Zu Fall gebracht und beschimpftEin Radfahrer erzählt von seinem „Dooring-Unfall“

Lesezeit 5 Minuten
Neuer Inhalt

Alptraum Dooring-Unfall: Ein Kölner Radfahrer hat das erlebt und wurde auch noch beschimpft. (Symbolbild)

Köln – Zeit für eine wirkliche Reaktion hat der Mann (54) auf dem Rennrad nicht. Als sich die Beifahrertür eines Kleinwagens öffnet, der halb auf dem Radweg der Bonner Straße gehalten hat, befindet er sich schon fast auf Höhe des Wagens. Reflexartig reißt er den Lenker nach rechts. „Ich wäre fast in einem Bauzaun gelandet“, erinnert er sich. Sein Rad gerät ins Schlingern, er verliert die Kontrolle, rumpelt über die Bordsteinkante, stürzt auf die Fahrbahn und schlägt mit dem Kopf auf. „Ich hatte doppeltes Glück. Erstens kam gerade kein Auto und zweitens hatte ich einen Helm auf“, erzählt der Radfahrer.

Unfallgefahr Autotür: Kölner Polizei registriert 120-Dooringunfälle

Seinen Namen möchte das Unfallopfer lieber nicht in der Zeitung lesen, im Grunde spielt er auch keine Rolle, denn die Dooring-Unfälle, wie die Polizei das unvorsichtige Öffnen einer Autotür nennt, können jeden Radfahrer treffen. Im vergangenen Jahr registrierte die Polizei 120 solcher Unfälle, meist waren Radfahrer die Leidtragenden, in zehn Fällen traf es allerdings auch Nutzer von E-Scootern.

Mit dem Sturz auf den Asphalt der Bonner Straße ist der Unfall an einem Abend im November für den Mann mit dem Rennrad allerdings noch nicht beendet. Richtig benommen sei er gewesen, berichtet er. Noch bevor er sich aufrappeln konnte, seien plötzlich die Scheinwerfer des Wagens angegangen, die Fahrerin gab Gas, wendete und verschwand. Unfallflucht. „Ein junger Mann hatte das Geschehen beobachtet und kam sofort zu mir gelaufen. Er meinte: Der Wagen steht da vorne an der Döner-Bude, den hole ich mir“, erzählt der Radfahrer. Was dann geschieht, hat ebenfalls Spuren hinterlassen.

Radfahrer von Autotür getroffen: Kölner Unfallopfer wird wild beschimpft 

Statt einer Entschuldigung oder einer vorsichtigen Nachfrage nach seinem Befinden, ergießt sich eine Schimpftirade über den Radfahrer. Der Beifahrer des Fahrzeugs, der den Sturz durch das Öffnen seiner Tür verursacht hatte, fängt schon von Weitem an zu brüllen. „Als Rassist und Ausländerhasser hat er mich beleidigt und gemeint, ich zöge eine Riesenshow ab“, schildert der Radfahrer die Ereignisse. Wie die Polizei auf Nachfrage der Rundschau mitteilt, hat der Beifahrer einen irakischen Pass. Anschließend sei er auch auf eine junge Frau – eine weitere Zeugin – losgegangen, die beschwichtigend auf den Mann zugegangen war.

Schutz vor Dooring – Erste technische Warnsysteme

1470 Verletzte durch Autotüren

1470 Verletzte hat die Kölner Polizei in den vergangen zehn Jahren bei Unfällen wegen unvorsichtig geöffneter Fahrzeugtüren registriert. Das Phänomen ist nicht neu. Das probateste Mittel zur Vermeidung dieser Situationen ist der Schulterblick. Kommen Radfahrer zu Schaden, sind Autofahrer meist zur Zahlung von Schadenersatz und Schmerzensgeld verpflichtet. „Wer ein- oder aussteigt, muss sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer am Verkehr Teilnehmenden ausgeschlossen ist“, heißt es in Paragraf 14 der Straßenverkehrsordnung.

Zwei Autohersteller haben erste Fahrzeugtypen mit einem Warnsystem ausgestattet, um sogenannte Dooring-Unfälle zu verhindern. Sensoren überwachen den Bereich neben und seitlich hinter dem Fahrzeug. Mercedes setzt bei seiner A-Klasse auf ein audiovisuelles Warnsystem. Öffnen Fahrerin oder Fahrer die Tür, ertönt ein Piepton und ein rotes Dreieck leuchtet im Seitenspiegel auf.

Audi setzt auf verzögerte Türöffnung

Audi setzt bei seinem A6 auf einen Widerstand beim Türöffnen. Bei drohender Gefahr wird das Öffnen der Tür durch ein elektronisches System um eine knappe Sekunde verzögert. Autofahrer werden in solchen Fällen zwar nicht am Aussteigen gehindert, aber durch das leichte Blockieren der Tür auf die Gefahrensituation nachdrücklich aufmerksam gemacht. Auch hier erscheint zusätzlich ein rotes Licht im Außenspiegel als zusätzliche Warnung.

Der ADFC empfiehlt Radfahrern vor allem in Städten, möglichst in der Mitte der Fahrbahn zu fahren. Zwar gelte generell das Rechtsfahrgebot für Radler, jedoch müsse man nicht so weit rechts fahren, dass es eine Gefahr darstellt. (tho)

Als die Polizei und ein Rettungswagen eintreffen, beruhigt sich der Beifahrer ein wenig. Die Beamten lassen ihn die Autofahrerin anrufen, seine Freundin. Sie hatte sich in der Zwischenzeit entschieden, den Ort des Unfalls zu verlassen. Was dann geschah, hat sich der Radfahrer später von der Zeugin erzählen lassen.

Erst als eine Polizistin dem jungen Mann das Handy abnimmt und die Fahrerin eindringlich auffordert, sofort zurückzukommen, zeigt diese sich kooperationsbereit. Die Ermittlungen laufen auch heute, mehr als zwei Monate nach dem Unfall, noch. Die Polizei hat ein Verfahren wegen Verkehrsunfallflucht und eines Unfalls mit Personenschaden eingeleitet.

Besser sichtbar: Kölner Radfahrer setzt auf Warnweste in Dunkeln

Mehrere Tausend Kilometer sitzt der 54-jährige Radfahrer jedes Jahr im Sattel seines Rennrads. Ein Auto hat er nicht, das Rad ist sein Hauptfortbewegungsmittel. „Ich behaupte von mir, vorausschauend zu fahren. Aber ich fahre immer mit der Sorge durch die Stadt, gleich könnte plötzlich eine Tür aufgehen“, schildert der Mann seine Erfahrungen. Um auch bei Dunkelheit für andere Verkehrsteilnehmer gut sichtbar zu sein, trägt er auf dem Rad eine Warnweste. „Außerdem achte ich penibel auf die Verkehrstüchtigkeit“, erzählt er. Doch als sich die Beifahrertür auf der Bonner Straße öffnete, war er ohne Chance.

„Du fühlst dich richtig elend“, schildert der verunglückte Radfahrer seine Empfindungen nach dem Sturz. Im Rettungswagen, den die Polizei automatisch verständigt hatte, wurde er von den Rettern durchgecheckt. Im Krankenhaus gingen die Kontrollen weiter, erst gegen Mitternacht durfte er die Klinik verlassen. Äußerlich hat er den Unfall bis auf ein paar Schürfwunden unbeschadet überstanden, doch auch die Psyche leidet nach einem solchen Erlebnis. „Manche Radfahrer steigen nach einem solchen Erlebnis wochenlang nicht mehr aufs Rad. Solch ein Unfall sorgt für ein Gefühl der Unsicherheit“, sagt ein Verkehrsexperte.

Der 54-jährige Vielfahrer saß kurz darauf wieder im Sattel. Im Frühsommer würde er gerne beim Jedermann-Rennen des Rad-Klassikers „Rund um Köln“ starten, zuletzt hat er auf der Insel Rügen an einem solchen Wettbewerb teilgenommen.

Sommer 2020: Dooring-Unfall in Köln endet tödlich

Nicht immer enden solche Unachtsamkeiten glimpflich. Vorigen Sommer ereignete sich erstmals in Köln ein Dooring-Unfall mit tödlichem Ausgang. Auf der Luxemburger Straße in Klettenberg hatte ein Mercedes-Fahrer (71) die Tür geöffnet und dadurch eine Radfahrerin (81) zu Fall gebracht. Kurz darauf erlag die Frau im Krankenhaus ihren schweren Kopfverletzungen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Ein Schulterblick reicht, um solches Leid zu verhindern. Autofahrern wird empfohlen, den Türgriff mit der rechten statt der linken Hand zu öffnen. Bei diesem so genannten „niederländischen Griff“ blickt man automatisch nach hinten. Erste Autohersteller versuchen sich jetzt auch an technischen Hilfen.

Rundschau abonnieren