Ein TV-Priester erhebt in Jerusalem Vorwürfe gegen Israels Gaza-Einsatz – und spricht von einem möglichen Völkermord.
Kritik an israelischer KriegsführungDeutscher Pfarrer warnt vor Eskalation in Gaza – und spricht von „Völkermord“

Rauch über zerstörten Gebäuden im Gazastreifen: Israel bombardiert erneut das Küstengebiet – rund 90 UN-Hilfstransporte sind unterwegs.
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Von Jerusalem aus schlägt ein deutscher Pfarrer Alarm: Der frühere TV-Priester Stephan Wahl erhebt schwere Vorwürfe gegen Israels Kriegsführung. Dass sich das Land verrannt habe, müsse Deutschland nun offen sagen.
Im Gaza-Krieg droht aus Sicht des Israel-Experten und Priesters Stephan Wahl die Zerstörung dessen, was im Gazastreifen noch übrig sei. „Bisher habe ich den Begriff des Völkermords bewusst nicht benutzt; aber mit Blick auf die entsetzlichen Bilder und Nachrichten aus Gaza kann ich diesen fürchterlichen Gedanken nicht mehr verdrängen“, sagte Wahl dem kirchlichen Kölner Internetportal domradio.de.
TV-Priester ist erschüttert über die Lage in Gaza
Namentlich wies er auf Äußerungen des israelischen Finanzministers Bezalel Smotrich hin. Der habe in einer Pressekonferenz davon gesprochen, dass die Welt das Land nicht von der Zerstörung in Gaza abhalten werde.

Palästinensische Bewohner sammeln und verpacken ihre Habseligkeiten, als sie ihr Dorf Maghayer Al-Dir nach israelischen Siedlerangriffen verlassen.
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Wahl ist Priester des Bistums Trier; er lebt seit Jahren in Jerusalem und verfolgt die Entwicklung des Krieges seit dem Terrorüberfall der Hamas auf Israel im Oktober 2023. Einem breiten Publikum ist er als früherer Sprecher der ARD-Sendung „Das Wort zum Sonntag“ bekannt.
Pfarrer Wahl kritisiert Trumps „Riviera-Traum“
„Es geht Israel nicht mehr um die Befreiung der Geiseln und den Sieg über die militanten Zweige der Hamas“, erklärte Wahl; sondern „um Eroberung, Besatzung, Vertreibung und Neuansiedlung“. Eine Rolle spiele auch die Aussage von US-Präsident Donald Trump, der von einem grundlegenden Neuaufbau des Gazastreifens sprach. Einen „völlig hirnrissigen Riviera-Traum“ nannte Wahl diese Idee.
Der Experte warnt vor einer Vertreibung der mehr als zwei Millionen Einwohner in Drittländer. Dies sei hinter Israels Evakuierungsaufforderung an die Zivilbevölkerung zu vermuten, die sich in den Süden des inzwischen weitgehend zerstörten Gazastreifens begeben sollen.
„Es braucht einen maximalen Druck der Welt, um Krieg zu beenden“
Auch die Familien der von der Hamas nach Gaza entführten Geiseln seien verzweifelt. „Sie mussten sich jetzt von ihrem Ministerpräsidenten öffentlich sagen lassen, dass die Befreiung der Geiseln - also ihrer Angehörigen - nicht mehr das vorrangige Ziel des Krieges ist“, schildert Wahl.
Es braucht laut Wahl einen „maximalen Druck der Welt“, um den Krieg zu beenden. Auch Deutschland müsse seinem Freund Israel deutlich machen, dass es sich verrannt habe. „Auf Freunde, die mir nach dem Mund reden oder lieber schweigen, als mir den Kopf zu waschen, wenn ich es verdient habe, pfeife ich“, so Wahl. Er warb bereits im vergangenen Jahr dafür, den Krieg mit einem Deal zu beenden. (kna)