Diskussion in BornheimBürgerinnen kritisieren hohen Wasserverbrauch beim Rollrasen-Anbau

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Große grüne Rollrasenfläche im Bornheimer Ortsteil Sechtem.

Die Rollrasenflächen rund um Sechtem sorgen für Diskussion.

Zwei Sechtemerinnen kritisieren den hohen Wasserverbrauch beim Anbau von Rollrasen und haben Unterschriften gesammelt. Der Firmenchef reagiert auf ihre Argumente.

Sommertemperaturen um die 40 Grad, Wasserknappheit im Rhein, Dürre im Vorgebirge auf der einen Seite – intensiv bewässerte Rollrasenflächen rund um Sechtem auf der anderen Seite. Für Cilli Vehreschild und Conny Voß-Klauke passt das nicht zusammen, die expandierende Rollrasenproduktion ist in ihren Augen „ein Wahnsinn“. Das sehen offenbar auch 62 weitere Bürger so, die ein Schreiben mit Forderungen der Aktivistinnen unterzeichnet haben. Die Unterschriftenliste haben die beiden Sechtemerinnen an Bornheims Bürgermeister Christoph Becker (parteilos) übergeben.

Mit ihrer Aktion möchten sie einen Anstoß geben, „das Problem bewusst zu machen“ und sie fordern neue Regeln für eine ökologisch-nachhaltige und gemeinwohlorientierte Landwirtschaft. Cilli Vehreschild und Conny Voß-Klauke befürchten „massive, nachteilige Auswirkungen auf die Natur in der Umgebung durch die Monokulturflächen“, schreiben sie . Sie sind davon überzeugt, dass diese nicht den internationalen Nachhaltigkeitszielen entsprechen. Kostbarer Boden werde zu einseitig bewirtschaftet und allmählich abgetragen, fruchtbarer Boden sei endlich.

Höherer Steuersatz

Die riesigen Rasenflächen würden keiner Tierart einen Lebensraum bieten, daran würden auch die angelegten Blühstreifen an den Feldrändern nichts ändern. Angesichts des Klimawandels sorgen sich die beiden vor allem darum, dass „eine riesige Menge an kostbarem Grundwasser“ verbraucht wird: „Wasser gehört allen und ist zu kostbar, als dass es für Produkte dieser Art verschwendet werden darf.“ Konkret fordern Vehreschild und Voß-Klauke, dass Rollrasen künftig nicht mehr mit dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent wie bei Lebensmitteln, sondern mit 19 Prozent besteuert wird.

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Sie möchten die Grundwasserentnahme dafür mengenmäßig begrenzen und kontrollieren. Es sollte eine Priorisierung geben von landwirtschaftlichen Produkten, die systemrelevant sind, und jenen, die Luxusprodukte sind. Zudem fordern sie einen kontinuierlichen Humusaufbau und eine Stärkung der Biotopvernetzung, um Erosion zu vermeiden, heimischen Tieren und Pflanzen wieder mehr Lebensraum zu geben und die Wasserspeichermöglichkeiten zu fördern.

Christian Commer, Geschäftsführer des Betriebes „Rasenrolle“ vom Ophof in Sechtem, hält dagegen. Er hatte Cilli Vehrescheid und Conny Voß-Klauke bereits auf seinen Hof eingeladen, um die Bedenken der beiden auszuräumen. Commer will auch das Gespräch mit Bürgermeister Becker suchen. Zudem schrieb er den beiden Umweltaktivistinnen auch eine umfangreiche Stellungnahme. 1996 hatte Commers Vater mit der Rollrasenproduktion begonnen, was keineswegs eine „Schnapsidee“ gewesen sei. Vielmehr hätten die unbeständigen Preise in der Landwirtschaft ein zweites Standbein für den Erhalt des Betriebes erfordert.

Seitdem produziere der Betrieb auf regionale Anfrage hin für einen Umkreis von maximal 100 Kilometern und folglich „nicht im Übermaß“. Sein Unternehmen lege großen Wert auf kurze Transportwege, täglich frisch geschälten Rollrasen ohne Lagerung im Kühlhaus und ohne Transport im Kühl-Lkw. Laut Commers ist „jede landwirtschaftliche Tätigkeit ein Eingriff in die Natur und aus jeder dieser Produktionen lassen sich positive, aber auch negative Effekte für Mensch, Natur und Umwelt erzielen. Ich bin mir sicher, dass in den verschiedenen Betrieben noch deutlich mehr Potenzial zur Verbesserung der Nachhaltigkeit drin steckt.“ Die Grundwasserentnahme erfolge in enger Abstimmung mit den zuständigen Behörden.

Keine Erosion

Die „Rasenrolle“, so der Name des Unternehmens, habe die Genehmigung, jährlich 270 000 Kubikmeter Grundwasser zu entnehmen. Commer hat nach eigenen Angaben extra in zahlreiche, kostenintensive Maßnahmen investiert, um Wasser und Energie einzusparen, etwa als einziger Landwirt im Vorgebirge in eine teure physikalische Wasseraufbereitung (SKW-System), um ressourcenschonend und effektiv zu wirtschaften. „Ich kann die Bedenken verstehen, wenn man auf einem Feld gleich mehrere Beregnungen gleichzeitig laufen sieht, doch dadurch wird das Grundwasser nicht leer gezogen.“ Geologische Gutachten hätten gezeigt, dass rund um Sechtem ein sehr gutes Grundwasservermögen vorliege.

Der Unternehmer versucht auch, die anderen Kritikpunkte zu entkräften. So würde nicht nur die Kultur „Rollrasen“ Boden abtragen, sondern auch andere Boden- und Knollengewächse, Baumschulen oder Zierpflanzenbetriebe. Erosion könne nicht stattfinden, da die Flächen des Betriebes immer begrünt und bewachsen sind, die Humuswerte im Boden seien sogar in den vergangenen Jahren um zwei Prozent gestiegen. Da sich allerlei Vögel, Hasen oder Kaninchen auf den Anbauflächen tummeln, geht Commer davon aus, dass sie dort Insekten oder Regenwürmer finden, von denen sie sich ernähren.

Christian Commer würde lieber Getreide, Raps oder Mais anbauen, doch der Anbau bringe finanziell so wenig, dass er damit weder seine Familie noch eine zehn Mitarbeiter finanzieren könne: „Sie kommen alle aus dem Stadtgebiet und ich müsste sie dann in die Arbeitslosigkeit schicken.“ Rollrasen höher zu besteuern lehnt Commer ebenfalls ab, da dieser zu den Zierpflanzengewächsen zähle. Dann müssten auch Schnittblumen, Topfpflanzen, Sträucher oder Bäume teurer werden. Zudem würde nur auf 20 Prozent seiner Flächen Rollrasen in Monokultur angebaut, auf den restlichen Flächen würden Getreide, Raps, Mais oder Zwischenfrüchte integriert. Außerdem gebe es großzügige Blühstreifen.

Das sagt der Bürgermeister

Bürgermeister Christoph Becker kann das Anliegen der beiden Initiatorinnen durchaus nachvollziehen, wie er auf Anfrage der Rundschau erklärte: „Grundwasser sollte zunächst als Quelle für Trinkwasser zur Verfügung stehen, danach natürlich auch für die Landwirtschaft zur Beregnung, Bewässerung. Letzteres sehe ich aber vorrangig zur Lebensmittel- und Futterproduktion – dazu gehört Rollrasen also nicht.“ Für eine Beratung in den Ratsgremien zu diesem Thema sehe die Verwaltung laut Stadtsprecher Christoph Lüttgen bisher keine Veranlassung und der Rat habe auch keine Einflussmöglichkeiten, welche Produkte ein Landwirt auf seinen Ackerflächen anbaut. Auch nicht darauf, zu welchen Zwecken er das zur landwirtschaftlichen Nutzung genehmigte Grundwasser in seinem Betrieb einsetze.

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