„Jede Minute zählt“Wie eine Kölnerin ihr Leben nach dem Schlaganfall meistert

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Anke Lug sitzt auf einem Trainingsgerät.

Schlaganfallpatientin Anke Lug macht eine ambulante Reha im St. Marien-Hospital.

Eine Schlaganfallpatientin und ihre Ärztin sprechen über die dritthäufigste Todesursache in Deutschland.

2021 war Anke Lug mutig. Sie kündigte ihre Wohnung und ließ sich aus ihrer Mülheimer Grundschule an die Deutsche Botschaftsschule in Addis Abeba versetzen. „Das war ein Traumjob für mich“, sagt Anke Lug. Die Kölnerin erinnert sich sehr gern an die Zeit in Äthiopien und die Menschen, die sie dort kennenlernt. Doch ein Jahr später, kurz vor Weihnachten, verändert ein kurzer Augenblick ihr ganzes Leben.   

„Ich war gerade dabei, die Lieder für die Adventsfeier in der Schule anzukündigen“, erinnert sich die 53-Jährige. „Auf einmal kam nur Unsinn aus meinem Mund. Dann bin ich auch schon umgefallen.“ Der Notarzt wurde gerufen und Anke Lug hatte Glück: Sie wurde direkt in Äthiopiens einzige Stroke Unit gebracht. Denn bei einem Schlaganfall zählt jede Minute.

Auf plötzlich auftretende Symptome achten

„Ein Schlaganfall ist wie ein Blitz, der durch den Körper fährt“, sagt Dr. Pantea Pape, Chefärztin für Neurologische und Fachübergreifende Frührehabilitation am St. Marien-Hospital im Kunibertsviertel. „Ein Schlaganfall kann Alt und Jung betreffen. In den letzten Jahren sind es auch immer jüngere Menschen, die mitten im Leben stehen. Als Risikofaktoren sind zum Beispiel Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen, Diabetes mellitus, aber auch Bewegungsmangel und falsche Ernährung zu nennen.“

Wichtig sei es, ganz plötzlich auftretende Symptome immer ernst zu nehmen: Veränderungen der Sprache, ein eingeschränktes Sichtfeld, Lähmungserscheinungen oder Körperteile, die sich taub anfühlen. „Bitte nicht spekulieren oder abwarten, sondern bei Verdacht auf einen Schlaganfall immer den Notruf 112 wählen. Es geht um Leben und Tod“, sagt Dr. Pape. „Jede Minute zählt.“

Schnelle Behandlung wichtig

Bei etwa 85 Prozent aller Schlaganfälle handelt es sich um eine Durchblutungsstörung des Gehirns. Seltener ist eine Blutung die Ursache des akuten Schlaganfalls. Beides sind Notfälle und müssen schnellstmöglich behandelt werden. Schlaganfall-Patienten müssen auf einer Stroke Unit (spezialisierte Schlaganfalleinheiten) aufgenommen und behandelt werden. Die akute Behandlung der Durchblutungsstörung bei Erwachsenen besteht in der Thrombolyse und sollte in einem Zeitfenster von 4,5 Stunden nach Erkennen der Symptome erfolgen. „Hierbei wird das Blutgerinnsel aufgelöst“, erklärt Dr. Pape. Auch die mechanische Thrombektomie bei Verschlüssen großer Hirnarterien sei ein Meilenstein in der akuten Schlaganfallbehandlung. Dabei wird das verschlossene Gefäß durch die Entfernung des Blutgerinnsels wieder eröffnet.

Besonders wichtig sei die Einleitung der Früh- und Anschlussrehabilitation, um die aufgetretenen Beeinträchtigungen zu reduzieren und eine nach Möglichkeit uneingeschränkte Teilhabe am Leben wieder herzustellen. „Wichtig ist auch immer, die psycho-soziale Komponente nicht zu vernachlässigen“, sagt Dr. Pape. Denn mit einem Schlaganfall ändere sich oft das ganze Leben.

Jeden Fortschritt muss man feiern. Man braucht sehr viel Geduld, aber es lohnt sich, weiterzumachen.
Anke Lug, Schlaganfallpatientin

Wie bei Anke Lug. Der Schlaganfall brachte sie als Pflegefall aus Äthiopien zurück nach Deutschland. Drei Monate war sie in Addis Abeba im Krankenhaus, danach fünf Monate in der Rehanova in Merheim. Seit einigen Wochen macht sie eine ambulante Reha in der Ambulanten Neurologischen Rehabilitation im Neurologischen Therapiecentrum (NTC) im St. Marien-Hospital. „Jeden Fortschritt muss man feiern“, sagt Lug. Heute kann sie am Rollator gehen, wohnt in einem WG-Zimmer. Durch die Lähmung ihrer linken Körperhälfte fallen ihr alltägliche Dinge, wie Anziehen oder Tragen, aber noch schwer. „Man braucht sehr viel Geduld, aber es lohnt sich, weiterzumachen.“

„Je häufiger die Bewegung wiederholt wird, desto schneller lernt das Hirn die Abläufe neu und es entstehen neue Verknüpfungen“, erklärt Dr. Pantea Pape. Ein Versprechen auf eine Heilung gebe sie nicht, aber Funktionsstörungen können sich durch Therapien in den ersten zwei Jahren deutlich verändern, so Pape. „Ich sage meinen Patienten oft: Es gibt zwei Möglichkeiten. Sie schauen nach vorn, oder sie schauen nach vorn.“

Dr. Pantea Pape im St. Marien-Hospital

Dr. Pantea Pape, Chefärztin im St. Marien-Hospital

Auch im NTC werden die Übungen immer wiederholt - zum Teil auch robotergesteuert. Der „Lokomat“ ist auch das Lieblingstrainingsgerät von Anke Lug: Bei dem individuellen Gangtraining, bei dem das eigene Körpergewicht entlastet wird, schafft sie es, eine halbe Stunde am Stück zu gehen. „Einen Kilometer“, freut Lug sich. Es sind die kleinen Ziele, die gut tun. Das große Ziel ist es, wieder arbeitsfähig zu sein, wieder alleine gehen zu können. Wenn sie es schafft, will sie zurück nach Äthiopien. Auch um das nachzuholen, was der Schlaganfall ihr genommen hat: so viele Abenteuer.


Weltschlaganfall-Tag am 29. Oktober

„Jeder Schlaganfall ist ein Notfall“ lautet das Motto des diesjährigen Welt-Schlaganfalltags am 29. Oktober. Der Aktionstag soll auf Risikofaktoren und die Symtome eines Schlaganfalls aufmerksam machen.

Dazu gibt es auch in Köln mehrere Infoveranstaltungen:

Führungen durch die Ambulante Neurologische Rehabilitation im St. Marien-Hospital gibt es am Montag, 30. Oktober, um 10, 14 und 16 Uhr. Treffpunkt ist der Eingang des NTC, An der Linde, 50668 Köln. Um vorherige Anmeldung wird gebeten unter 0221/1629-7000 oder per Mail an info.ntc@cellitinnen.de.

Vom 23. bis 27. Oktober können sich alle Interessierten von 10 bis 17 Uhr im Patienten-Informations-Zentrum PIZ der Uniklinik (Erdgeschoss Bettenhaus) zum Thema Schlaganfall beraten lassen. Am Mittwoch, 25. Oktober und am Donnerstag, 26. Oktober wird es jeweils um 13 Uhr einen ärztlichen Vortrag mit anschließender Möglichkeit für Fragen geben.

www.uk-koeln.de

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