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Armin Laschet im Interview„Das deutsch-französische Verhältnis ist in keinem guten Zustand“

Lesezeit 4 Minuten
Düsseldorf: Armin Laschet (CDU), früherer Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen.

Düsseldorf: Armin Laschet (CDU), früherer Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen.

Die Beziehung zwischen Deutschland und Frankreich ist eine besondere. Vor 60 Jahren begann mit dem Élysée-Vertrag eine bis heute andauernde Freundschaft. Doch gerade kriselt es. Woran das liegen könnte, erklärt der frühere NRW-Ministerpräsident Armin Laschet.

An diesem Sonntag wird die deutsch-französische Freundschaft 60 Jahre alt. Gibt es aktuell etwas zu feiern?

Das deutsch-französische Verhältnis ist in keinem guten Zustand. Man müsste gerade jetzt, in Zeiten des Krieges in Europa, viel enger zusammenarbeiten. Im Aachener Vertrag, der Neuauflage des Élysée-Vertrages, ist eigentlich zugesagt, dass alle wichtigen politischen Entscheidungen miteinander abgestimmt werden. Man hatte in den letzten Wochen nicht den Eindruck, dass noch irgendetwas abgestimmt wird. Ich hoffe, das ändert sich mit den Feierlichkeiten an diesem 22. Januar.

Woran liegt es denn, dass es derzeit knirscht zwischen Deutschland und Frankreich?

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Ich glaube nicht, dass es an Präsident Emmanuel Macron liegt.

Sondern?

Macron will diese enge Beziehung zu Deutschland. Mein Eindruck ist, dass er neuerdings zu kühle norddeutsche Antworten aus Deutschland erhält. Wer Frankreich kennt, weiß, dass unser westlicher Nachbar auch großen Wert auf gemeinsame Akte, auf Symbole, auf gemeinsame Empathie legt. Das muss man wissen und berücksichtigen. Die Zeit ist jetzt drängender denn je, den deutsch-französischen Motor wieder neu zu starten.

Macron ist zuletzt aber auch vorgeprescht, als es um Panzerlieferungen an die Ukraine ging…

Deutschland und Frankreich hätten doch gemeinsam erklären müssen, dass sie ab jetzt die Schützenpanzer liefern. Stattdessen hat Kanzler Scholz erst einen Tag nach Macron und nach einem Telefonat mit US-Präsident Biden die Marder zugesagt, obwohl darüber auch in der Ampel seit Monaten diskutiert wird. Aber selbst solche dringend notwendigen Absprachen und gemeinsamen Aktionen finden derzeit nicht statt. Ich weiß, dass Macron der neuen deutschen Regierung mit offenen Armen gegenüberstand, aber man im Kanzleramt eher kühl reagiert hat.

Ist die deutsch-französische Freundschaft denn noch immer etwas Besonderes oder ist das passé?

Es ist und bleibt etwas Besonderes, dass zwei Staaten vor 60 Jahren beschlossen haben, so eng zusammen zu arbeiten wie keine anderen Länder auf der Welt. Deutschland und Frankreich standen sich über Jahrhunderte als Erbfeinde gegenüber. Die alte Feindschaft haben Konrad Adenauer und Charles de Gaulle mit großer Staatskunst in eine Freundschaft verwandelt.

Die EU steht auch ohne den deutsch-französischen Motor gegen Russland zusammen. Braucht man ihn trotzdem noch?

Europa ist doch kein wichtiger Akteur in diesem Konflikt. Man braucht Wochen, um zu Entscheidungen zu kommen. Manche Länder scheren immer wieder aus. Die Fliehkräfte zwischen Polen, den baltischen Staaten und Ungarn, zwischen den Nord- und den Südländern sind sehr stark. Deshalb braucht es Deutschland und Frankreich als Führungsduo. Ich erkenne aber leider im Augenblick keine Führungsfigur in Europa.

Zum Abschluss noch eine Frage zu Ihrer Partei, der CDU. Aus ihrer eigenen Erfahrung: Braucht die Union ein neues Verfahren, um ihren Kanzlerkandidaten zu bestimmen?

Es ist nötig, dass die Union ein neues Verfahren entwickelt, wie sie künftig ihren Kanzlerkandidaten auswählen will. Das Verfahren, dass sich zwei Parteichefs treffen und das miteinander besprechen, ist ganz offenkundig das Falsche. Die Situation von 2021 könnte wieder auftreten, deshalb ist man klug beraten, sich weit vor der nächsten Bundestagswahl auf einen Weg zu einigen. Wir haben uns alle in der Union vorgenommen, dass sich 2021 nicht wiederholen darf.


Hintergrund: 60 Jahre Elysée-Vertrag

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), das gesamte Bundeskabinett und zahlreiche Abgeordnete des Bundestags werden zur 60-Jahr-Feier des Elysée-Vertrags am Sonntag in Paris erwartet. Am Vormittag nehmen der Kanzler und der französische Präsident Emmanuel Macron an einem Festakt beider Parlamente an der Universität Sorbonne teil.

Anschließend kommen beide Regierungen im namensgebenden Elysée-Palast zum deutsch-französischen Ministerrat zusammen. Dort sollen die Freundschaft zwischen beiden Ländern sowie die Zusammenarbeit bei europäischen, wirtschaftspolitischen und internationalen Fragen im Mittelpunkt stehen. Ein Schwerpunkt werde der russische Krieg gegen die Ukraine und dessen Folgen sein, hieß es. Zudem gebe es eine Sitzung des deutsch-französischen Verteidigungs- und Sicherheitsrats.

Am 22. Januar 1963 hatten die deutsche und die französische Regierung in Paris den Élysée-Vertrag unterzeichnet, der als Fundament der Freundschaft beider Länder gilt. Das Bild vom Handschlag zwischen Staatspräsident Charles de Gaulle und Bundeskanzler Konrad Adenauer war 18 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs von großer Symbolkraft. Demonstrativ wollten die beiden Staatsmänner die immer wieder beschworene Erbfeindschaft zwischen den Nachbarländern beenden.

Hauptziel des Vertrages war es, durch regelmäßige Konsultationen auf höchster Ebene gemeinsame Konzepte in der Außen- und Verteidigungspolitik sowie der Jugend- und Kulturpolitik zu entwerfen. Das Konzept entwickelte sich zur Erfolgsgeschichte. 1988 ergänzten Kanzler Helmut Kohl und Präsident François Mitterrand das Abkommen durch die Einsetzung von Räten für Verteidigung, Wirtschafts- und Währungspolitik. Am 22. Januar 2019 unterzeichneten Kanzlerin Angela Merkel und Macron den Aachener Vertrag – als Neuauflage und Vertiefung des Elysee-Vertrags. (afp/kna)

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