Am Montag gastiert Bob Dylan in der Kölner Lanxess-Arena. Der BAP-Chef ist ihm eng verbunden. Für die Rundschau schreibt Niedecken exklusiv und sehr persönlich über seinen „Polarstern“.
Wolfgang Niedecken über Bob Dylan„Mein Leben wäre ohne ihn anders verlaufen“

Vor Dylans erster Wohnung in New York: Wolfgang Niedecken auf Spurensuche in den USA 2017.
Copyright: Tina Niedecken
Als Bob Dylan am 26. Juni '78 in der Dortmunder Westfalenhalle sein allererstes Konzert auf deutschem Boden spielte, war ich natürlich zugegen. Ich hatte mich mit meiner Kasten-Ente auf den Weg ins Ruhrgebiet gemacht, im Kassettendeck liefen seine letzten beiden Alben „Blood On The Tracks“ and „Desire“, und ich war total gespannt, welche Songs davon meine Freundin und ich am Abend zu hören bekommen würden.

Auf den Spuren von Bob Dylan war Wolfgang Niedecken vor acht Jahren in den USA unterwegs. Fotograf David Cramer dokumentierte Dylans Aufstieg.
Copyright: Tina Niedecken
Mit der „Rolling Thunder-Review“ war Dylan in den Jahren zuvor nur in den USA unterwegs gewesen, aber das, was wir in Europa davon mitgekriegt hatten, klang vielversprechend. Ein Programm mit wechselnden Gästen, von Joan Baez über Joni Mitchell bis zum Beat-Poeten Allen Ginsberg und dem Byrds-Sänger Roger McGuinn. Eine chaotische Gauklertruppe mit einer flexiblen Band, deren Geigerin Scarlet Rivera den Sound maßgeblich prägte. Mit dieser Unternehmung hatte er sich eindrucksvoll aus seinem selbst gewählten Woodstock-Exil zurückgemeldet, wo er 1966 nach einem Motorradunfall für fast ein Jahrzehnt lang abgetaucht war.
Persönliches Urknall-Erlebnis
Der Sänger meiner Schülerband, in der ich Bassgitarre spielte, hatte mich 1965 auf Dylan aufmerksam gemacht, indem er die Single von „Like A Rolling Stone“ auflegte. Von dem Moment an war nichts wie bisher. Er hatte vorher noch den Text rausgehört und sogar für uns übersetzt. Ich wusste unmittelbar, dass meine Tage als Bassist gezählt waren. Von da an wollte ich Lieder wie der Typ mit der Sonnenbrille schreiben. Seine Alben bis einschließlich „Highway 61 Revisited (mit dem unfassbaren Epos „Desolation Row“) waren bis dahin spurlos an mir vorbeigezogen. Den Song „Blowin' In The Wind“ kannte ich nur in der Version von Peter, Paul & Mary, und damit konnte ich wenig bis gar nichts anfangen.
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Wolfgang Niedecken auf seiner Bob Dylan-Reise, hier in New Orleans
Copyright: Tina Niedecken
Nach meinem persönlichen Urknall-Erlebnis habe ich mir nach und nach die bisher erschienenen Dylan Alben zugelegt und war jedes Mal verblüfft von dem, was ich zu hören bekam. Es waren Songs wie „Chimes Of Freedom“, „Master Of War“, „My Back Pages“, „The Times They Are A-Changing“ und vor allem „A Hard Rains Gonna Fall“, die mich entscheidend geprägt haben. Meine Englischkenntnisse haben in diesen Jahren, in denen den Alben noch keine Songtexte beilagen, deutliche Fortschritte gemacht. Manches hat man auch missverstanden, aber die Haltung war eindeutig: Abgrenzung zu allem, was angepasst war.
Dylan hatte mich angeknipst, und von seinem 1966er Doppel-Album „Blonde On Blonde“ an war mir klar, wo es für mich langging. Ich fing an, mich für bildende Kunst, Literatur, Geschichte und fremde Länder zu interessieren und habe begriffen, dass man die Augen offenhalten und seine eigenen Erfahrungen machen muss. Ohne Bob Dylan hätte ich wohl kaum Malerei studiert und wäre nie auf die Idee gekommen, eigene Songs zu schreiben. Von Mitte der 60er an war er der Polarstern, an dem ich mich orientieren konnte.
In den Jahren meines Studiums an den Kölner Werkschulen habe ich allerdings eine zeitlang das Interesse an seinen aktuellen Alben verloren. „Self Portrait“ und „Nashville Skyline“ kamen mir bieder vor. Irgendwie uninteressant. Damals dachte ich, dass er sein Pulver verschossen hätte. So kann man sich täuschen.
Bob Dylan und die Anfänge von BAP
Erst während meines Zivildienstes, wo ich Essen auf Rädern mit einem eingefleischten Dylan-Fan namens Frieder Engsfeld ausfuhr, ging es mit Dylan für mich weiter. In seinem Woodstock-Exil hatte er einige hörenswerte Alben wie „John Wesley Harding“, „New Morning“, „Planet Waves“ und vor allem die „Basement-Tapes“ mit seiner Tourband „The Band“ aufgenommen, mit der er 1974 nach acht Jahren doch noch einmal auf Amerika-Tour ging. Ich kann Frieder gar nicht dankbar genug sein, denn durch seine Nachhilfestunden habe ich noch einmal die Lust verspürt, mit ein paar alten Freunden einmal in der Woche einen Kasten Bier leer zu proben. Das waren die Anfänge von BAP.
Fünfzig Jahre ist das jetzt her. Inzwischen gab es in Dylans Karriere noch einige Überraschungen. Beispielsweise seine religiöse Phase, mit der er so einige Fans verschreckte. Mich nicht, denn diese drei Alben waren für mich nur weiterere Belege dafür, dass er ausschließlich das tut, was er für richtig hält. Es gab Ende der 80er eine Phase der Orientierungslosigkeit, die ich mir nur mit einer Midlife Crisis erklären konnte, und viel später eine, wo er mit Frank Sinatras Repertoire auf Tour ging. In den Jahren dazwischen schuf er ein faszinierendes Alterswerk, das 1997 mit dem von Daniel Lanois produzierten Album „Time Out Of Mind“ seinen Anfang nahm.
Manchmal hatte man den Eindruck, wenn man ihn live erlebte, dass er ausgebrannt sei, dass er keinen Bock mehr hätte. Ich habe einige katastrophale Gigs von ihm erlebt, aber auch sensationelle mit überraschenden Setlisten und großer Spielfreude. Dreimal haben wir auf Festivals vor ihm gespielt, wo ich ihn von der Bühne aus erleben durfte.
Kauzig, aber gnadenlos authentisch
Zwei Mal habe ich ihn persönlich getroffen. 2017 bin ich mit einem kleinen Filmteam im Auftrag von WDR/ARTE kreuz und quer auf den Spuren von Bob Dylan durch die USA gereist und habe anschließend ein Buch über diese Reise geschrieben.
Wenn Dylan am kommenden Montag in die Lanxess-Arena kommt, kann man davon ausgehen, dass er ein ausgewogenes Programm spielt. Den Schwerpunkt werden Songs aus seinem bewegenden letzten Album „Rough & Rowdy Ways“ bilden, mit dem er uns ein weiteres Mal überrascht hat. Wie man den im Internet aufgelisteten Setlisten der laufenden Tournee entnehmen kann, wird es auf keinen Fall ein Best of-Programm geben. Er wird Lieder spielen, die seiner momentanen Verfassung entsprechen. Was man vom Meister selbst zu sehen bekommt, ist fraglich. Videowalls wird es wohl nicht geben. Als ich ihn zuletzt in Berlin gesehen habe, musste man sogar seine Handys beim Einlass abgeben. Zweimal war er für ein paar Momente neben sein Piano getreten, um sich bejubeln zu lassen, wortlos die rechte Hand in der Hüfte abgestützt!
Okay, ein wenig kauzig ist er schon, aber dafür ist er gnadenlos authentisch. Es gibt keine Erklärungen zu seinen Songs, er moderiert sie nicht. „Its all in the song“ (Es ist alles in den Liedern) hat er vor langer Zeit zu diesem Thema gesagt. Mein Leben wäre ohne ihn anders verlaufen. Ich bin ihm sehr dankbar.

