Vier Teile, 198 Minuten lang: Robbie William lässt in einer neuen Netflix-Dokumentation tief blicken.
Netflix-Doku über Robbie WilliamsWie der Superstar seine Dämonen bekämpft
Nachts kommen die Dämonen – immer noch. Obwohl Robbie Williams mittlerweile glücklich verheiratet und vierfacher Familienvater ist, halten ihn die Auswirkungen seiner wilden Zeiten nächtelang wach. Nun will er die Geister der Vergangenheit in ihren Bann schlagen – und was eignet sich für einen Popstar seines Formats da besser – Harry und Meghan haben's vorgemacht – als eine vierteilige, mehr als dreistündige Netflix-Dokumentation?
Das Prinzip ist simpel: Der inzwischen reichlich angegraute Robbie sichtet Videos seines jüngeren Selbst – und kommentiert, was er dort zu sehen bekommt. Dass er sich dabei meist in schwarzer Unterwäsche auf einem Bett räkelt, ist wohl seinem Selbstverständnis seiner Public Persona geschuldet, schon bei Take That übernahm er die Rolle des bösen Buben. Die rauen Kanten und die Ausfälle gehören zum Image, praktisch als Gegengewicht zu eingängigen Hits wie „Angels“, „Millennium“ oder „Feel“.
Seit 1990 ist Williams im Geschäft, da hat sich reichlich Filmmaterial angesammelt. Vieles davon sind ganz private Aufnahmen, entstanden backstage, in Hotelzimmern, zu Hause oder auch im Urlaub. Immer scheint eine Kamera in der Nähe, manchmal filmt der heute 49-Jährige selber oder überlässt es Freunden, mit denen er unterwegs ist.
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Der Eindruck entsteht, als seien die Aufnahmen mit dem Gedanken im Hinterkopf entstanden, sie irgendwann für eine Dokumentation zu verwenden. Denn während es für Prominente heute Usus ist, mit Filmchen via Instagram oder TikTok öffentlich zu agieren, galt das nicht für die Neunziger und Nullerjahre.
So kann man Robbie Williams dabei beobachten, wie er mit Guy Chambers Songs schreibt, die später große Erfolge werden, aber auch wie er sich zum Alkoholentzug in eine Reha-Klinik begibt. Es gibt wirre Videobeichten, die nach der Einnahme von Medikamentencocktails entstanden sind, oder auch die Versuche von tiefsinnigen Gesprächen mit seiner zeitweiligen Freundin und Ex-Spice Girl Geri Helliwell darüber, wie es wäre, nicht mehr berühmt zu sein.
Die Kamera ist auch dabei, wie er vor einem Konzert einen Arzt anbettelt, ihm aufputschende Steroide zu spritzen, während eine Assistentin versucht, ihn davon abzuhalten. Später hört man Mitglieder seiner Entourage johlen, als die Spritze zum Einsatz kommt.
Ja, viele Szenen berühren, manche gehen an die Nieren. Robbie Williams inszeniert sich als Schmerzensmann mit Bodenhaftung, dem Druck der Branche ausgesetzt, im ständigen Kampf gegen Depressionen. Doch geschah alles unfreiwillig? Oder spielt auch die Sucht nach Ruhm und noch mehr Ruhm eine Rolle? Regisseur Joe Pearlman gibt zwar aus dem Off Stichworte, wirklich kritische Fragen stellt er nicht.