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US-SicherheitsstrategieWill Trump die EU zerstören, Herr Jäger?

4 min
Prof. Thomas Jäger, Politologe, Köln

Es kommt nicht darauf 

Die USA wollten die Entdemokratisierung Europas, sagt der Kölner Politikwissenschaftler Prof. Thomas Jäger über die neue US-Sicherheitsstrategie. Wie können wir auf diese Herausforderung reagieren?

Wenn Moskau die neue US-Sicherheitsstrategie begrüßt und erklärt, man sei weitgehend auf einer Linie, müssten doch überall die Alarmglocken schrillen – auch in den USA, oder?

Bei republikanischen Senatoren schrillen sie schon länger, in der Bevölkerung auch. Aber nicht bei dieser Regierung. Viele Abgeordnete und Senatoren weisen schon länger darauf hin, dass Trumps Politik US-Interessen widerspricht. Nur stört das die Regierung nicht.

Vize-Außenminister Christopher Landau wirft den Europäern vor, sie hätten zwei Hüte auf, den Nato-Hut und den EU-Hut, und das passe nicht zusammen. Will die Trump-Administration die EU zerstören?

Ja, Trump hat mal gesagt, die EU sei gegründet worden, um die USA auszunutzen. Das ist die Regierungslinie: Die EU-Regulierungen sind US-Unternehmen ein Dorn im Auge. Wenn man stattdessen mit einzelnen europäischen Staaten verhandeln könnte, wäre es einfacher, da ist die Asymmetrie viel größer. Die Europäer sind eben einerseits Bündnispartner und andererseits wirtschaftliche Konkurrenten. Das ist die ganzen Jahre so gewesen. Deshalb haben die USA 1990 wesentlich dazu beigetragen, dass die Europäer sich auf dem Gebiet von Sicherheit und Verteidigung nicht organisiert haben. Man wollte keine Parallelstruktur zur Nato in der EU.

Wäre die EU in der Lage, so eine Parallelstruktur aufzubauen? Oder müssten sich da eher einzelne Staaten zusammentun?

Es wird nicht im EU-Rahmen gehen, weil da immer einzelne Staaten per Veto verhindern können, dass man auf eine Linie kommt. Es wird nur gehen, wenn sich einzelne Staaten zusammentun. Also das Europa der zwei Geschwindigkeiten, von dem immer die Rede ist.

Und wie müssten diese europäischen Partner auf die USA blicken? Was ja auffällt, ist die Doppelbödigkeit: Einerseits sagen sie den Europäern, sie müssten ihre Sicherheit selbst in die Hand nehmen. Andererseits will man eine Erweiterung der Nato verhindern. Also Bündnisleistungen nicht mehr erbringen, aber bei der Entwicklung des Bündnisses mitreden.

Die Nationale Sicherheitsstrategie ist in sich völlig widersprüchlich. Die USA wollen auf allen Gebieten der stärkste Staat sein. Sie wollen verhindern, dass andere global oder regional dominieren. Zugleich aber wollen sie selbst keine Dominanz ausüben. Das passt nicht zusammen. Die Logik der US-Politik ist es, die eigene Stärke einzusetzen, um Geschäfte zu machen. China dagegen setzt Unternehmen ein, um politische Zwecke zu erfüllen. Und den Europäern einerseits zu sagen, sie müssten selbstständig werden, und andererseits die Richtung bestimmen zu wollen, die der Kontinent nimmt – das funktioniert nicht.

Haben die USA überhaupt die Ressourcen, um so zu agieren, wie die Regierung Trump es will?

Eine interessante Frage. Wenn ich mich in jemanden versetze, der dieses Dokument in Peking oder Moskau liest, dann würde ich mir überlegen, wo ich in Zentral- und Lateinamerika Konflikte schüren kann, um die USA zu binden, so dass sie anderswo Ressourcen abziehen müssen. Denn das ist die Logik der Nationalen Sicherheitsstrategie, die Interessenzonen abstuft: erst die sogenannte westliche Hemisphäre, also die Amerikas. Dann der Pazifik. Dann Europa, danach der Mittlere Osten und dann Afrika. So eine grobe Prioritätensetzung ist unbrauchbar. Man kann doch nicht zum Beispiel die Verbindung zwischen Europa und dem Pazifik außer Acht lassen, als wären das unterschiedliche Welten. Die Frage wird also sein, was die Gegner der USA tun, um deren Ressourcen zu binden. Diese Gegner werden interessanterweise gar nicht genannt. Wenn man auf das im Präsidentschaftswahlkampf veröffentlichte Project 2025 blickt, das ja eine Blaupause für die Trump-Administration sein sollte, dann hätte man erwartet, dass als erstes der Rivale China angesprochen wird. Und dass alle Politik auf den Wettbewerb mit China ausgerichtet wird. Das ist hier nicht der Fall.

Man will diese Verbündeten nur nicht in der Form haben, in der sie heute existieren.
Prof. Thomas Jäger

In so einem Wettbewerb müssten die USA aber möglicherweise die Zusammenarbeit mit den Europäern suchen …

Genau. Dann wären die Verbündeten wirklich als Verbündete gefragt. Im einen oder anderen Satz wird auch erkennbar, dass man den Gedanken, Verbündete zu haben, noch nicht ganz aufgegeben hat. Man will diese Verbündeten nur nicht in der Form haben, in der sie heute existieren. Man will sie nach dem Vorbild des aktuellen Umbaus in den USA selbst verändern. Nach MAGA, Make America Great Again, soll jetzt sozusagen MEGA für Europa kommen. Die Entdemokratisierung der USA soll sich in Europa spiegeln.

Die Europäer reagieren in ihrer großen Mehrheit deeskalierend. Machen sie das richtig?

Ja, es ist richtig, zu sagen: Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht ist. Abzuwarten, was überhaupt daraus wird. Dass ein so erratischer Präsident an seine eigenen Leitlinien hält, ist unwahrscheinlich. Und es stehen Dinge drin, die Trump nicht gefallen können, etwa: Soft Power. Die hat er geschreddert. Die Europäer haben recht, wenn sie sanft reden, aber hart handeln. Ob sie handeln, das ist der Lackmustest. Nicht, wie sie reden.

Was müssten sie denn tun?

Sie müssten eine Führungsstruktur aufbauen. Es hat schon mehrere Treffen gegeben mit Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Polen, Italien – dieser Kreis hat sich herausgebildet. Das muss jetzt viel strikter angegangen werden. Parallel zur militärischen Ertüchtigung und zum Wirtschaftswachstum, die diese trägt. Es geht um die mentale Zeitenwende. Wir müssen verstehen, dass nichts mehr so wird wie früher. Wir können nicht sagen: Diese drei Jahre Trump halten wir noch durch, und dann wird es wieder wie früher. Dann kommt ein neuer Joe Biden. Das wird nicht der Fall sein.

Gut, es wird kein neuer Joe Biden kommen. Aber könnte es nicht zumindest sein, dass die US-Bürger das MAGA-Lager bei der nächsten Wahl schon aus wirtschaftlicher Frustration zum Teufel jagen? Dass uns zumindest ein Präsident JD Vance erspart bleibt?

Wenn es wirklich so käme, dass MAGA abgewählt wird, könnte sich das Verhältnis zu Europa wieder ändern. Denn sowohl bei den Republikanern als auch bei den Demokraten gibt es Leute, die ein ganz anderes Verhältnis zu Europa haben als diese MAGA-Gruppe. Trotzdem müssen die Europäer sich selbst so weit ertüchtigen, dass sie Bedrohungen aus eigener Kraft abwehren können.