Wolfgang Niedecken„Du, der Vater will mit dir reden“

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Der Niedecken-Clan, festgehalten mit Selbstauslöser (v.l.): Tina, Isis und Jojo, Severin, Käthie, Robin mit seiner Freundin Janina und Wolfgang. (Foto: privat)

Der Niedecken-Clan, festgehalten mit Selbstauslöser (v.l.): Tina, Isis und Jojo, Severin, Käthie, Robin mit seiner Freundin Janina und Wolfgang. (Foto: privat)

Köln – Bei Wolfgang Niedecken ist es nicht anders als bei vielen anderen Männern. Irgendwann werden Charaktereigenschaften an sich entdeckt, die man von seinem eigenen Vater kennt. Gerade in Konfliktsituationen wird das offensichtlich: "Ich war stur und neigte zum Jähzorn", erinnert sich Niedecken an seine Kindheit. "Mein Vater fing dann immer an zu predigen und erzählte von seinen Moralvorstellungen. Meine Mutter dagegen war sehr kurz angebunden: Sie hat ihren Rock hochgehoben, trat mir in den Hintern, und dann war gut." Heute gibt es im Hause Niedecken zwar keine mütterliche Ermahnungen, die auf den Allerwertesten abzielen, aber ein Satz fällt gerne, wenn dicke Luft ist: "Du, der Vater will mit dir reden."

Wolfgang Niedecken lebt allein unter Frauen: mit seiner zweiten Ehefrau Tina, der er auf dem aktuellen BAP-Album eine rührende Liebeserklärung gemacht hat ("Waat ens jrad") und den gemeinsamen Töchtern Isis-Maria (17) und Joana-Josephine (15), genannt Jojo. Zudem hat er zwei Söhne aus erster Ehe: Severin wurde vor 27 Jahren geboren, und als zwei Jahre später dessen Bruder zur Welt kam, fragte der Kölner Musiker-Kollege Purple Schulz spöttisch: "Un. . . wie nennste dä? Subbelrath?" Nein, Robin.

Den Niedecken-Clan komplettiert Schwägerin Käthie, bei der es für alle einen festen Termin im Jahr gibt: Am ersten Weihnachtstag tischt sie Sauerbraten mit Rotkohl und Klößen auf. "Für mich als Vegetarier ein hartes Los", sagt Niedecken, der nicht anders kann, als an diesem Tag eine Ausnahme zu machen: "Zumindest die Soße esse ich immer mit. Ich kann nicht anfangen und Extra-Würste verlangen. Sauerbraten bei Käthie ist einfach Tradition."

Niedecken erzählt, wie sehr er diese Zusammenkünfte genießt. Früher, da habe er mit einem geregelten Familienleben so sein Probleme gehabt. Alles, was irgendwie spießig wirkte, lehnte er ab. "Ich habe sehr aus der Hüfte gelebt." Und: "Ich war damals überhaupt kein Familienvater."

Rückblick: Wolfgang Niedecken zieht bei seiner ersten Frau Carmen aus, als Robin zwei und Severin vier Jahre alt sind. Niedecken wohnt nach der Trennung nur einen Steinwurf entfernt auf der anderen Straßenseite. "Ich war immer greifbar." Aber eines hätten seine Söhne nicht erleben können, und Niedecken schiebt "zu meinem Leidwesen" hinterher: "Kinder sollten erfahren, wie das Zusammenleben von Mann und Frau, Mutter und Vater, funktioniert."

Als Wolfgang und Carmen zusammenkommen, steckt BAP noch in den Kinderschuhen. Verdamp lang her. Als die Band in den Folgejahren zur bundesweit bekannten Rockband mit Auslands-Tourneen aufsteigt, geht es privat bergab. "Wir haben uns getrennt, weil unsere Lebensentwürfe nicht mehr übereinkamen", blickt Niedecken zurück, betont aber eines: "Wir haben alle von dem gelebt, was mir eingefallen ist. Du konntest nicht sagen: ,Jetzt hab' ich mal ein Jahr Rock 'n' Roll gemacht, jetzt bleib' ich mal ein Jahr bei den Kindern, und du machst Krankengymnastik.' In dem Jahr wäre mit der Band alles vorbei gewesen." Auch wegen Niedeckens "ständiger psychischer Abwesenheit" von zu Hause - "ich war zwar da, aber mit meinen Gedanken beim nächsten Songtext" - scheitert die Ehe.

1993 heiratet Niedecken ein zweites Mal (siehe "Erinnerungen"): "Als ich Tina kennen lernte, war völlig klar, was ich mache." Auf den Musiker und Maler wird Rücksicht genommen. "Das ist wohl in allen Künstlerfamilien so: Da ist einer, der braucht seinen Freiraum, und der muss außerhalb von allen möglichen Konventionen arbeiten können. Und zu allen möglichen Zeiten."

Mindestens einmal im Monat kommt der Niedecken-Clan zusammen. Dann wird im großen Kreis zu Hause gegessen, oder es geht in ein Restaurant. Kunst verbindet den BAP-Sänger mit seinen Söhnen zusätzlich. Robin und Severin besuchen die Kunsthochschule für Medien. "Früher bin ich immer einmal pro Woche mit den Jungs ins Kino gegangen, zurzeit komme ich aber nicht mehr dazu", erzählt Niedecken. Und sagt: "Leider."

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