Interview

Galeria-Chef und Insolvenzverwalter
„Das muss die letzte Insolvenz sein“

Lesezeit 7 Minuten
Ein Warenhaus von Galeria Karstadt Kaufhof in Bochum

Ein Warenhaus von Galeria Karstadt Kaufhof in Bochum

Die Zukunft für Deutschlands letzten Warenhauskonzern sieht düster aus? Das sehen sein Chef und sein Insolvenzverwalter anders. Beide geben sich zuversichtlich. Im April wollen sie einen Investor präsentieren.

Optimismus zu verbreiten gehört zur Kernkompetenz von Insolvenzverwaltern, die Unternehmen retten wollen. Stefan Denkhaus lacht viel, sagt mal „klar“ und mal „nö“, wenn er über die Chancen für Galeria Karstadt Kaufhof spricht oder über die für den Erhalt der Essener Zentrale. Dort treffen Ulf Meinke, Hanna-Lotte Mikuteit und Stefan Schulte Denkhaus und Galeria-Chef Olivier Van den Bossche zum Doppelinterview.

Herr Denkhaus, aktuell werden im Winterschlussverkauf in den Galeria-Kaufhäusern vor allem Waren der auslaufenden Saison verkauft. Kommen trotz Insolvenz in den nächsten Wochen neue Waren?

Denkhaus: Das Geschäft läuft ganz normal weiter – auch im Einkauf. Wir wollen ja einen Investor finden. Und der Prozess wäre zum Scheitern verurteilt, wenn wir jetzt keine Ware einkaufen würden, auch für den nächsten Winter.

In ihren Händen liegt das Schicksal von Galeria Karstadt Kaufhof: Vorstandschef Olivier Van den Bossche (links) und Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus in der Essener Konzernzentrale.

In ihren Händen liegt das Schicksal von Galeria Karstadt Kaufhof: Vorstandschef Olivier Van den Bossche (links) und Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus in der Essener Konzernzentrale.

Können Ihre Lieferanten sicher sein, dass Ihre Rechnungen beglichen werden?

Denkhaus: Ja, Galeria wird jede Bestellung, die ab dem 9. Januar ausgelöst wurde, bezahlen. Der Grund der Insolvenz ist, dass es unter den gegebenen Umständen keine Fortführungsperspektive für das Unternehmen gibt. Es braucht einen neuen Eigentümer.

Herr Van den Bossche, Sie sind auf Tour durch die 92 Galeria-Standorte – was ist ihr Eindruck?

Van den Bossche: Ich bin immer mindestens zwei Tage in der Woche in den Filialen. Die Stimmung ist wirklich gut. Das haben Stefan Denkhaus und ich zusammen in Hamburg, in München oder in Bonn gespürt. Natürlich gibt es in einem solchen Prozess immer auch Ungewissheit, aber die Mitarbeiter verstehen, dass wir durch diese Insolvenz jetzt die Chance haben, uns von erdrückenden Mieten zu befreien und einen neuen Eigentümer zu finden.

Weil die Belegschaft glaubt, dass es ohne Signa und René Benko nur besser werden kann?

Van den Bossche: Wir verstehen dieses Verfahren ausdrücklich als einen Befreiungsschlag.

Herr Denkhaus, Sie haben viel Erfahrung im Managen von Insolvenzen. Wie viele Insolvenzen kann ein Unternehmen überstehen?

Denkhaus: Es muss ganz klar das Ziel sein, dass das die letzte Insolvenz ist. Die Chancen sind gut. Das Verfahren wurde professionell vorbereitet. Wir sind in ruhigem Fahrwasser und können die Häuser gut durch diese Phase steuern.

Viele sagen, Warenhäuser sind ein totes Geschäftsmodell. Ist das Konzept, ist Galeria wirklich noch zu retten?

Denkhaus: Ich bin überzeugt: Das Warenhaus lebt. Galeria hat Zukunft, und das ist auch entscheidend dafür, dass unsere Innenstädte nicht veröden.

Aber wir haben bei den vergangenen beiden Insolvenzen gesehen, dass nichts besser geworden ist. Und dass, obwohl sich der Konzern zweimal komplett entschulden konnte. Welche Erklärung haben Sie dafür?

Denkhaus: Das war eine andere Zeit. Die Zinswende hat dazu beigetragen, dass das System der Immobilienentwickler kollabiert ist. Und man muss sagen, dass die Mieten in den Signa-Immobilien für Galeria teilweise deutlich oberhalb dessen liegen, was man gewöhnlich an Mieten zahlt.

Also liegt es allein an den Signa-Mieten? Demnach hat von den letzten beiden Insolvenzen nur Benko profitiert und die Warenhäuser in Deutschland weiter ausgesaugt?

Denkhaus: Im Insolvenzplan hat der Eigentümer ja auch hohe Investitionen versprochen, darauf haben die Gläubiger seinerzeit vertraut. Aber diese Mittel waren aufgrund der Insolvenzen in der Signa-Gruppe nicht mehr zu erwarten.

Jene 200 Millionen Euro, die nie geflossen sind. Der Insolvenzverwalter der Signa Holding hat gerade erklärt, Forderungen innerhalb des Signa-Konzerns erkenne er nicht an. Meint er damit auch Ihre 200 Millionen?

Denkhaus: Ja. Aber wir sehen das natürlich anders als der Signa-Insolvenzverwalter.

Behalten Sie im Gegenzug nun die Mieten ein?

Denkhaus: So leicht geht das nicht, weil es unterschiedliche Gesellschaften sind. Ich kann nicht ohne weiteres der einen die Miete vorenthalten, weil die andere uns Geld vorenthält.

Aber letztlich war das doch ein Taschenspielertrick von Benko: Er hat Geld versprochen, nicht gezahlt, aber weiter überhöhte Mieten kassiert.

Denkhaus: Da erlaube ich mir nach drei Wochen kein abschließendes Urteil. Die juristische Aufarbeitung im Rahmen dieses Insolvenzverfahrens folgt später.

Herr Van den Bossche, Sie haben unlängst gesagt, 60 Filialen seien rentabel...

Van den Bossche: ...es sind sogar mehr als 60.

Heißt das, die anderen rund 30 werden geschlossen?

Van den Bossche: Aber nein, operativ arbeiten alle Filialen rentabel...

...wirklich alle? Das überrascht.

Van den Bossche: Ja, vor Abzug von Steuern, Zinsen, Abschreibungen und Mieten verdienen alle unsere Filialen Geld. Das Quartal von Oktober bis Dezember ist sehr gut gelaufen. Die Umsätze lagen über dem Vorjahr und die Besucherzahlen haben sich gegen den Markttrend erfreulich entwickelt.

Und wie sieht es nach Abzug der Mieten aus?

Van den Bossche: Wir haben 16 Filialen, die durch die zu hohen Mieten unrentabel sind.

Die befinden sich nicht zufällig in Signa-Immobilien?

Denkhaus: Wir verhandeln an erster Stelle die Mieten mit Signa nach. Aber nicht nur. Unser Zielkorridor ist ein Umsatzanteil der Mieten von zwischen sieben und elf Prozent. Da sind wir noch nicht überall.

Gehört zu dem von Ihnen beschworenen Befreiungsschlag, mit dem Sie eine Loslösung von Signa und Benko verbunden haben, nicht zwangsläufig, sich aus seinen Häusern zurückzuziehen? Sind diese 16 Filialen also am ehesten gefährdet?

Denkhaus: Das kommt darauf an, wie die Verhandlungen laufen. Wir versuchen zunächst, alle Standorte zu erhalten.

Herr Van den Bossche, wie viele Filialen müssen Sie behalten, um genügend Verhandlungsmacht gegenüber den Lieferanten zu behalten?

Van den Bossche: Es geht auch nicht nur um die Verhandlungen mit unseren Lieferanten oder für die Produktion unserer Eigenmarken. Wir brauchen auch eine gewisse Größe, um bundesweit vertreten zu sein. Das wird mit weniger als 60 Filialen schwierig.

Herr Denkhaus, gehört zu Ihren ersten Kostensenkungsmaßnahmen, aus der Zentrale hier in Essen auszuziehen? Auch sie gehört Signa und die Miete ist hoch.

Denkhaus: Auch hier müssen wir über die Miete reden, das ist richtig.

Uns schien klar, dass Sie so bald wie möglich hier raus wollen...

Denkhaus (schaut sich um): ...schauen Sie sich mal um, was hier alles leer steht. Als wir hier ankamen, haben uns viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gezeigt, wie marode das Gebäude ist, in einigen Büros saßen viele mit Mantel und Schal am Bildschirm, in anderen war es viel zu heiß. Aber bei der Suche nach einer möglichen neuen Zentrale müssen wir auch den künftigen Investor ins Boot holen.

Wie viele potenzielle Investoren, die Galeria Karstadt Kaufhof übernehmen wollen, haben sich bei Ihnen schon gemeldet?

Denkhaus: Es sind viele. Das stimmt mich optimistisch.

Wenn Sie schon nicht über Namen sprechen wollen: Können wir davon ausgehen, dass es sich um eine bunte Mischung handelt – um Investoren aus dem In- und Ausland, aus der Handels- und aus der Finanzinvestoren-Szene?

Denkhaus: Das ist richtig.

Welche Bedingungen muss denn ein Investor erfüllen, um Galeria Karstadt Kaufhof übernehmen zu können?

Denkhaus: Wir haben am vergangenen Freitag einen mehrstufigen Prozess gestartet. Wir haben bereits jetzt erste Rückmeldungen von möglichen Investoren. Im nächsten Schritt geben wir ein sogenanntes Factbook mit mehr Informationen zu Galeria heraus. Danach erwarten wir Angebote, die noch nicht bindend sind. Dann gucken wir, mit wem wir in vertiefte Verhandlungen gehen.

Ist der Kaufpreis das entscheidende Kriterium?

Denkhaus: Es wäre zum Beispiel auch wünschenswert, dass das Warenhaus nicht mehr ein Anhängsel der Immobilien ist. Im Augenblick stehen große Teile des Gebäudebestands der Signa nach unserer Kenntnis zum Verkauf. Wenn Investoren über Immobilien verfügen und diese in die Bilanz von Galeria Karstadt Kaufhof einbringen, hat das Vorteile. Eine mögliche Alternative wäre ein vernünftiger Mietzins für das Warenhausgeschäft. Was jedenfalls nicht mehr passieren darf: Dass das Warenhaus nur buckelt, um hohe Mieten überweisen zu können.

Herr Van den Bossche, Sie sind lange im Geschäft. Wünschen Sie sich einen Investor mit Handelsexpertise und Erfahrung?

Van den Bossche: Wichtig wäre für uns ein strategischer Investor, der langfristig auf den Handel und unsere Warenhäuser setzt.

Als René Benko im Jahr 2014 bei Karstadt einstieg, soll er die seinerzeit mehr als 80 Filialen für einen symbolischen Euro übernommen haben. Rechnen Sie bei dem Verkauf, der diesmal ansteht, überhaupt mit einem Verkaufspreis?

Denkhaus: Mein Anspruch als Insolvenzverwalter ist immer, die Interessen der Gläubiger bestmöglich zu befriedigen.

Kommt auch ein Verkauf von Teilen der Warenhauskette infrage, also eine Zerschlagung von Galeria Karstadt Kaufhof?

Denkhaus: Wir haben den Plan, einen Investor für Galeria Karstadt Kaufhof als Ganzes zu finden. Wenn potenzielle Investoren Interesse an einzelnen Standorten oder Paketen von mehreren Filialen haben, nehmen wir dies zur Kenntnis. Bevorzugt sprechen wir aber zunächst einmal mit möglichen Käufern, die das Unternehmen in seiner Gesamtheit weiterführen wollen.

Bis wann soll der Verkauf über die Bühne gegangen sein?

Denkhaus: Unser Ziel ist, die Verträge spätestens im April unterschrieben zu haben.

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