Der Nahost-Konflikt macht auch vor Superstars nicht halt, die sich eigentlich immer korrekt verhalten wollen. Chris Martin sieht sich Antisemitismus-Vorwürfen ausgesetzt.
Chris Martin zu israelischen Fans„Behandle euch als gleichberechtigte Menschen“ – Kritik an Coldplay-Sänger

Chris Martin von Coldplay auf der Bühne des Wembley-Stadions. Martin bat am Sonntag zwei Mädchen auf die Bühne – und machte eine mindestens ungeschickte Bemerkung.
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Coldplay spielen derzeit eine ganze Konzert-Serie im Londoner Wembley-Stadion. Insgesamt zehn Termine ihrer „Music of the Spheres World Tour“ stehen bis zum 12. September auf dem Programm. Eigentlich gelten die Briten als absolute Konsens-Band, die sich mit kritischen Aussagen zurückhält. Sie beziehen politisch Position für die Ukraine und engagieren sich für Umweltschutz, allerdings vermeidet Sänger Chris Martin jegliche Form der Polarisierung.
Für ihren Gig am Sonntagabend (31. August) erntet die Band allerdings nun heftige Kritik, es steht sogar der Vorwurf des Antisemitismus im Raum. Der Hintergrund: Chris Martin holte wie so oft zwei Fans auf die Bühne. Er fragte die beiden jungen Frauen mit Namen Avia und Tal oder Gal, woher sie kämen. Die Antwort war Israel. Die Reaktionen im Publikum waren gespalten, es gab sowohl Applaus als auch Buhrufe von den 90.000 Fans.
Chris Martin, der am Klavier saß, wirkte unbehaglich. Er bemühte sich offenbar um ein versöhnliches Statement und sagte:
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„Okay, hört zu – ich bin sehr dankbar, dass ihr als Menschen hier seid, und ich behandle euch als gleichberechtigte Menschen, unabhängig davon, woher ihr kommt“, sagte der Sänger („I am very grateful that you are here as humans and I'm treating you like humans on earth regardless of where you come from or don't come from“). Danach fühlte sich Martin noch in der Pflicht, auch Worte an die vermeintliche „Gegenseite“ zu richten: „Auch wenn es vielleicht umstritten ist, möchte ich auch Menschen aus Palästina im Publikum willkommen heißen“, sagte der 48-Jährige weiter.
Er bedankte sich bei den beiden jungen Frauen und lenkte dann mit Verweis auf deren schöne Augen schnell auf den Song „Green Eyes“ seiner Band ab.
Antisemitismus-Vorwurf gegen Chris Martin
Chris Martin wird nun heftig dafür kritisiert, dass er die beiden jungen Frauen durch die Bemerkung zu Palästina in einen politischen Kontext setzte. Die beiden seien als Fans zum Coldplay-Konzert gekommen und hätten nichts zu tun mit der Regierung ihres Landes, deren Vorgehen gegen die Bevölkerung in Gaza weltweit Empörung hervorruft. Besonders übel stößt an Martins Bemerkung auf, er würde sie „als gleichberechtigte Menschen behandeln“. Dies sei absolut zynisch und antisemitisch, meinen viele.
„Warum mussten die Israelis daran erinnert werden, dass sie wie Menschen behandelt werden? Sind die Israelis nicht schon Menschen? Genau mit dieser Entmenschlichung werden Juden immer wieder konfrontiert“, heißt es auf dem X-Account der pro-israelischen Organisation Creative Community for Peace. Bei Menschen anderer Nationalität wären solche Worte niemals gefallen, so der Tenor.
Der israelische Autor und Influencer Hen Mazzig will Martin keine böse Absicht unterstellen. Dieser habe zunächst nur versucht, die Menge zu beschwichtigen. Dennoch habe er am Ende doch die beiden jungen Frauen zu „politischen Schachfiguren in einem Konflikt“ und zu Zielscheiben gemacht. Schließlich habe jeder Mensch hat das Recht zu existieren, ohne dass seine Identität auf einen Krieg reduziert wird, für den er oder sie nicht verantwortlich sei.
Auch der amerikanisch-israelische Unternehmer Yaron Samid zeigte sich enttäuscht über Coldplay. Seit vielen Jahren seien er und seine Frau Fans der Band und folgten ihr zu Konzerten in aller Welt. Was aber am Sonntag in Wembley geschehen sei, schmerze ihn maßlos. Martins Äußerungen seien ein „taktloser Fehltritt“, schreibt Samid bei X. Die Worte Martins schienen die „wachsenden Vorurteile gegenüber der israelischen Bevölkerung“ zu zeigen.
Samid weist auf die unmenschliche Brutalität hin, unter der Israelis während des Hamas-Angriffs am 7. Oktober 2023 gelitten hätten und noch immer leiden würden. Chris Martin fordert er auf, über seine Worte nachzudenken: „Du bist besser als das. Zumindest dachte ich das“, endet der Post.
Coldplay-Fans aus Israel wollten erst andere Herkunft angeben
Die Zeitung „Times of Israel“ zitiert das Interview eines Senders mit den beiden Fans. Sie hätten sich tatsächlich kurz überlegt zu sagen, dass sie aus Malta kämen, erzählen die beiden Frauen, denen die möglichen Reaktionen offenbar bewusst waren. Sie konnten und wollten aber nicht lügen und hätten auf Martins Frage nach ihrer Herkunft wahrheitsgemäß „Israel“ gesagt.
Bei früheren Konzerten hatte sich Chris Martin immer um ausgewogene Worte bemüht, wenn er israelische und palästinensische Flaggen im Publikum sah. Es mache ihn „glücklich, dass beide Gruppen kommen können“, hatte der Sänger Anfang des Sommers gesagt. Am Sonntag gingen seine sicherlich versöhnlich gemeinten Worte allerdings nach hinten los.