Interview mit Kölner Musiker Tom Gaebel„Ich musste mich als Sänger erst finden“

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Tom Gaebel

  • Tom Gaebel & His Orchestra werden 15 Jahre alt, am 27. November erscheint ein Best Of-Album der Musiker.
  • Susanne Schramm sprach mit dem 45-jährigen Bandleader und Sänger über Anfänge, Umbrüche und Aufbrüche.

Was verschlägt sie nach Ehrenfeld, Herr Gaebel? Eigentlich ist der Grund ein bisschen traurig. Wir, meine Frau und ich, haben ein supercooles Haus außerhalb von Köln gefunden, einen Bungalow aus den 1960er-Jahren. Der ist nicht rechtzeitig fertig geworden, aber wir mussten aus der alten Wohnung raus und was für zwischendurch suchen. Wir dachten uns: „Da gehen wir mal richtig schön nach Ehrenfeld,, mitten in die Stadt, und genießen hier für ein, zwei Monate das Leben.“ Wir sind zum 1. November in die Wohnung in Ehrenfeld rein und konnten noch einmal essen gehen – das war’s. Ich wollte auch körperlich so richtig durchstarten, jeden Tag ins Fitness-Studio gehen und hinterher aussehen wie ein junger Gott, Das fällt nun alles flach…

Und nicht nur das….

Ja, auch den Start unserer Jubiläumstour mussten wir ins kommende Jahr verschieben. Wir geben, so das denn möglich sein wird, im Dezember noch drei Weihnachtskonzerte, in Düsseldorf, in Köln und in Ibbenbüren.

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Tom Gaebel

In Köln spielen wir am 20. Dezember im Theater am Tanzbrunnen. Wir bibbern und zittern uns gerade von Auftritt zu Auftritt – und hoffen ansonsten auf das neue Jahr.

Fehlen Ihnen die Präsenz aufr der Bühne und das Unterwegs-Sein?

Tatsächlich ist mir in den letzten Monaten sehr bewusst geworden, wie sehr mir das fehlt. Am Anfang, im März, im April und im Mai, fand ich die Konzertpause noch ganz schön, Ich war gezwungen, viel hier zu sein und bin wieder rein ins Studio. Immer wenn ich mit der Band telefoniert habe, haben wir uns gesagt: ,Ab Herbst geht es wieder los!“ Aber das war im Frühjahr. Jetzt könnte ich mir nichts Besseres vorstellen, als dass es tatsächlich wieder losgeht.

Macht Ihnen Corona Angst?

Komischerweise gar nicht. Das mag naiv sein, aber persönlich hatte ich nie das Gefühl, mir kann etwas Schlimmes passieren. Natürlich weiß ich, dass es auch schlimme Fälle gibt, aber das, was ich empfinde, ist nichts, was auf Ratio basiert. Natürlich tue ich das Nötige, so wie alle anderen. Ich finde es auch nicht schlimm, mit der Maske einkaufen zu gehen.

Das Album

21 Stücke, darunter sechs Wiederaufnahmen und vier bislang noch unveröffentlichte Songs, halten, was der Titel verspricht. Das Potpourri reicht von Klassikern wie Sinatras „I’m Sitting On The Top Of The World“ vom Debüt „Introducing: Myself“ (2005) bis zu Eigenkompositionen wie „Feels Like Home“ (2018). Dabei tritt die gesamte Bandbreite von „Dr. Swing“ zutage. Nina Simones „My Baby Just Cares For Me“ covert er ebenso selbstverständlich wie „Highway To Hell“ von AC/DC, und mit einer deutschen Version von „Quando, Quando, Quando“ zeigt er, dass er keine Schlager-Berührungsängste hat.

Die Wiederaufnahmen bestechen durch brillante Qualität. Als Musterbeispiel für den „Easy Listening“ -Sektor kann man das Album bedenkenlos durchhören und sich von Gaebels Crooner-Stimme und der Verve seiner Musiker verführen lassen. (sus)

The Best of Tom Gaebel, Tomofon Records (Rough Trade), VÖ: 27.11.

Wobei Letzteres ja auch Vorteile haben kann, wenn man prominent ist..

In meinem Fall überhaupt nicht. Weil ich nicht im Anzug einkaufen gehe, hat mich auch vor Corona, ohne Maske, kaum jemand erkannt.

Ihr Orchester und Sie feiern in diesem Jahr 15. Jubiläum. Wie denken Sie an sich und an das Jahr 2005 zurück?

2005 war für mich der Urknall, mit dem meine Karriere begonnen hat. Lustigerweise hat mir gerade jemand aus der Band Fotos von damals geschickt und wir mussten so lachen, als wir die angeschaut haben: „Mein Gott, waren wir Kinder – und man hat uns auf Tour geschickt!“ Das ging alles so schnell und ratzfatz, ich war da ein Stück weit noch hinter mir selbst hinterher. Ich musste noch eine Menge lernen, mich als Sänger erst richtig finden. Ich würde nicht sagen, dass ich die Zeit heute mehr genieße, aber ich bin heute viel sicherer als damals.

Trauern Sie eigentlich tropzdem den alten Zeiten manchmal nach?

Ich bin eigentlich ganz zufrieden damit, wie es ist. Aber ich kann auch sehr melancholisch sein. Dann sage ich zu meiner Frau: „Jetzt ist gerade so ein Moment, da werd’ ich in zwei Jahren sehnsüchtig dran zurückdenken!“ Wenn was Schönes passiert, dann bekommt man das oft gar nicht richtig mit.

Im Vorfeld zum Best Of-Album haben Sie eine Coverversion von F.R. Davids „Words“ veröffentlicht..

Das Stück ist eine meiner ersten Erinnerungen an die 1980er-Jahre. Das lief, als ich sieben Jahre alt war, auf der Kirmes am Autoscooter. Ich habe mitgesungen, aber statt „Words don’t come easy“ „Don Kamisi“ verstanden. Ich dachte, es geht um einen Mann, der mit Vornamen Don und mit Nachnamen Kamisi heißt.

Würden Sie auf Kölsch singen?

Das habe ich schon, auf dem Album, das zum 50. Geburtstag der Bläck Fööss erschienen ist. Aber ,Frankreich, Frankreich“ ist nicht ganz so heftig. Kölsch ist gar nicht so leicht zu singen. Ich versuche, das zu imitieren, aber ich kann das nicht so gut. (Lacht) Ich weiß nicht, ob ich mir damit viele Freunde mache. Aber: Das Kölsche hat auf jeden Fall etwas sehr Gesangliches.

Konzert: 20. 12., 20 Uhr, Theater am Tanzbrunnen

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