Der US-Präsident gilt als aggressiv, launisch, egoistisch. Das stellt sein politisches Gegenüber vor Probleme. Ex-Merkel-Berater Lars-Hendrik Röller erzählt, wie sich Trump hinter den Kulissen verhält – und wie man sich mit ihm einigen kann.
Ex-Merkel-Berater berichtetWie verhandelt man mit Donald Trump?

Ein Bild, das um die Welt ging: Seit sich Angela Merkel 2018 beim G7-Gipfel derart vor dem mächtigsten Mann der Welt aufbaute, galt sie als Trump-Bändigerin.dpa
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Lars-Hendrik Röller hat viel Erfahrung im Verhandeln – auch mit Donald Trump. Welche Strategien hat der Ökonom und Ex-Berater von Angela Merkel bei ihm beobachtet – und was macht der US-Präsident diesmal anders als in seiner ersten Amtszeit? Darüber spricht Röller im Interview mit Lucas Wiegelmann.
Eines der berühmtesten Fotos aus Angela Merkels (CDU) Regierungszeit zeigt die Bundeskanzlerin mit Donald Trump. Sie, umrahmt von mehreren westlichen Staats- und Regierungschefs, hat sich vor seinem Platz aufgebaut und stützt beide Hände vor ihm auf die Tischplatte, er hat die Arme vor der Brust verschränkt und blickt ihr halb belustigt, halb herausfordernd entgegen. 2018 war das, auf dem G7-Gipfel in Kanada, und seit es um die Welt ging, hat Merkel ihren Ruf weg als Trump-Bändigerin. Wer nicht auf dem Foto zu sehen ist, ist Lars-Hendrik Röller. Allerdings nur knapp: Merkels damaliger Wirtschaftsberater und Chefverhandler des Gipfels stand in dem Moment direkt hinter seiner Chefin – wie so oft in jenen Jahren.
Herr Röller, wie tickt Donald Trump?
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Donald Trump kommt bekanntlich aus dem Immobiliengeschäft in New York. Das prägt auch seinen politischen Ansatz: Er sucht nach Deals, die sehr stark wirtschaftlich motiviert sind. Dabei neigt er dazu, seine Verhandlungsmacht als Präsident der weltstärksten Volkswirtschaft sehr hart und aggressiv einzusetzen. Und er bevorzugt immer bilaterale Absprachen: Verhandlungen, an denen mehrere Partner beteiligt sind, schätzt er weniger. Auf jeden Fall geht es ihm stets darum, den größtmöglichen Vorteil für sich herauszuholen.
Will das nicht jeder?
Ein Stück weit spielt natürlich jeder für sich. Das gilt für Deutschland, für Frankreich, für Europa genauso. Es gibt aber zwei Unterschiede. Der eine ist: Denke ich kurzfristig oder langfristig? Es kann klug sein, in bestimmten Punkten erst einmal nachzugeben, um später umso stärker zu profitieren. Das ist eine Strategie, die Deutschland etwa auf der europäischen Ebene immer wieder gut getan hat. Zweitens: Es gibt übergeordnete Ziele, etwa den Klimaschutz oder die globale Gesundheit, bei denen es nicht reicht, nur für sich selbst gut zu sorgen. Da sitzen alle im selben Boot und müssen kooperieren. Wenn da ein Einzelner ausschert, weil er für sich noch mehr herausschlagen will, leiden alle darunter – er selbst übrigens auch.
Wie verhandelt Trump?
Er steigt grundsätzlich immer mit Maximalforderungen ein. Am Ende muss er als Gewinner dastehen, ein Bedürfnis, das sich kluge Verhandler zunutze machen können. Und er weiß genau, was er will, und sagt es sehr laut und deutlich.
Was denn?
Aus meiner Sicht ist der für ihn entscheidende Punkt tatsächlich Amerikas Handelsdefizit. Trump ist überzeugt davon, dass die ganze Welt Amerika seit dem Zweiten Weltkrieg praktisch ausgenutzt hat. Er will dafür sorgen, dass das aufhört, sprich: dass wir mehr amerikanische Produkte kaufen. Das andere große Thema ist, dass die anderen Staaten mehr Geld für Rüstung ausgeben sollen.
Wie ist der amerikanische Präsident im persönlichen Umgang?
Meiner Erfahrung nach läuft es normalerweise nicht so wie in dem Gespräch mit Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus, als Trump und sein Vize JD Vance so auf ihn einredeten. Es kann sein, dass Trump unter vier Augen noch einmal anders redet, aber wenn wir Berater mit im Raum waren, wahrte er eigentlich immer die Form und blieb höflich. Man kann auch durchaus Lösungen mit ihm finden, wenn es um einen Deal geht.
Gibt es etwas, das Ihrer Ansicht nach in der neuen Trump-Amtszeit anders ist als beim letzten Mal?
Die grundsätzliche Richtung ist die gleiche, aber in seiner Umsetzung ist Trump wesentlich schneller, kompromissloser und direkter. Das stellt letztlich die ganze Weltordnung infrage. Was an deren Stelle tritt, ist noch nicht entschieden. Ich habe mit dem Berlin Global Dialogue, der im Oktober zum dritten Mal stattfindet, ein internationales Gesprächsformat für Wirtschaftsaußenpolitik gegründet, das sich genau diesem Thema widmet: Können wir, auch wenn gerade so vieles kaputt geht, die multilaterale Zusammenarbeit in der Welt am Ende vielleicht sogar stärken? Noch ist ja nicht ausgemacht, wo die Reise hingeht.
Auf dem G7-Gipfel in Kanada 2018 waren Sie der sogenannte Sherpa, der deutsche Chefunterhändler. Dort entstand dieses berühmte Foto: Alle Staatsmänner hinter Angela Merkel geschart, sie beugt sich zum sitzenden Trump hinunter und scheint ihm zu sagen, wo es lang geht. War das wirklich so?
Ich stand in dem Moment direkt hinter Angela Merkel. Es war ein schwieriger Gipfel: Die USA setzten bereits auf Strafzölle, während die anderen Partner ein Signal für den freien Welthandel setzen wollten. Wir Sherpas verhandelten die ganze Nacht über eine Abschlusserklärung, ohne zu einer Einigung zu kommen. Da hat die Kanzlerin gesagt: Ich bespreche das jetzt mal mit Trump direkt. Das ist die Szene auf dem Foto: Sie hatte sich den Textentwurf mit den eckigen Klammern an den strittigen Punkten ausgedruckt und Trump auf den Tisch gelegt. Damit ging es dann ganz schnell.
Das Foto zeigt also tatsächlich einen Verhandlungserfolg?
Ja, auch wenn er nicht lange hielt. Noch auf seinem Rückflug in der Air Force One zog Trump seine Zustimmung wieder zurück, wobei unter Experten umstritten ist, ob das überhaupt geht. Ob der G7-Gipfel von Kanada eine Abschlusserklärung hat oder nicht, ist seitdem sozusagen Auslegungssache.
Die meisten Kommentatoren sagten schon damals, was sie auch heute wieder sagen: dass Trump sich mit all den neuen Zöllen ins eigene Fleisch schneidet. Warum sollte er das tun?
Ein Erklärungsversuch ist, dass er damit wieder mehr Industrie nach Amerika holen wolle, und das dauere eben eine Weile, dafür müsse man kurzfristige Turbulenzen in Kauf nehmen. In einer anderen Lesart ist das Zollthema nur eine Drohgebärde, um anschließend einen besseren Deal für sich herauszuholen. Beide Varianten halte ich nicht für erfolgversprechend. Ich kann zum Beispiel bei Trumps jüngster Zoll-Einigung mit China nicht erkennen, dass Amerika dadurch jetzt bessere Bedingungen bekommen hätte als vorher. Aber aus meiner Sicht ist sowieso viel entscheidender, dass die ganze Situation für uns Europäer durchaus positive Auswirkungen haben könnte.
Ja? Welche denn?
Durch Trump und gleichzeitig natürlich auch durch den Krieg in der Ukraine ist das wirtschaftliche und sicherheitspolitische Bedrohungspotenzial gerade so groß, dass sich jetzt wirklich etwas auf europäischer Ebene bewegen muss. Entbürokratisierung, ein integrierter Finanzmarkt und eine stärker wirtschaftlich geprägte Außenpolitik etwa mit Blick auf China, Indien und Australien. In einer Demokratie ist es immer schwierig, große Veränderungen durchzusetzen, solange es allen noch gut geht. Krisenzeiten jedoch bieten eine Chance, Veränderungen anzugehen und durchzusetzen.