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Rückblick

Kirchen 2025
Ein neuer Papst und viele alte Probleme

8 min
Papst Leo XIV. betet am Grab des verstorbenen Papstes Franziskus in der Basilika Santa Maria Maggiore, wo er zwei Tage nach seiner Wahl einen Überraschungsbesuch machte.

Gebet am Grab des Vorgängers: Leo XIV. in Santa Maria Maggiore an der Ruhestätte von Papst Franziskus.

Das Jahr 2025 stand in der katholischen Kirche im Zeichen des Todes von Papst Franziskus und der Wahl seines Nachfolgers. Die Herausforderungen sind denen auf evangelischer Seite teilweise sehr ähnlich.

Auch die Macht eines Donald Trump findet an der Tür der Sixtinischen Kapelle ihre Grenzen. Nach dem Tod von Papst Franziskus am Ostermontag 2025 hatte der US-Präsident, selbst kein Katholik, den New Yorker Erzbischof Timothy Dolan als Nachfolger empfohlen: „Wir haben einen Kardinal, der zufälligerweise aus einem Ort namens New York kommt und der sehr gut ist.“ Dolan, seit 2009 Oberhirte der Ostküstenmetropole, gilt als enger Vertrauter des Präsidenten. Er telefoniere mit Trump häufiger als mit seiner eigenen Mutter, hat er bereits 2020 – während Trumps erster Amtszeit – gescherzt.

Am Ende des für die katholische Kirche Heiligen Jahres 2025 war Dolan immer noch Kardinal und nicht Papst. Aber er war nicht mehr Erzbischof von New York. Sein Landsmann Robert Prevost, am 8. Mai zum 266. Nachfolger des heiligen Petrus erwählt, schickte Dolan (75) kurz vor Weihnachten in den Ruhestand und ersetzte ihn durch den erst 58-jährigen Ronald Hicks. Formal war das nichts Besonderes: Wie jeder Bischof hatte Dolan zum 75. Geburtstag (im Februar 2025) seinen Rücktritt anbieten müssen. Aber ein kleiner Traditionsbruch war es schon. Denn Bischöfen, die auch Kardinäle sind, gewähren die Päpste üblicherweise einige Jahre Verlängerung. Denn sie gehören noch bis zum 80. Geburtstag zum Kreis der Papstwähler.

Altersgrenze für Bischöfe

Nun darf gerätselt werden: Wollte Leo XIV. – diesen Papstnamen hatte Prevost sich ausgesucht – ein Signal gegen allzu große Trump-Freundlichkeit setzen? Oder kam er einfach auf seine Ansprache vom 20. November in Assisi zurück, in der an die Altersgrenze von 75 Jahren erinnert hatte, da die Kirche sich ständig erneuern müsse? Für Kardinäle könne man eine Verlängerung um zwei Jahre in Erwägung ziehen, sagte er. Für Dolan allerdings kamen nur zehn Monate heraus, und es ist zu vermuten, dass Leo diese Entscheidung bereits getroffen hatte, als er in Assisi redete. Und dass er auch den Dolan-Nachfolger fest im Blick hatte, der bei aller persönlichen Zurückhaltung als Vertrauter des reformorientierten (und seinerseits dem Papst sehr nahestehenden) Chicagoer Kardinals Blase Cupich gilt. Und der im gleichen Chicagoer Vorort aufgewachsen ist wie der zwölf Jahre ältere Papst.

Die Geschichte ist typisch für Leo XIV., dem oft nachgesagt wird, er sei ein stiller Papst. Ganz sicher ist Leo kein Mann für unterhaltsame Szenen und demonstrative Brüche mit der eigenen Rolle, wie sie sein Vorgänger Franziskus liebte. Und ebenso gewiss kehrt er nicht zum zeremoniell-ziselierten Stil von Benedikt XVI. mit roten Schuhen und professoralen Ansprachen zurück. Augustinerpater Robert Prevost (für Ordensbrüder schlicht: Bob) tritt, um es mit Ronald Hicks zu formulieren, als „ein normaler Typ aus einer normalen Nachbarschaft“ auf, nüchtern, unaufgeregt, korrekt. Und er versucht, nach dem erregten Hin und Her unter seinen Vorgängern die Lage zu beruhigen.

Nachdem Benedikt die vorkonziliare, tridentinische Form des römischen Messritus nahezu allgemein erlaubt und Franziskus diese Entscheidung wieder rückgängig gemacht hate, will sich Leo mit den Betroffenen „zusammensetzen und darüber reden“, wie er dem US-Portal „Crux“ sagte. Im gleichen Interview kritisierte er „Polarisierung“ und einen Missbrauch der Tradition für ganz andere Ziele. Im Dauerstreit um eine Öffnung kirchlicher Ämter für Frauen hat sich Leo entschieden, publik zu machen, dass es in der entsprechenden Studienkommission ein Patt bei der Frage gab, ob Priester unbedingt Männer sein müssen. Und in New York hat er jetzt einen Erzbischof eingesetzt, der deutlich weniger kontrovers auftritt als sein Vorgänger. Dieser markante Eingriff könnte ein Versuch sein, die tiefen Brüche im US-Katholizismus zu heilen.

Neues Warten im Fall Woelki

Im Fall des Erzbistums Köln sorgt Leos Stil allerdings nicht wirklich für Beruhigung. Vorgänger Franziskus hatte dem Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki schwere Fehler vor allem in der Kommunikation im Zusammenhang mit der Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt vorgehalten. Er hatte ihn zudem zu einem Rücktrittsangebot gedrängt, das er aber nie beantwortete. Unter Leo gibt es erneut einen Schwebezustand: Der Vatikan hat bis heute nicht entschieden, wie eine von Betroffenenvertretern im Juli eingereichte kirchenrechtliche Anzeige gegen Woelki behandelt wird, obwohl das eigentlich innerhalb von 30 Tagen nach Eingang hätte erfolgen müssen.

Allerdings hat Leo einen päpstlichen Legaten zu einem Wallfahrtsjubiläum nach Köln geschickt und Woelki zum Mitglied der römischen Behörde für Heiligsprechungen berufen. Zwei Signale der Wertschätzung also. Aber warum sorgt Leo, ein Kirchenrechtsprofessor, nicht für juristische Klarheit? Seit vier Jahren, seit einer von Franziskus 2021 angeordneten „Auszeit“, belastet das Warten auf römische Entscheidungen den Kölner Kardinal und sein Erzbistum. Woelki ist 69. Nach neuer leoninischer Zeitrechnung müssen Hirte und Schäfchen es also noch bis zu acht Jahre (sechs plus zwei) miteinander aushalten.

Der Fall Woelki hat etwas Tragisches, denn der Kölner und frühere Berliner Kardinal hatte früh erkannt, welches Ausmaß der Skandal um sexualisierte Gewalt hat. Schon Anfang 2021 hatte Woelki gegenüber der Rundschau viele in Köln gemachte Fehler damit erklärt, dass man eben besonders früh mit der Begutachtung begonnen habe. Aber vom Streit um Gutachten hat sich die Debatte längst wegbewegt. Woelki setzte sich in mehreren Gerichtsverfahren mit einer Boulevardzeitung auseinander, hatte zwar nahezu auf ganzer Linie Erfolg, geriet aber durch sein Auftreten in einem Prozess selbst in Schwierigkeiten. Im Mai 2025 stellte die Staatsanwaltschaft Köln ein Verfahren wegen Falschaussage unter Eid gegen eine Geldauflage von 26.000 Euro ein, doch wurde diese Sache dann zum Gegenstand der Anzeige in Rom.

Missbrauchskandal bringt Kirchen weiter unter Druck

Das Kölner Mikrodrama ist ein Beispiel dafür, wie schwer die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt die Kirchen unter Druck bringt – nicht nur die katholische Kirche und schon gar nicht nur in Deutschland. Bei der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist umstritten, welche Kommunikationsmöglichkeiten Betroffene untereinander eingeräumt bekommen.

Deutliche Bewegung gibt es bei den materiellen Anerkennungsleistungen: So hat das Landgericht Köln zwar die Klage von Melanie F., die als Pflegekind von einem Geistlichen des Kölner Erzbistums in schwerster Form missbraucht worden war, abgewiesen, sie bekam aber außergerichtlich 360.000 Euro zugesprochen. Diese Größenordnung scheint sich – also Folge eines Kölner Gerichtsurteils von 2023 – in besonders gravierenden Fällen zu etablieren. Auch auf evangelischer Seite gebe es inzwischen Zahlungen in sechsstelliger Höhe, sagt die EKD-Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs der Rundschau kurz vor Weihnachten. Und sie betonte, aktuell hätten nur die beiden christlichen Kirchen ein solches System für Anerkennungsleistungen.

Zu den Bistümern, die auf katholischer Seite besonders intensiv mit der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen zu tun haben, gehört das schon erwähnte New York. Kurz vor seiner Ablösung hatte Kardinal Dolan die Einrichtung eines Fonds mit 300 Millionen US-Dollar angekündigt, aus dem bis zu 1300 Kläger Leistungen erhalten sollen. Die Aufgaben, den Fonds unter anderem durch den Verkauf von Immobilien zu füllen, musste er dann von einem Tag auf den anderen an seinen Nachfolger Hicks übergeben – Indiz dafür, wie dringend die personelle Veränderung in New York für Papst Leo erschien.

Das Problem des christlichen Trumpismus

Dolan, der den im September erschossenen Rechtsaußen-Aktivisten Charlie Kirk als „modernen heiligen Paulus“ bezeichnet hatte, vertrat jenen Flügel im US-Katholizismus, für den Donald Trump wählbar, ja als christlicher Hoffnungsträger erschien. Seine Stimme war prominent und dabei nicht einmal die radikalste: So hätte Dolan dem früheren katholischen Präsidenten Joe Biden nach eigenen Angaben nicht wegen dessen Haltung zur rechtlichen Regelung von Abtreibungen die Kommunion verweigert (das sah eine Mehrheit seiner US-Amtsbrüder anders).

Dolan war auch nicht erfreut, als Trump sich selbst in einer durch künstliche Intelligenz erzeugten Illustration als vermeintlichen Papst darstellen ließ. Aber am Ende stand Dolan für einen Kurs der Hinnahme pseudochristlicher Ideologie im Lager von Trump und seinem Vizepräsidenten JD Vance, der sich prononciert zum katholischen Glauben bekennt und noch an Ostern, zum höchsten christlichen Fest, beim sterbenskranken Papst Franziskus vorsprach, einen Tag vor dessen Tod. Als Katholik gibt sich auch Vances Förderer Peter Thiel, jener Multimilliardär, für den Freiheit und Demokratie unvereinbar sind. Aus dem evangelikalen Lager erhält Vance Unterstützung von Kirk-Witwe Erika.

Auch das Problem des politischen Missbrauchs christlichen Vokabulars haben die Konfessionen also gemeinsam und wiederum nicht nur in einer Weltregion. Gemeinsam stellt sich ihnen die Frage, was unter dem Druck von Autokraten und Kriegstreibern aus der christlichen Friedensbotschaft wird. Das kann auch innerkirchlich zu Kontroversen führen.

So widersprach ausgerechnet der EKD-Friedensbeauftragte, der mitteldeutsche Landesbischof Friedrich Kramer, der neu gefassten evangelischen Friedensdenkschrift, die sich mit dem notfalls auch militärischen Schutz von Menschen vor ungerechter Gewalt befasste. Und mit dem Dilemma der nuklearen Bewaffnung, auf die die Ukraine verzichtet hatte – was sie nun zum russischen Angriffsziel machte.

Autokraten verbögen das Christliche zur Herrschaftsideologie, hatte Bischöfin Fehrs der Rundschau über Trump und den russischen Präsidenten Wladimir Putin gesagt. Und Georg Bätzing, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, hielt den gleichen Adressaten bereits an Ostern im Rundschau-Interview entgegen: „Das ist das Erschütternde, dass sie ihr unchristliches Handeln auch noch christlich hinterlegen wollen.“

Dieser Tendenz stellt sich der neue Papst vehement entgegen. Bei der Kritik an Trumps Massenabschiebungen liegt er auf einer Linie mit seinem Vorgänger, der nun in der Basilika Santa Maria Maggiore (und nicht wie die meisten Vorgänger im Petersdom) ruht. Leo XIV. brachte die US-Bischofskonferenz kürzlich dazu, sich in einer gemeinsamen Erklärung scharf von dieser Politik zu distanzieren.

In seinem ersten, inhaltlich zu großen Teilen von Franziskus übernommenen Lehrschreiben wandte sich Leo gegen nationale Abschottung und erklärte: „Wer sagt, dass er Gott liebt, und kein Mitleid mit den Bedürftigen hat, der lügt." Leo rügt Klimawandel-Skeptiker und äußert sich sehr viel schlüssiger als Franziskus Leo zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und zu Trumps Versuch, die Europäer durch einen vermeintlichen Friedensplan vor vollendete Tatsachen zu stellen. „Eine Friedensvereinbarung zu suchen, ohne Europa in die Gespräche einzubeziehen, ist, sagen wir, nicht realistisch“, sagte er am 9. Dezember. Ziemlich deutliche Aussagen für einen vermeintlich stillen Papst.