Wettlauf mit der ZeitWie schnell lassen sich Impfstoffe auf Mutanten einstellen?

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Symbolbild

Der Impfstoff von Astrazeneca war einmal ein großer Hoffnungsträger: AZD 1222 sollte früher zugelassen werden als alle anderen und wegen des einfachen Handlings der Impfstoff für die Massen sein. Die Euphorie ist gewichen. In Deutschland stellt die Impfverordnung seit Montag klar: Astrazeneca wird nur an Menschen zwischen 18 und 65 Jahre verimpft. In der Schweiz ist der Impfstoff gar nicht zugelassen. Und in Südafrika wurden die Impfungen nun gestoppt: Das Land reagierte damit auf eine aktuelle Studie der Universitäten Oxford und Witwatersrand. Danach bietet das Vakzin bei der südafrikanischen Coronavirus-Variante B.1.351 nur „minimalen“ Schutz vor milden Infektionen, teilten die Universitäten mit.

Das heißt: Auch Geimpfte können sich infizieren. „Diese Studie bestätigt, dass das Coronavirus wie vermutet Wege findet, sich in geimpften Bevölkerungsgruppen auszubreiten“, sagte Andrew Pollard, Forscher der Uni Oxford, die den Impfstoff zusammen mit Astrazeneca entwickelt hat.

Was also taugt AZD 1222? Es kommt darauf an, welche Virusvarianten in einem Land vorherrschen. Die Zulassungsstudien wurden 2020 in Großbritannien und Brasilien durchgeführt. Gegen die damals dort herrschenden Coronaviren wies der Impfstoff je nach Dosierung eine Wirksamkeit zwischen 62 und 90 Prozent auf. Die Wirksamkeit bezog sich auf die Verhinderung der Covid-Erkrankung an sich und die Verhinderung schwerer Verläufe oder Klinikaufenthalte. In Großbritannien hat sich mittlerweile aber die Coronavirus-Variante B.1.1.7 ausgebreitet.

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Wirksam gegen die britische Mutante

Und auch gegen diese so genannte britische Variante soll nach Aussagen der britischen Regierung der Astrazeneca-Impfstoff wirksam sein. Die Südafrika-Variante ist dagegen dort bislang kaum verbreitet, was auch erklärt, warum die Briten Astrazeneca weiterhin für einen erfolgreichen Impfstoff halten. Doch wenn die Südafrika-Variante sich ausbreitet, bekommt auch Großbritannien ein Problem. Grundsätzlich sind Impfstoffe aber flexibel: Sie lösen die Bildung von Antikörpern aus, die auf bestimmte Teile der Viren (Antigen) reagieren. Zum Problem werden Mutationen für die Impfung erst dann, wenn sie sich zu stark vom Ursprungsvirus unterscheiden. Dann können die Antikörper, deren Bildung durch den Impfstoff angeregt wird, nicht mehr an den Viren andocken. Und dies könnte bei der südafrikanischen Variante B.1.351 der Fall sein.

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Aber selbst dann könnte sich eine Impfung noch lohnen – wenn sie dazu beiträgt, schwere oder tödliche Verläufe zu verhindern. Dann schwächt sie die Erkrankung wenigstens ab. Hierzu haben sich die Oxford-Forscher aber noch nicht geäußert. Wie sieht es mit Biontech aus? Der Impfstoff von Biontech schützt offenbar sowohl vor den in Großbritannien als auch in Südafrika entdeckten Corona-Varianten. Das jedenfa lls geht aus einer Laborstudie des Herstellers Pfizer hervor, der mit Biontech kooperiert. Allerdings steht die Begutachtung durch externe Wissenschaftler noch aus. Schon im Dezember hatte sich Biontech-Chef Ugur Sahin zuversichtlich gezeigt: Man habe den Impfstoff bereits gegen 20 Virusvarianten getestet, und stets habe der Impfstoff eine Immunantwort ausgelöst, die die Viren inaktiviere.

Todesfälle trotz zweifacher Impfung

Die Wirksamkeit des Biontech-Impfstoffs liegt laut Zulassungsstudien bei 95 Prozent. Aber auch das bedeutet keinen Vollschutz: Zum einen wurde die Zulassungsstudie durchgeführt, als die südafrikanische Variante noch keine Rolle spielte. Zum anderen sind 95 Prozent nicht 100 Prozent. Bei einer Million Geimpften können sich auch dann noch 50.000 infizieren. Das erklärt auch, warum es in deutschen Heimen trotz zweifacher Impfung zu Todesfällen kam. Doch selbst bei starken Mutationen ist nicht alles vergeblich. Denn Impfstoffe lassen sich verändern. Der Grippe-Impfs toff etwa wird Jahr für Jahr modifiziert, um sich an das sich Jahr für Jahr verändernde Influenza-Virus anzupassen. Biontech etwa ist zuversichtlich, seinen Impfstoff bei künftigen Varianten, gegen die der aktuelle Impfstoff mal nicht wirkt, anpassen zu können. Die Frage ist, wie schnell Astrazeneca anpassen könnte.

mRNA kann schneller angepasst werden

Das britische Vakzin ist ein Vektorimpfstoff, der auf dem Erkältungsvirus von Affen basiert, auf das dann der Mensch Antikörper bildet. Biontech und Moderna setzen dagegen auf die Botenstoffe mRNA, bei denen der Körper erst einmal selbst die Antigene produziert. Der Impfstoff auf Basis des Botenmoleküls mRNA könne prinzipiell schnell an neue Varianten angepasst werden, sagte Sahin im Dezember. Aber auch bei Vektorimpfstoffen ist man zuversichtlich.

Die Frage ist jedoch, wie schnell die Anpassung erfolgt. Warten bis Herbst, wäre keine gute Perspektive. Oxford-Forscher Pollard verwies jedoch auf „ermutigende Ergebnisse“ anderer Studien aus Südafrika, in denen ein Vektorimpfstoff verwendet wurde und bei dem schwere Krankheitsverläufe verhindert werden könnten. Johnson&Johnson etwa setzt ebenfalls auf einen Vektor-Impfstoff und arbeitet derzeit an der Zulassung in Europa. Am Ende ist es ein Wettrennen gegen die Zeit: Wer ist schneller – das Virus mit der Entwicklung neuer Mutationen oder die Impfstoff-Hersteller mit der Veränderung ihrer Vakzine?

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