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Interview

CDU-Außenexperte
Wäre ein Bundeswehreinsatz in der Ukraine zu schaffen, Herr Kiesewetter?

5 min
Roderich Kiesewetter, Jahrgang 1963, ist CDU-Bundestagsabgeordneter (Wahlkreis Aalen-Heidenheim) und Oberst a.D. Er ist als Experte für Außen- und Sicherheitspolitik bekannt und gehört dem Auswärtigen Ausschuss des Bundestages an.

Roderich Kiesewetter, Jahrgang 1963, ist CDU-Bundestagsabgeordneter (Wahlkreis Aalen-Heidenheim) und Oberst a.D. Er ist als Experte für Außen- und Sicherheitspolitik bekannt und gehört dem Auswärtigen Ausschuss des Bundestages an.

Was hat das Treffen des ukrainischen Präsidenten Selenskyj und weiterer europäischen Spitzenpolitiker mit US-Präsident Trump gebracht? Und wie sieht es mit den viel diskutierten Sicherheitsgarantien aus? Frage an den CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter.

Herr Kiesewetter, konnten die Europäer dem US-Präsidenten Trump ihre Positionen zu Themen wie Waffenruhe und den von Russland verlangten ukrainischen Gebietsabtretungen einigermaßen erfolgreich vermitteln? Oder ist Trump eher auf Putin-Linie?

Um aus der misslichen Lage herauszukommen, in die US-Präsident Donald Trump die Ukraine mit der von ihm selbst geschaffenen Erpressungssituation gebracht hat, haben die Europäer versucht, Trump mit überschwänglichem Lob für seine Person irgendwie auf die Seite Europas zurückzubringen und möglichst eine transatlantische Geschlossenheit herzustellen, die es nicht einmal in Europa gibt. Besonders Bundeskanzler Merz hat zu Recht auf US-Sicherheitsgarantien und einen prioritären Waffenstillstand als Vorbereitung eines trilateralen Gesprächs hingewiesen. Inhaltlich sehe ich keine Annäherung zwischen der US-Position und der Ukraine. Es war keine wirkliche Bewegung von Trump zu erkennen, der Täter-Opfer-Umkehr zu Lasten der Ukraine betreibt. Die Erpressung der Ukraine zu faktischen Gebietsabtretungen blieb meiner Einschätzung nach bestehen. Trump interessiert sich wenig für Europa, er ist im „Team Multipolarität“ und denkt in Einflusszonen. Sein einziges Interesse besteht darin, einen Deal zu machen und sich selbst für einen Friedensnobelpreis in Spiel zu bringen.

Ihr Parteifreund Armin Laschet hat nach dem Alaska-Gipfel gesagt, es sei gut, dass jetzt Dynamik in die Diplomatie gekommen sei. Bisher habe man zu einseitig auf militärische Lösungen gesetzt. Hat er recht?

Europa hat nie einseitig auf militärische Lösungen gesetzt, denn auch die Sanktionen und der politische Druck auf Russland sind Teil von Diplomatie. Es hat darüber hinaus auch immer Gespräche und Verhandlungen, z.B. über Gefangenenaustausch gegeben. Dynamik in der Diplomatie und ernsthafte Verhandlungen sind nur sinnvoll, wenn sie aus einer Position der Stärke erfolgen. Da sind wir und die Ukraine aktuell jedoch nicht. Russland nutzt diese Schein-Diplomatie zum Zeitgewinn und bombardiert und zerstört unvermindert weiter die Ukraine. Während Europa sich selbst mit Scheinverhandlungen beschäftigt, schafft Russland militärisch brutal Fakten.

Die Ukraine hat schlechte Erfahrungen gemacht mit sogenannten Sicherheitsgarantien, die es auch mit dem Budapester Memorandum gab.

Ein großes Thema in Washington waren Sicherheitsgarantien für die Ukraine. Was wird gebraucht?

Trump versteht darunter einen Deal, indem die Europäer „verlässlich“ Waffen bei den USA kaufen dürfen für die Ukraine. Die Europäer erhoffen sich eine Zusage der USA, einen Waffenstillstand mit US-Truppen, zumindest mit dem US-Schutz aus Artikel 5 Nordatlantikvertrag abzusichern. Die Ukraine hat schlechte Erfahrungen gemacht mit sogenannten Sicherheitsgarantien, die es auch mit dem Budapester Memorandum gab. Wir haben alle seit 2014 gesehen, wie „sicher“ und glaubwürdig diese Garantien waren. Die einzig glaubwürdige und tragfähige Sicherheitsgarantie für die Ukraine ist die Nato-Mitgliedschaft, weil nur diese einen nuklearen Schutz vor der nuklearen Erpressung und Bedrohung durch Russland bietet. Ein aktuell unrealistischer Waffenstillstand müsste dennoch von zumindest europäischen Truppen abgesichert sein. Eine Konkretisierung von tragbaren glaubwürdigen Schutzgarantien der USA erwarte ich kurzfristig nicht, da Trump bestenfalls als Makler agiert ohne eigene Wertebasis.

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Müssen die Europäer auch Soldaten schicken, und wenn ja, in welchem Ausmaß? Von ein paar Ausbildern bis zu ganzen Brigaden gibt es viele Abstufungen…

Davon sind wir meilenweit entfernt. Russland lenkt nicht ein, sondern mordet weiter. Ausschließen sollten wir nichts, aber auch nicht öffentlich Putin unsere Überlegungen offenlegen.

Der Bundesaußenminister hat Bedenken vorgebracht, ob so eine Bundeswehrmission überhaupt zu stemmen wäre. Wie sehen Sie das?

Selbstverständlich müsste Deutschland als politisch und wirtschaftlich stärkstes Land in Europa ebenfalls einen Beitrag leisten. Es geht hier um die Sicherheit Europas, die künftige europäische Sicherheitsarchitektur, die unsere Bündnis- und Landesverteidigung ausmacht. Dafür ist die Bundeswehr da. Klar ist aber, dass die Bundeswehr wesentlich mehr Personal auch zur Abschreckung benötigt. Deshalb ist es auch überfällig, die Wehrpflicht wiedereinzusetzen oder einen Gesellschaftsdienst zu etablieren. Denn nur so entsteht eine notwendige Reserve. Wir brauchen mehr Anreize und eine Reform der Bundeswehr für den Dienst in den Streitkräften.

Russland ist der Aggressorstaat. Wieso sollten wir auf das OK aus Moskau warten?

Moskau hat sofort erklärt, man werde keine Truppen von Nato-Staaten in der Ukraine akzeptieren. Könnten deutsche Politiker gegenüber den Wählern trotzdem eine Bundeswehr-Entsendung verantworten?

Russland ist der Aggressorstaat. Wieso sollten wir auf das OK aus Moskau warten? Es geht darum, Russland abzuschrecken, einzudämmen und die Souveränität der Ukraine in ihren legitimen Grenzen zu schützen. Das fängt damit an, dass man sich nicht von Russlands Akzeptanz abhängig macht. Es ist bereits jetzt klar, dass ein Waffenstillstand getestet werden würde, so wie Russland heute schon Artikel 5 stetig in der Ostsee oder mit hybriden Angriffen auf unsere Infrastruktur testet. Umso wichtiger ist es, die Bundeswehr rasch robust und zeitgemäß technologisch auszustatten, die Rüstungsproduktion massiv zu steigern, damit Abschreckung glaubwürdig ist.

Welche Unterstützung erwarten Sie nach den Trump-Andeutungen aus den USA?

Ich erwarte keine wesentliche Unterstützung, denn die USA haben klar gemacht, dass sie sich schrittweise aus Europa zurückziehen. Die einzige Unterstützung wäre Rüstungskooperation und im Bestfall die Garantie des US-Nuklearschirms. Dass US-Truppen selbst stationiert werden und den Waffenstillstand absichern, ist aktuell auch unrealistisch.

Glauben Sie, dass ein Treffen zwischen Putin und Selenskyj wirklich zustandekommt?

Es gibt keine Anzeichen aus Moskau, denn dann müsste Russland Selenskyj als legitimen Präsidenten und die Ukraine als souveränen Staat anerkennen. Das tut es nicht. Ein Treffen bringt Selenskyj selbst in große Gefahr. Soll Selenskyj einem Kriegsverbrecher Putin die Hand reichen, der Hunderttausende Ukrainer getötet hat? Ein solches Bild, wäre kaum zu ertragen. Reicht er ihm nicht die Hand, dann steht Selenskyj als Verhinderer von Friedensdiplomatie da und Trump wird das gegen ihn verwenden. Das ist eine enorme Erpressungssituation zu Lasten der Ukraine.

Letzte Frage: Nehmen wir an, es käme wirklich bald zu einem Ende des Krieges. Russland hält strategisch zentrale Gebiete etwa am Dnipro-Unterlauf besetzt und baut sein Militärpotenzial wieder auf, während es bisher immer wieder in der Ukraine dezimiert wurde. Ist das nicht sogar gefährlicher als die jetzige Situation?

Das ist genau der Punkt. Russland hält unverändert an seinen imperialen Zielen fest. Es nutzt die Friedenssehnsucht in Europa und bei Trump und die Schein-Verhandlungen immer zum eigenen Vorteil. Russland würde weiter militärisch aufrüsten, seine Truppen neu ordnen und dann weiter angreifen. Die Stabilität von Russlands System hängt von der permanenten Kriegsführung ab, die Wirtschaft ist in großen Teilen auf Krieg eingestellt, die Ideologie ist auf einen großen und breiteren Krieg ausgelegt. Ein Einfrieren oder ein Waffenstillstand würde also nicht lange halten. Pseudo-Verhandlungen sind Teil der russischen Kriegsführung. Ein nachhaltiger und gerechter Frieden ist unrealistisch. Der einzige realistische Friedensplan bleibt der Friedensplan der Ukraine, den zum Beispiel die acht nordeuropäischen und baltischen Staaten unterstützen. Doch zur Umsetzung fehlt in Europa der politische Wille, vorhandene Ressourcen einzusetzen und den Druck politisch, wirtschaftlich und militärisch auf Russland zu erhöhen.