nachteil war: Ich war immer zugeschissen, ich musste mir ein Tuch über den Rücken legen. Aber ich war für alle der Dieter mit dem Raben. Das hat mich stärker gemacht.“
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Van Dillens Kindheit war auch von vielen Krankenhausaufenthalten geprägt. Mit 12 Jahren musste er wegen seiner Kinderlähmung über Jahre mehrmals operiert werden. Anschließend holte er die Schule nach und wurde Uhrmacher. „Dann kam die Quarzuhr und mein Beruf war quasi tot“, sagt van Dillen, der dann eine Ausbildung als Großhandelskaufmann machte. Als die Drogerie an der Bachemer Straße, in der er seine Rasierklingen kaufte, vor 45 Jahren schloss, übernahm er den Laden. „Ich war zuerst der Puppendoktor, reparieren konnte ich als Uhrmacher.“

Alte und neue Puppen hat van Dillen in seiner Auslage.
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Spielzeug verkaufen, das kam ihm in den Sinn, weil er in Lindenthal nie das passende Geschenk für seine sechs Neffen fand. „Dafür musste man ja immer zu Feldhaus in die Innenstadt fahren.“ Nach wie vor führt der 85-Jährige alles, was das Herz von Kindern höher schlagen lässt: Puppen, Holzeisenbahnen, Kuscheltiere, Lego, Playmobil oder Puzzle. Alleine 30 verschiedene Schaukelpferde gibt es hier. Elektronisches Spielzeug und Videospiele sucht man dagegen vergebens. Alt steht hier neben neu, die Rarität neben aktuellen Trends. Eines ist aber immer gleich geblieben: An der alten Ladenkasse kann nur in Bar gezahlt werden.
Manche Dinge aus van Dillens Lager begeistert vor allem die ältere Generation. Das noch vorhandene Blechspielzeug kaufte er zum Beispiel bereits vor 30 Jahren, zwölf von jeder Sorte. „Ein Mann kam kürzlich ins Geschäft und wollte sechs Stück kaufen“, erzählt van Dillen. „Ich habe gefragt: ‚Wie alt ist denn das Kind?‘ Der Mann hat geantwortet: ‚60. Diese Karussells wollte ich als Kind immer haben. Jetzt kaufe ich mir sie.‘“

Viel zu Stöbern gibt es im Laden von Dieter van Dillen.
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Ein älteres Ehepaar kaufte eine Dampfmaschine, von der van Dillen ein weiteres Modell in der Auslage stehen hat. Auch ein Wunsch aus der Kindheit, der in den 60er Jahren nicht erfüllt wurde. „Der Mann war gerade 70 geworden“, erzählt der Spielzeugverkäufer. „Er sagte: Mein Enkel soll mir beim Aufbauen helfen und mir zeigen, wie es geht.“
In das Lindenthaler Spielzeuggeschäft kommen oft Großeltern mit ihren Enkeln. Vieles aus der eigenen Kindheit wird hier wiederentdeckt: Eine Waage mit echten Gewichten für den Kaufmannsladen, Mainzelmännchen-Figuren oder ein Schaukelpferd aus der Nachkriegszeit. Eine kleine Reise in die eigene Vergangenheit also. Die Männer der nächsten Generation freuen sich laut van Dillen vor allem über die Baukästen von Fischertechnik, Playmobil-Sets mit Oldtimern oder den „Silberpfeil“ als Rutschauto, der 1954 die Weltmeisterschaft holte.
Wenn Erwachsene bei ihm für sich oder die ganze Familie Spielzeug kaufen, weiß van Dillen, sind vor allem 1000-Teile-Puzzle oder Brettspiele beliebt. „Klassiker werden immer noch gerne genommen: Schach, Backgammon oder auch Mensch ärgere dich nicht.“ Was er ebenfalls im Sortiment hat: Lego für Erwachsene. In den vergangenen Jahren werden die Bausteine von ihnen immer häufiger gekauft, etwa um im Alltag Stress abzubauen. „Bei mir werden die Blumen-Sets häufig gekauft. Es gibt sogar Ehemänner, die kaufen bei mir einen Lego-Strauß Rosen anstatt echte Blumen für ihre Frauen“, so der 85-Jährige.
Seinen Beruf als Spielzeugverkäufer und Wunscherfüller will Dieter van Dillen Ende des kommenden Jahres an den Nagel hängen. Nicht etwa, weil er zu alt sei, wie er betont. Wenn es ab 2027 in Deutschland die Pflicht eines elektronischen Kassensystems gibt, will er aufhören. Die alte Ladenkasse bleibt dann für immer zu.
