Mehr Neuinfektionen in NRWExperten befürchten hohe Ausfallquoten beim Klinikpersonal

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Impfung gegen Corona

Berufliche Risiken, Vorerkrankte in der Familie: Es gibt viele Gründe, warum eine Impfung sinnvoll ist.

Düsseldorf – Pünktlich zum Herbst bringt sich die Corona-Pandemie in Erinnerung, und die Fragen rund ums Impfen und mögliche Schutzmaßnahmen werden wieder aktueller. Derzeit ist die Situation nicht kritisch, aber Gesundheitsbehörden, Mediziner und Klinikbetreiber sind sensibilisiert. Ein Überblick über die Lage.

Wie stellt sich das Infektionsgeschehen dar?

Die Zahl der Neuinfektionen pro Woche und 100.000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) stieg in Nordrhein-Westfalen innerhalb von vier Wochen von etwa 250 auf rund 640. Dabei ist die Lage regional unterschiedlich, auch innerhalb des Ruhrgebietes. Das Landeszentrum Gesundheit meldete am Mittwoch zum Beispiel für Mülheim eine Inzidenz von 388. Hagen lag bei 542, Essen bei 807, Duisburg bei 966. Die Landeshauptstadt Düsseldorf nähert sich ebenfalls einer Inzidenz von 1000 an.

Die Dynamik der Entwicklung lässt sich am Beispiel Dortmund ablesen. Die Inzidenz von Mittwoch war dort 600, am 5. Oktober wurde ein Wert von 345 ermittelt, am 26. September ein Wert von 273.

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Wie ist die Lage in Köln?

In Köln behandeln die Krankenhäuser laut Angaben der Stadt aktuell 259 Patienten mit dem Coronavirus stationär, 39 davon auf der Intensivstation. Die Zahlen steigen seit Mitte September in sind aktuell so hoch wie zuletzt im Juli, vom Höchststand im Februar aber noch weit entfernt. In den Kliniken der Stadt Köln käme der Großteil der Patienten mit und nicht wegen Corona in die Klinik, sagte Kliniken-Geschäftsführer Professor Axel Goßmann, zuletzt im Interview mit der Rundschau.

Die Zahl der infizierten Patientinnen und Patienten in den Kliniken steige aktuell, teilte eine Sprecherin am Mittwoch auf Anfrage mit. Dementsprechend wachse auch der Anteil der Patienten, die intensivmedizinisch behandelt werden müssten.

„Nach den Herbstferien rechnen wir mit weiter steigenden Infektionszahlen – auch im eigenen Team“, sagte die Sprecherin. So könne es im Herbst und Winter durch die Quarantänezeiten zu deutlichen Personalausfällen kommen. „Sollte sich aufgrund mangelnden Impfschutzes zusätzlich eine starke Influenza-Welle entwickeln, kann dies eine weitere Herausforderung für Krankenhäuser bedeuten.“ (sim)

Diese Angaben liefern allerdings nur ein sehr unvollständiges Bild der Infektionszahlen. Experten gehen von einer hohen Zahl nicht vom Robert-Koch-Institut (RKI) erfasster Fälle aus - vor allem weil bei weitem nicht alle Infizierten einen PCR-Test machen lassen. Nur positive PCR-Tests zählen in der Statistik. Das heißt, dass sich viel mehr Menschen mit Covid-19 infizieren als offiziell bekannt.

Was sagt die NRW-Landesregierung?

Aus Sicht des NRW-Gesundheitsministeriums ist die Lage „zwar angespannt, aber beherrschbar“. Die Regierung sieht aktuell noch keine Notwendigkeit für zusätzliche Schutzmaßnahmen. Das Infektionsgeschehen werde sehr genau beobachtet. Inwiefern die weitere Infektionsentwicklung Auswirkungen auf die zukünftige Coronaschutzverordnung hat, könne noch nicht gesagt werden. „Wichtig ist jetzt, dass die Menschen ihren Impfstatus überprüfen und mit den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission abgleichen“, sagte Minister Karl-Josef Laumann (CDU). Impfen schütze vor schweren Krankheitsverläufen

Wie bewerten Kliniken die Situation?

Obwohl inzwischen große Teile der Bevölkerung geimpft und „geboostert“ sind, zeigen sich die Kliniken alarmiert über die steigende Zahl der Corona-Ansteckungen seit Beginn der kühleren Jahreszeit. „In ganz Deutschland steigen die Fallzahlen, auch die Intensivstationen verzeichnen mehr positive Fälle“, sagt Prof. Sebastian Voigt, Virologe am Uniklinikum Essen, dieser Redaktion. Dabei sei aber nicht immer klar zu trennen, ob es sich um Corona-Patienten handelt, oder um Infizierte, bei denen neben ihrer Haupterkrankung auch eine Covid-19-Infektion diagnostiziert wurde.

Auch am Essener Klinikum steigt die Zahl der Corona-Fälle. Derzeit befinden sich nach Angaben des Klinikums 78 Covid-19-Patienten in stationärer Behandlung, davon etwas mehr als die Hälfte (43) mit einem Nebenbefund. Vor einer Woche waren es noch 61 Patienten, vor einem Monat 58. Auf den Intensivstationen des Klinikums werden aktuell 19 Corona-Patienten behandelt, vor einer Woche waren es lediglich elf, vor einem Monat 15, so das Klinikum.

Gibt es genügend Personal in den Krankenhäusern?

Aus dem Klinikum Essen heißt es, derzeit seien 59 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Quarantäne, wovon auch die personalintensiven Intensiv- und Anästhesiebereiche betroffen seien. Vor einem Monat registrierte das Klinikum nur 27 Quarantänefälle. Hinzu kämen Erkrankungen und Ausfälle durch Grippe (Influenza) und grippale Infekte, deren Erreger sich derzeit ausbreiteten.

Wie wichtig sind die Impfungen?

Prof. Sebastian Voigt betont, dass angesichts der Entwicklung eine Corona-Impfung weiterhin wichtig sei. Sie verhindere aber nicht unbedingt eine Ansteckung mit einer der neuen Omikron-Varianten, räumt der Virologe ein.

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„Diese Omikron-Varianten breiten sich derzeit aus, verursachen aber bei den meisten Geimpften, Geboosterten oder Genesenen meist nur milde Symptome“, erklärt Voigt. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt derzeit Personen ab 60 Jahren und Vorerkrankten eine zweite Auffrischungsimpfung. Eine dritte Booster-Impfung sei nur für immungeschwächte Personen von Bedeutung, erklärt Professor Voigt.

Was sagen Hausärzte?

Die Nachfrage nach Impfungen nimmt seit einigen Tagen deutlich zu. Anke Richter-Scheer, Vorsitzende des Hausärzteverbandes Westfalen-Lippe, weist darauf hin, dass sich die Bürgerinnen und Bürger jetzt nicht nur vor Covid-19, sondern auch vor der Grippe schützen sollten. „Die Infektionszeit hat begonnen. Neben normalen Infekten steigen die Coronainfektionen und ganz besonders – im Vergleich zu 2021 zu dieser Zeit – auch die Influenzaerkrankungen. Impfen schützt vor schwerwiegenden Krankheitsverläufen. Das können wir nicht häufig genug versuchen, unseren Patienten klarzumachen, sagte Richter-Scheer dieser Redaktion.

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