Kulturpaten in KölnProjekt bringt Künstler und Profis aus der Wirtschaft zusammen

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Kulturpaten

Selma Gültoprak konnte ihre Kunst-Bushaltestellen mit Hilfe des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt aufstellen.

Köln – Kunst kommt von Können - doch Künstler sind nicht unbedingt Alleskönner. Wer als Theaterleiter/in ein scharfes Auge für Schauspielerführung hat, ist womöglich für Buchführung oder Website-Design nicht gleichermaßen talentiert. Guter Rat wäre da teuer, wenn es nicht die Kölner Kulturpaten e.V. gäbe. Seit der Gründung im Jahr 2003 hat der Verein bislang knapp 1000 Patenschaften von Wirtschaftsexperten für die freie Szene vermittelt.

"Werkstatt" als Kontaktbörse

Die Hilfe kann vielfältig sein. So besorgte das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt den Auf- und Abbau von Angie Hiesls Wassertreppe im Rheinauhafen und unterstützte im letzten Jahr Selma Gültoprak bei der Installation ihrer Kunst-Bushaltestellen. Wenn der Sängerin Nicola Müllers Kostüme für ein Solo fehlen, wird eine Schneiderin verpflichtet.

Von einer "Win-Win-Situation" spricht Gerd Conrads als erster Vorsitzender des Vereins, und Projektleiterin Claudia Bleier gibt ihm recht: "Wenn der Geldaspekt wegfällt, tun sich ganz neue Beziehungsformen auf." Das von Kölner Freiwilligen-Agentur, Industrie- und Handelskammer sowie der Stadt getragene gemeinnützige Projekt entschädigt die unentgeltlich arbeitenden Paten vor allem mit tiefen Einblicken in eine oft fremde Welt.

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Sowohl Paten wie deren "Schützlinge" können sich für solche Beziehungen bewerben. Aktuell sucht etwa das theater-51grad nach geeigneter PR-Strategie, während das Kölner Künstler Theater sich von einer findigen Schreinerei gern eine originelle Spenden-Sammelbahn ins Foyer bauen ließe. Und bei den "Werkstätten" können die Urheber ausgewählter Projekte wie auf einer Kontaktbörse mit Unterstützern ins Gespräch kommen.

"Oft beginnen die Probleme, wenn's künstlerisch gut läuft", weiß Claudia Bleier. Denn die Selbstdarstellungs-, Vermarktungs- und Organisationsfähigkeiten wachsen nicht automatisch mit. So konnte etwa ein Kammermusikensemble das vermittelte Führungskräfte-Coaching gut gebrauchen. Website- und Logo-Design sind häufige Wünsche etwa von Theatern, doch zum Renner hat sich die monatlich stattfindende Unternehmensberatungsstunde für KünstlerInnen gemausert. Hier geben der ehemalige Ford-Geschäftsführer Wolfgang Schneider sowie der renommierte Steuerberater Michael Bollinger wahrhaft geldwerte Tipps.

Conrads schätzt, "dass die Patenschaften im Durchschnitt bis zu 4000 Euro kosten würden, wenn die Leistungen auf dem freien Markt eingekauft werden müssten. Bei etwa 40 Patenschaften im Jahr wäre das ein materieller Wert von bis zu 160 000 Euro jährlich". Die Stadt Köln übernimmt die Personalkosten für die Projektleiterin Claudia Bleier (20 400 Euro im Jahr) sowie die Sachkosten für das Büro im Kulturdezernat.

Workshops als neues Format

Als vergleichsweise junges Paten-Format reüssieren die Workshops. Und wenn nun Werbeprofi (und "Fassbrause"-Erfinder) Andreas Huse am 23. Februar über Marketing-Kommunikation spricht, sind die 15 Teilnehmerplätze natürlich längst vergeben. Dennoch sucht der Verein in einer extrem schnelllebigen Welt neue Vermittlungsformen. Dabei soll der mit 2222 Euro dotierte Innovationspreis der Peter Moennig Foundation Initialzündungen für die Problemlösungen von morgen geben.

Schon jetzt wird bei einer gemeinsamen Evaluation mit der Universität zu Köln untersucht, was das Projekt für die Geförderten und die Kulturszene leistet. Erstes Ergebnis einer Online-Befragung: 75 Prozent der Teilnehmenden könnten sich eine Wiederholung vorstellen, weit mehr als zwei Drittel der Beratenen fanden die Unterstützung "ziemlich bis sehr hilfreich". Die Vermittlung durch Kulturpaten e.V. erntet gar eine Zufriedenheitsquote von 88 Prozent.

Zurückhaltende Schützlinge

Ein unglücklicher Verlauf der Patenschaft sei höchst selten, sagt Gerd Conrads. Die Rahmenbedingungen sind ohnehin in einer "Verpflichtungserklärung" festgehalten. Über Ausbeutung habe sich bislang kein Pate beklagt. Eher sei mancher verblüfft über die noble Zurückhaltung der Schützlinge. "Die rufen ja gar nicht an", wundern sich Experten, die aus ihren Firmen wohl anderes gewöhnt sind.

Und offenbar sieht nicht nur Claudia Bleier den besonderen Reiz des Projekts darin, "Menschen zusammenzubringen, die sich sonst wohl nie begegnet wären".

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