Nach zwei Jahren hat die Hamas die letzten noch lebenden israelischen Geiseln freigelassen. Aber um das zu erreichen, hat US-Präsident Donald Trump wesentliche Teile seines Friedensplans zurückgestellt. Die Folgen sind schon sichtbar.

Gaza-GeiselabkommenDie Friedensfeier in Scharm-el-Scheich ist wohl voreilig

Endlich frei: Ex-Geisel Arien Cunio verlässt auf israelischem Boden einen Hubschrauber.
Copyright: Leo Correa/AP/dpa
Sie sind frei. Nach zwei Jahren voller Angst und Qual sind die letzten überlebenden Geiseln vom 7. Oktober 2023 nach Israel zurückgekehrt. Die ungeheure Erleichterung darüber ist es, die die Erinnerung an diesen 13. Oktober prägen wird – auch in Jahren und Jahrzehnten noch. Erleichterung verbunden mit Trauer um jene, die nicht überlebt haben.
Das Geiselabkommen ist eine große Leistung, die mit dem Namen von US-Präsident Donald Trump verbunden bleiben wird. Ob der 13. Oktober im Rückblick aber auch jener Tag sein wird, mit dem der von Trump ausgerufene Frieden im Heiligen Land begann, daran sind Zweifel geboten. Denn um die Freilassung der Geiseln zu erreichen, hat Trump wesentliche Teile seines Friedensplans zurückstellen müssen – jene, die die Kontrolle über den Gazastreifen betreffen.
Wie düster die Aussichten für Gaza sind, belegt Trumps Erklärung, die Hamas dürfte sich „für einige Zeit“ wieder bewaffnen, um – so der Präsident allen Ernstes – Ordnung zu schaffen. Denn die Schwäche des Geiselabkommens zeigt sich bereits: Israels Armee ist aus Teilen des Gazastreifens abgezogen, ohne dass externe Sicherheitskräfte nachrückten. Also stößt die Hamas vor und will laut BBC dafür 7000 neue Kämpfer rekrutieren. Die Freilassung von 2000 Militanten aus israelischer Haft stärkt die Terrororganisation zusätzlich. Schon gibt es Zusammenstöße mit dem rivalisierenden Doghmush-Familienclan, vorläufige Bilanz nach Angaben von Trumps Haussender Fox: 64 Tote. Blutige Rechnungen sind offen. Wie unter diesen Bedingungen geordnete humanitäre Hilfe geleistet werden soll, ist unklar. Von Wiederaufbau zu schweigen.
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Aber leider gibt es in der Politik keine Reset-Taste. Es führt nicht einfach ein Weg in die Zeit vor Netanjahu zurück.
In Israel mögen die Zeichen besser stehen: Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der bisher jeden Schritt zum friedlichen Miteinander mit den Palästinensern blockiert hat, trifft bei einer großen Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger auf Ablehnung. Das hat sich auch an diesem Montag wieder gezeigt.
Aber leider gibt es in der Politik keine Reset-Taste. Es führt nicht einfach ein Weg in die Zeit vor Netanjahu zurück. Er hat die Hamas jahrelang gewähren lassen, um die Autonomiebehörde von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas zu schwächen. Das hat so nachhaltig gewirkt, dass gar nicht absehbar ist, wie die Behörde jemals „effektiv die Kontrolle über Gaza übernehmen“ soll – so ein vom ehemaligen britischen Premier Tony Blair inspirierter Passus in Trumps Friedensplan. Abbas und seine Leute könnten nur unter massivem Schutz fremden Militärs agieren. Nichts anderes würde für eine vorgeschaltete Interimsverwaltung unter der Ägide von Trump und Blair gelten. Und man kann jede Regierung verstehen, die – wie die deutsche – davor zurückschreckt, ihre Soldaten in einen solchen Brennpunkt extremer Gewalt zu schicken.
Selbst wer sich der zynischen Hoffnung hingeben sollte, diese Gewalt werde fortan aufs Gaza-Territorium beschränkt bleiben, dürfte sich irren. Weder hat die Hamas ihre genozidalen Ideen zur Vernichtung Israels aufgegeben, noch ist die Gefahr gebannt, die ihre Muslimbruder-Ideologie für arabische Nachbarstaaten darstellt. Umso wichtiger wäre es, den Druck auf alle Seiten aufrechtzuerhalten. Doch Trumps Waffenbesitzerlaubnis für die Hamas zeugt vom Gegenteil. Er verliert offenbar schon die Lust. Die von ihm ausgerufene neue Ära dürfte vor allem neue Geschäfte – nicht zuletzt seiner Familie – mit arabischen Staaten betreffen, aber die am Montag in Scharm-el-Scheich angesetzte Friedensfeier ist wohl voreilig.