Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Was plant Putin an der Nato-Grenze?Moskau weitet Militärpräsenz aus – Finnland rüstet sich für „das Schlimmste“

Lesezeit 4 Minuten
Ein finnischer Soldat bedient eine 155-mm-Panzerhaubitze während der NATO-Übung Dynamic Front im November 2024. (Archivbild)

Ein finnischer Soldat bedient eine 155-mm-Panzerhaubitze während der NATO-Übung Dynamic Front im November 2024. (Archivbild)

Neue Zelte, Kampfjet-Hangars und Militärfahrzeuge – Russlands jüngste Maßnahmen an der finnischen Grenze sorgen für Aufsehen.

Während Bundeskanzler Friedrich Merz am Donnerstag (22. Mai) im Baltikum zu Gast war und dort versicherte, dass die Nato „jeden Zentimeter des Territoriums verteidigen“ werde, rüstet man sich im nahen Finnland zuletzt immer intensiver für den drohenden Ernstfall. Nachdem auf neuen Satellitenbildern, die in der „New York Times“ veröffentlicht worden waren, eine deutliche Ausweitung der russischen militärischen Infrastruktur nahe der finnischen Grenze zu erkennen gewesen ist, ergreift das skandinavische Land nun Maßnahmen.

Die finnischen Streitkräfte würden die Manöver Moskaus nahe der Grenze „sehr genau“ verfolgen, sagte Generalmajor Sami Nurmi dem britischen „Guardian“. Als Teil des Nato-Bündnisses sei es daher nun die Aufgabe der Streitkräfte, sich „auf das Schlimmste vorzubereiten“, führte der Strategiechef der finnischen Armee gegenüber der britischen Zeitung aus.

Satellitenaufnahmen zeigen Moskaus Manöver an finnischer Grenze

Auf den zuvor veröffentlichten Satellitenbildern waren neu errichtete Zeltreihen, Ansammlungen von Militärfahrzeugen sowie Bauarbeiten an Hangars für Kampfjets und einem Hubschrauberstützpunkt erkennbar gewesen. „Sie verändern ihre Strukturen, und wir sehen moderate Vorbereitungen für den Aufbau der Infrastruktur in der Nähe unserer Grenzen“, kommentierte Nurmi die Maßnahmen der russischen Armee.

Alles zum Thema Donald Trump

„Das bedeutet, dass sie, sobald der Krieg in der Ukraine hoffentlich endet, mit der Rückführung der in der Ukraine kämpfenden Truppen beginnen werden, insbesondere der Landstreitkräfte“, prognostizierte der finnische Generalmajor. Demnach könnte Putin planen, eine große Anzahl Truppen nahe der finnischen Grenze zu positionieren.

Finnland beobachtet russisches Militär: „Sie tun es schrittweise“

Moskaus Manöver müsse man deshalb weiterhin „sehr genau“ verfolgen, warnte Nurmi, auch wenn sie nach Finnlands durch den russischen Angriff auf die Ukraine ausgelösten Nato-Beitritt im Jahr 2023 nicht „unerwartet“ seien.

„Sie tun es schrittweise“, erklärte der Generalmajor, noch handele es sich um „moderate Zahlen“. An bestimmten Orten werde von Russland „neue Infrastruktur“ aufgebaut, so Nurmi. Während man in Helsinki ganz genau auf die Maßnahmen des Kremls schaut, wiegelte US-Präsident Donald Trump, der am Montag mit Kremlchef Wladimir Putin telefoniert hatte, in dieser Woche ab.

Donald Trump zeigt sich unbesorgt wegen Wladimir Putin

Er sei „überhaupt nicht besorgt“ angesichts der Geschehnisse nahe der skandinavischen Nato-Grenze zu Russland, erklärte Trump, der zuletzt wieder auf einen wohlwollenden und verständnisvollen Kurs gegenüber Moskau zurückgekehrt war und nach dem Gespräch mit Putin von potenziellen Handelsdeals mit Moskau geschwärmt hatte.

Ein finnischer Soldat auf einem Übungsgelände in der Nähe der Stadt Rovaniemi. (Archivbild)

Ein finnischer Soldat auf einem Übungsgelände in der Nähe der Stadt Rovaniemi. (Archivbild)

Derzeit habe der US-Präsident mit seiner Einschätzung recht, erklärte Nurmi nun. Es gebe zur Zeit „keine unmittelbare militärische Bedrohung für Finnland oder die Nato“, versicherte der Generalmajor. Es blieben noch etwa fünf Jahre Zeit, bis Russland seine Streitkräfte auf ein für Finnland bedrohliches Niveau ausbauen könne, heißt es aus Helsinki, wo man damit rechnet, dass der Kreml dieses Vorhaben auch umsetzen wird.

„Wir werden dann über eine deutlich höhere Truppenstärke sprechen“

„Wir werden dann über eine deutlich höhere Truppenstärke sprechen“, sagte Brigadegeneral Pekka Turunen, der Direktor des finnischen Verteidigungsgeheimdienstes, der „New York Times“. Ein hochrangiger Nato-Vertreter stützt nach Angaben der US-Zeitung die Einschätzung der Skandinavier.

Maßnahmen ergreift das Land dennoch: So teilte der finnische Grenzschutz am Mittwoch mit, dass die ersten 35 Kilometer eines Zauns entlang der Ostgrenze zu Russland, der insgesamt 200 Kilometer lang werden soll, fertiggestellt worden seien.

Finnland stellt erste 35 Kilometer von Grenzzaun fertig

Nach Angaben Helsinkis versucht Russland immer wieder, Asylsuchende im Rahmen seiner „hybriden Kriegsführung“ über die Grenze zu leiten. Der sich im Aufbau befindlich Zaun soll deshalb mit Kameras und Sensoren ausgerüstet werden, die zwischen Menschen und Tieren unterscheiden können. 

Grenzsoldaten und ein Grenzhund an der finnisch-russischen Grenze in Imatra. Die ersten 35 Kilometer eines geplanten Grenzzaunes wurden fertiggestellt. (Archivbild)

Grenzsoldaten und ein Grenzhund an der finnisch-russischen Grenze in Imatra. Die ersten 35 Kilometer eines geplanten Grenzzaunes wurden fertiggestellt. (Archivbild)

Im benachbarten Baltikum forderte Litauens Präsident Gitanas Nauseda beim Besuch von Kanzler Merz am Donnerstag derweil mehr Mut der EU beim Vorgehen gegen Russland. Bisher seien noch nicht alle Hebel eingesetzt worden. „Die Antwort der Europäischen Union auf diese Aggression muss stärker sein“, forderte Nauseda.

Immer wieder Warnungen aus Skandinavien und Baltikum

Neue Sanktionen sollten auch Nord Stream 2, alle russischen Banken und den russischen Atomkonzern Rosatom einschließen, empfahl Litauens Präsident härtere Maßnahmen gegen Moskau. Bereits in der Vergangenheit hatten baltische und skandinavische Politiker vehement vor der Gefahr durch Russland gewarnt. Gehör fanden sie damit bei den zentraleuropäischen Ländern, die sich 2022 schließlich überrascht vom russischen Angriff auf die Ukraine zeigten, allerdings kaum.

In Finnland will man trotz der Manöver Russlands zunächst weiterhin „sachlich“ und „nüchtern“ mit der potenziellen Bedrohung an der Grenze umgehen, berichtete die „New York Times“ und bemühte ein altes finnisches Sprichwort: „Russland ist nie so stark, wie es aussieht, und nie so schwach, wie es aussieht“, soll es lauten. In jedem Fall „müssen wir vorbereitet sein“, heißt es aus Helsinki in diesen Tagen. (mit dpa)