Donald Trump hat iranische Atomanlagen bombardieren lassen. Welche Folgen könnte das haben? Und was passiert, wenn das iranische System wirklich wie von den USA und Israel erhofft zusammenbricht?

Luftschläge gegen Irans AtomprogrammWie Trump sich von Israel treiben lässt

„Make America Great Again": Donald Trump während der Beratungen über die Luftschläge im Weißen Haus, neben ihm Vizepräsident JD Vance.
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Der Präsident, der die USA aus Kriegen heraushalten wollte und schon seit langem findet, er habe den Friedensnobelpreis verdient, dieser Präsident führt jetzt Krieg. US-Präsident Donald Trump feiert den von ihm angeordneten Militärschlag gegen den Iran in gewohnt kindisch-überheblicher Form – „großartig“, „spektakulär“, Ziele „völlig ausradiert“ –, aber tatsächlich hat er das Gegenteil von Großartigkeit demonstriert: Die Führung einer Supermacht hat sich von der Regierung des kleinen Israel in eine gewagte Militäraktion hineintreiben lassen. Nach eigenem Bekunden entscheidet Trump in letzter Sekunde. Da man kann nur hoffen, dass es wenigstes in seiner Umgebung Leute mit einem Plan für das gibt, was auf die US-Intervention folgen könnte.
Sicher: Der Iran ist kein friedliebendes Land, sondern er strebt die Vernichtung Israels an und exportiert Terror in alle möglichen Weltregionen. Deshalb führen Vergleiche der israelisch-amerikanischen Intervention mit dem russischen Überfall auf die Ukraine in die Irre. Bei allen völkerrechtlichen Einwänden gegen das Vorgehen von Trump und des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu ist es dringend zu wünschen, dass das iranische Atomprogramm liquidiert wird.
Aber gelingt diese Liquidation? Auch wenn die iranischen Atomanlagen Fordo, Natans und Isfahan irreparabel zerstört sein sollten, ist doch anzunehmen, dass die 400 Kilogramm an nahezu atomwaffenfähigem Uran, die der Iran angehäuft hat, anderswo versteckt sind. Und wenn die – unbewiesene – israelische Behauptung zutreffen sollte, Teheran habe kurz vor dem Zusammenbau einer Atombombe gestanden, dann ist das erforderliche Wissen weiter vorhanden. Hinzu kommt die Gefahr durch iranische Mittelstreckenraketen, die auch europäische Nato-Staaten erreichen können. Wenn sich die aktuelle iranische Führung halten kann, dann ist zu fürchten, dass sie beide Programme, Kernwaffenentwicklung und Raketenbau, mit noch größerer Entschlossenheit vorantreibt als bisher. Und dass dies eine Kette immer neuer israelischer und möglicherweise wieder US-amerikanischer Interventionen auslöst.
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Umso mehr setzen die USA und Israel auf einen Sturz der Mullah-Diktatur. Gewiss gäbe es keinen Anlass, diesem Mörderregime nachzutrauern. Nur: Was würde nach einem Zusammenbruch der Islamistenherrschaft passieren? In wessen Hände würden Nuklearmaterial und Waffensysteme fallen? Es gibt es alle möglichen denkbaren Szenarien: von einer Militärdiktatur über bürgerkriegsartige Auseinandersetzungen bis hin zu einem – erstrebenswerten – säkularen System.
Alle europäischen Vermittlungsbemühungen hat Trump mit seinem Militärschlag desavouiert.
Alle europäischen Vermittlungsbemühungen hat Trump mit seinem Militärschlag desavouiert. Aber unterhält seine Administration irgendeinen Kontakt zu halbwegs gemäßigten iranischen Funktionären, die es durchaus gibt und die man brauchen würde, wenn es gilt, einen friedlichen Wandel zu moderieren? Man kann da allenfalls hoffen, dass die im Iran intensiv vernetzen israelischen Geheimdienste einen Zugang haben. Wenn aber Netanjahu sich den iranischen Oppositionsslogan „Frau, Leben, Freiheit“ zu eigen macht, dann fördert er die Anliegen von Reformern und Bürgerrechtlern in Teheran damit gewiss nicht.
Im Iran könnten sich also neue Risiken aufbauen, während das einzige Gremium, das völkerrechtlich legitim Interventionen in dem Land anordnen könnte – der UN-Sicherheitsrat – gelähmt ist. Gelähmt, weil die Vetomacht Russland im Ukraine-Krieg mit dem Iran kollaboriert und dessen Rüstungsprojekte gefördert hat. Dass er damit auch sein eigenes Land in Gefahr brachte, hat der auf die Eroberung der Ukraine fixierte Diktator Wladimir Putin hingenommen. Putin muss eigentlich hoffen, dass die USA und Israel Erfolg haben – oder glaubt er im Ernst, er hätte die Terror-Mullahs am gegenüberliegenden Ufer des Kaspischen Meers dauerhaft unter Kontrolle gehabt?
Der US-Militärschlag in der Nacht zum Sonntag zeigt: Die regelbasierte Weltordnung, an der gerade kleine und mittelgroße Staaten wie die EU-Mitglieder interessiert sein müssen, ist bislang nicht mehr als ein Wunschtraum. Alle Versuche eines regelbasierten Vorgehens im Falle Iran sind gescheitert – an israelischen und US-amerikanischen Alleingängen, an russischer Obstruktion, aber auch am Fehlen von Entschlossenheit auf europäischer Seite angesichts der iranischen Hinhaltetaktik. Mit seinem Wort von der „Drecksarbeit“, die Israel erledige, hat Bundeskanzler Friedrich Merz seine Resignation schon im Vorfeld des US-Schlages drastisch zum Ausdruck gebracht.